Ende eines Kreuzberger Kinos: Im Eiszeit geht das Licht aus
Nach über 35 Jahren muss das Kultkino Eiszeit schließen. Grund sind Streitigkeiten mit dem Hauseigentümer.
Das Eiszeit-Kino ist eine Berliner Institution: In den 80er Jahren wurde es als Hausbesetzerkino in Schöneberg gegründet, seit 1985 flimmern die Filme in der Kreuzberger Zeughofstraße über die Leinwand. Lange war das Kino versteckt im ersten Stock des Hinterhauses. Politische Dokumentarfilme, Underground, auch Horror- und Splatterfilme liefen hier. 2013/14 wurde das Gebäude an den jetzigen Hauseigentümer verkauft. Mithilfe des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg fand sich zunächst eine Lösung, das Kino in dem Gebäude zu halten.
Nach längerer Schließung präsentierte sich das Eiszeit vor knapp zwei Jahren runderneuert: Vom Hinterhaus war man nach vorn an die Straße gezogen. Das Enge und Verwinkelte wurde eingetauscht für einen ausladenden Foyerbereich mit Restaurant, der Ort für einen Kaffee vor dem Film oder die Zigarette danach. Oder auch das Essen zwischendurch, wenn man mal gar keine Lust auf Kino hatte. In den kleinen Kinosälen erwartete einen eine sachliche Schlichtheit mit unverputzten Wänden. Weil man doch eh auf die Leinwand guckte. Wichtiger die Sitze: selbst gezimmert, breit und erstaunlich bequem.
„Wir wollten das Kino als Kommunikationsort aufbauen“, sagt Voiges. Hauseigentümer Bernau habe sich im Mietvertrag verpflichtet, sich mit einem Baukostenzuschuss von 360.000 Euro zu beteiligen. Davon habe er aber nur 180.000 Euro bezahlt. „Für ein Projekt wie unseres, wo es eh immer knirscht, war das zu viel.“ Voiges ist überzeugt: Bernau will sie raus haben. „Er führt seit zwei Jahren einen Zermürbungskrieg gegen uns.“
Opfer der Gentrifizierung?
Der Hauseigentümer bestreitet diese Vorwürfe. „Die Betreiber sind mit der Umsetzung ihres Konzepts gescheitert. Sie wollen sich das vermutlich nicht eingestehen und schieben jetzt mir als Vermieter die Schuld zu“, sagt Bernau der taz. Die vereinbarten Finanzierungshilfen von 360.000 Euro bestätigt er. Allerdings hätten die Kino-Betreiber dafür Baurechnungen vorweisen müssen. „Es wurden keine solchen Rechnungen vorgelegt. Ich bin mit 180.000 Euro in Vorlage gegangen, ohne Belege für Ausgaben.“
Das weist Voiges wiederum von sich. Auch, dass die Umsetzung des Konzepts nicht funktioniert habe. „Die Besucherzahlen sind seit dem Umbau kontinuierlich gestiegen.“ Er sieht das Eiszeit als Opfer der Gentrifizierung: „Altgewachsene Kulturstandorte werden es nicht überleben, wenn Leute auftauchen wie Bernau.“
Mediator Christian Berg
Auseinandersetzungen zwischen NutzerInnnen und MieterInnen des Hauses und dem Eigentümer gibt es schon seit Jahren. Die Ankündigung einer umfangreichen Modernisierung Ende 2014 war mit Mietsteigerungen von bis zu 300 Prozent verbunden, heißt es von der MieterInnen-Initiative Bizim Kiez. Sie hat den Streit über neue Gasleitungen, den Einbau eines Fahrstuhls, Schikanen durch die Hausverwaltung und die vielen Klagen dokumentiert. Während alte MieterInnen über die Zeit weichen mussten, wurde das Kino für 700.000 Euro umgebaut.
Wenn sich das Eiszeit jetzt verabschiedet, hat das tatsächlich nicht mit einem neuerlichen Kinosterben zu tun. Im Gegenteil konnte man in den letzten Jahren von einem kleinen Boom der Kiezkinos sprechen, die sich mit besonderem Filmprogramm und gastronomischem Angebot in einer Nische abseits der Multiplexe und auch der Kinos der Yorck-Grupe mit ihrem gediegenen Filmprogramm etablieren konnten. Kleine Kinos wie Il Kino und das Wolf in Neukölln. Ein Konzept, das man auch im Kreuzberger Eiszeit verfolgte.
Einigung ausgeschlossen
Wenn das Kino nun schließt, sei das ein großer Verlust, sagt Christian Berg, Kinobeauftragter beim Medienboard Berlin-Brandenburg. „Mit dem Eiszeit fällt eine Marke weg.“ Im Streit zwischen Eigentümer und Kino hat Christian Berg zeitweilig die Rolle des Mediators übernommen, um beide Parteien wieder an einen Tisch zu bekommen – ohne Erfolg. „Beide Seiten haben sich hoch geschaukelt“, berichtet Berg. „Die Situation ist extrem verfahren.“
Bezirks-Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) zeigt sich am Dienstag überrascht von der Ankündigung der Kinobetreiber. „Es ist schade, dass sie sich nicht an uns oder die Bewegung gewendet haben“, sagt er der taz. Um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden, bemühe sich der Bezirk darum, „Strukturen und klare Ansprechpartner“ für stadtpolitische Fragen und Konflikte aufzubauen.
Burkhard Voiges sagt, er halte es für ausgeschlossen, dass es doch noch zu einer Einigung komme. „Wir haben in den letzten Jahren alles versucht, um diesem einzigartigen Kino eine langfristige Perspektive zu ermöglichen“, heißt es auf der Homepage des Eiszeit. Am Freitag wollen die Kinomacher einen letzten Film zeigen – und das Eiszeit danach bei einer Party mit Stammkunden noch ein Mal richtig feiern.
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