Ende der Genitalverstümmelung: Ein Sieg für Sudans Frauen

Neun von zehn Frauen und Mädchen sind in dem afrikanischen Land „beschnitten“. Nun verbietet ein neues Gesetz die Genitalverstümmelung.

Bei den monatelangen Protesten im Sudan spielten Frauen eine wichtige Rolle Foto: Mahmhoud Hjaj/ap

NAIROBI taz | Sudan ist nahe daran, die weibliche Genitalverstümmelung (FGM) strafbar zu machen. Der Ministerrat hat ein Gesetz angenommen, in dem die sogenannte Beschneidung mit drei Jahren Gefängnis bestraft wird. Der Souveräne Rat, die höchste Macht im Land, muss das noch bestätigen. Aber sudanesische Frauen feiern jetzt schon einen großen Sieg – diskret.

„Dieses Gesetz wird Mädchen vor einer barbarischen Praxis schützen und gibt ihnen die Chance, in Würde zu leben“, freut sich Salma Ismail, Sprecherin des UN-Kinderhilfswerks Unicef in Sudans Hauptstadt Khartum. „Es hilft Müttern, die ihre Töchter davor schützen wollen, aber keine Wahl hatten, jetzt Nein sagen zu können.“

Sudanesische Frauen bestätigen zwar anonym ihre Freude, aber sprechen lieber nicht öffentlich darüber. Im Sudan spricht man traditionell nicht über FGM. Die Hoffnung ist, dass das jetzt möglich wird.

Sudan hat eine der höchsten Raten von FGM in der Welt. Nach UN-Angaben sind 87 Prozent aller Frauen zwischen 14 und 49 Jahren genital verstümmelt. Am häufigsten ist die Infibulation, wobei die äußersten Genitalien ganz oder teilweise entfernt werden und die Vaginalöffnung verengt wird. Das sorgt oft für chronische Gesundheitsprobleme. Den Eingriff führen meist ältere Frauen mit Rasierklingen oder Messern durch, oft ohne Betäubung.

Frauen standen bei der Revolution ganz vorne

27 Länder Afrikas haben die Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen bereits verboten. In vielen Ländern in Afrika, Asien und im Mittleren Osten gilt der brutale Eingriff immer noch als ein notwendiger „Übergangsritus zur Weiblichkeit“. Für beschnittene Mädchen kassieren die Familien oft einen höheren Brautpreis bei der Ehe.

Viele glauben auch, dass FGM ein religiöses Gebot sei. Doch Sudans Minister für Religionsangelegenheiten, Nasr al-Din Mufre, hat vor Kurzem erklärt, es gebe dafür im Islam keine Rechtfertigung und es sei eine Praxis, „für die es heute keinen Platz mehr gibt“. Er unterstützt die Kampagne, weibliche Genitalverstümmelung weltweit bei 2030 vollständig zu eliminieren.

In sechs von Sudans achtzehn Bundesstaaten ist FGM bereits verboten oder nur eingeschränkt erlaubt. Aber national gab es noch kein Gesetz – dafür sorgte Präsident Omar Hassan al-Bashir, der 2019 gestürzt wurde. Und auch jetzt wehren sich noch viele seiner islamistischen Anhänger dagegen.

Bei den monatelangen Protesten gegen Bashir spielten Frauen eine wichtige Rolle. Sie standen heroisch auf den Barrikaden. Seit eine Übergangsregierung von Zivilisten und Militärs gebildet wurde, haben Frauen mehrere Siege errungen. So wurden im November die Gesetze abgeschafft, die Frauen verboten, Hosen zu tragen oder sich ohne Kopftücher zu zeigen.

Ein gesetzliches Verbot dürfte der Genitalverstümmelung nicht gleich ein Ende setzen. Die somalische Aktivisten Faiza Mohamed warnt gegenüber Reuters: „Es strafbar zu machen, schreckt ab, aber Gesetze müssen auch umgesetzt werden. Wer von der ‚Beschneidung‘ überzeugt ist“, werde Verstöße wohl auch in Zukunft nicht melden.

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