Ende der kostenlosen Coronatests: Teure Zeiten für Ungeimpfte
Die Bundesregierung bezahlt die meisten Schnelltests nicht mehr und hofft, so mehr Bürger zur Impfung zu motivieren. Doch es gibt Bedenken.
In Sachen Corona kommen auf die Bürger aktuell einige Veränderungen zu: Mit Beginn dieser Woche setzt der Staat die kostenlose Bürgertestung aus. Wer weder geimpft noch genesen ist, aber dennoch ins Kino oder Restaurant gehen will, muss den Coronaschnelltest ab sofort selbst zahlen.
Ab dem 1. November werden zudem einige Bundesländer die Lohnfortzahlungen für Ungeimpfte in Coronaquarantäne beenden. Ausnahmen gibt es dann nur noch für Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können oder für die noch kein Impfstoff zur Verfügung steht. Letzteres betrifft Kinder unter 12 Jahren. Kostenlos bleiben zudem die sogenannten PCR-Tests im Labor, wenn sie von Ärzten oder vom Gesundheitsamt veranlasst werden.
Die neuen Regeln sollen der Impfquote einen ordentlichen Schub geben. Das erhofft sich zumindest die Bundesregierung. Wobei hinter der Abschaffung der kostenlosen Schnelltests noch ein anderer Gedanke steckt. Nämlich: Warum soll die Allgemeinheit diese für Leute zahlen, die sich nicht kostenlos impfen lassen wollen?
Gefahr für die sozial Schwächeren?
Diesen Fairnessgedanken hält Andreas Bobrowski, Verbandsvorsitzender vom Berufsverband Deutscher Laborärzte, für eine klare Fehleinschätzung. „Nicht nur, dass die kostenpflichtigen Coronaschnelltests die epidemiologische Lage deutlich verschlechtern werden“, sagt Bobrowski im Gespräch mit der taz. „Sie sind auch aus sozialen Gesichtspunkten unfair.“
Das Argument, dass sich durch kostenpflichtige Tests mehr Menschen zu einer Impfung bewegen lassen, ist für Bobrowski nicht viel mehr als eine populistische Idee. Zwar könne es kurzfristig zu einem kleinen Anstieg der Impfquote kommen. Aber: „Wer sich jetzt noch nicht hat impfen lassen, macht das aus ideologischen Gründen“, betont der Verbandsvorsitzende. Solche Leute ließen sich auch nicht durch kostenpflichtige Tests überzeugen. „Sie sparen sich eher die Tests“, erwartet Bobrowski.
Damit dürften die Inzidenzen zwar zunächst einmal sinken; allerdings nicht, weil sich mehr Menschen impfen lassen, sondern weil weniger Menschen sich testen lassen. Der große erhoffte Impferfolg bliebe aus. Mehr noch: Was kurzfristig als Erfolg anmutet – wenn man den Andrang in dem Berliner Impfzentren als solchen wertet – könnte langfristig teurer werden.
Zumal in Deutschland niemand so ganz genau weiß, wie viele Menschen tatsächlich geimpft sind. Das Robert Koch-Institut (RKI), welches die aktuellen Zahlen regelmäßig veröffentlicht, hatte die Impfquote am vergangenen Donnerstag zum wiederholten Mal nach oben korrigiert.
Offenbar waren schon Mitte August 87,5 Prozent der Erwachsenen mindestens einmal geimpft. Vorher hieß es, dass etwa 75 Prozent der Deutschen vollständig und 80 Prozent einfach geimpft seien. Trotz der Korrektur bleibt Deutschland in Sachen Impfquote noch deutlich hinter anderen europäischen Ländern zurück: In Dänemark sind etwa 95 Prozent erstgeimpft, in Portugal sogar 98 Prozent.
Ein Impfzwang durch die Hintertür sei in jedem Fall der falsche Weg, sagt Bobrowski. Vor allem, solange er zulasten der sozial Schwächeren gehen könnte.
Bislang ist eine Deckelung der Kosten für Tests, wie sie etwa der Sozialverband VdK fordert, nicht vorgesehen. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte dazu gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Wir befürchten, dass es wieder zu völlig überteuerten Angeboten kommt.“ Zwischen 15 und 40 Euro könnte ein Test nach Recherchen des MDR bald kosten. Die Preise bestimmen künftig der Markt beziehungsweise die Testzentren. Konkret bedeutet das: Menschen mit wenig Geld zahlen die gleiche Eigenbeteiligung wie Reiche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles