Kriegsverbrechen in Sudan: Fliegt Bashir nach Den Haag?

Sudan stellt in Aussicht, den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Exdiktator Bashir zu erfüllen. Was das heißt, bleibt offen.

Sudans ehemaliger Präsident Omar al-Bashir hinter Gittern.

Könnte bald vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag stehen: Omar Hassan al-Bashir Foto: Mahmoud Hajaj/AA/afp

NAIROBI taz | Sudan hat die Tür geöffnet für das Erscheinen von Ex-Militärdiktator Omar Hassan al-Bashir vor dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag. Seit 2009 gibt es gegen Bashir einen ICC-Haftbefehl wegen Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der westsudanesischen Region Darfur. Bashir hatte den immer abgelehnt – aber im vergangenen April wurde er gestürzt.

Der Durchbruch jetzt kam während der Verhandlungen zwischen Sudans neuer Übergangsregierung und sudanesischen Rebellengruppen. Sie sprechen seit vorigem Jahr über die Beilegung der diversen bewaffneten Konflikte im Land und führen derzeit Gespräche in Südsudans Hauptstadt Juba.

Schon bei den monatelangen Verhandlungen nach Bashirs Sturz zwischen der Protestbewegung auf der Straße und dem Militär über die Bildung einer Übergangsregierung hatten die Zivilisten gefordert, dass Bashir an den ICC überstellt werden sollte. Aber die Militärs sprachen sich dagegen aus. Schließlich hatten die Militärs, bevor sie den Präsidenten absetzten, unter ihm gedient und waren mehr oder weniger selbst am Bürgerkrieg in Darfur beteiligt.

Doch willigten sie ein, Bashir in Haft zu nehmen und wegen Korruption vor Gericht zu stellen – im Dezember wurde er in Sudans Hauptstadt Khartum zu zwei Jahren Haft verurteilt. Eine Überstellung nach Den Haag war damals noch nicht in Sicht.

Am Dienstagnachmittag aber erklärte ein sudanesischer Regierungsvertreter in Juba: „Wir sind uns einig geworden, dass jeder, gegen den ein Haftbefehl existiert, vor dem ICC erscheinen soll.“ Bashir wurde nicht ausdrücklich mit Namen genannt. Es geht insgesamt um fünf Personen. Neben Bashir ist es der ehemalige Innen- und Kriegsminister Abdelrahim Muhammed Hussein und der Ex-Sicherheitschef Ahmed Haroun.

Diese drei sitzen momentan im Gefängnis in der Hauptstadt Khartum. Auch gesucht sind Ali Kuschaib, der ehemalige Leiter der gefürchteten Reitermiliz Dschandschawid, und der Darfur-Rebellenführer Abdullah Banda, von dem keiner weiß, wo er sich aufhält.

Bashir nach Den Haag – oder ICC-Richter nach Khartum?

Die kryptische Erklärung der Regierung sorgt nun für Verwirrung. Nach Angaben von Behördenvertretern, die nicht autorisiert sind, mit den Medien zu sprechen, wird Bashir jetzt nicht gleich in ein Flugzeug nach Den Haag gesetzt werden. Es gibt Vorschläge, einen gemischten Gerichtshof der sudanesischen Justiz und des ICC Khartum zu errichten oder einen ICC-Prozess im Sudan selbst zu führen.

Dazu kommt, dass Sudan das Rom-Statut des ICC nicht ratifiziert hat. Das ist nach Angaben des ICC kein Problem, um ein Verfahren zu starten, aber der Strafgerichtshof will noch nicht auf die Erklärung aus Juba reagieren, solange er nicht offiziell von Sudans Regierung informiert worden ist.

Das Schicksal Bashirs gehört zur Verhandlungsmasse bei den Besprechungen der Regierung mit Rebellen aus Darfur, den Nuba-Bergen und dem Bundesstaat Blue Nile. Diese teils seit Jahrzehnten kämpfenden Gruppen scheinen bereit zu sein, im Tausch für die Überstellung Bashirs und der anderen an den ICC ihre Forderungen nach Unabhängigkeit fallenzulassen. Auch fordern sie mehr Einfluss auf die Beschlüsse der neuen sudanesischen Regierung.

Sudans Generäle sind immer noch mächtig

Wenn Sudans Militärs jetzt doch einverstanden ist, Bashir dem ICC zu überlassen, hat das womöglich mit der katastrophalen wirtschaftlichen Lage des Landes zu tun. Die Wirtschaft liegt nach Jahren der Misswirtschaft am Boden, und weil die US-Sanktionen noch immer nicht völlig gestrichen sind, kann Sudan dringend nötiges Geld nicht bei Institutionen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) leihen.

Die Sanktionen wurden einst verhängt, weil Sudan unter Bashir den internationalen Terrorismus unterstützte – so konnte der ehemalige Al-Qaida-Chef Osama bin Laden jahrelang ungestört in Sudan leben. Die neue Regierung versucht auf verschiedene Weisen, die internationale Gemeinschaft davon zu überzeugen, dass Sudan einen Neustart gemacht hat. Obwohl die Welt bewundernd zuschaute, wie die Massenprotestbewegung auf der Straße die Militärs zwang, die Macht zu teilen, traut vor allem der Westen den Generälen noch nicht, die weiterhin sehr großen Einfluss haben.

Zwei der wichtigsten Militärs, Abdel Fattah al-Burhan und Mohammed Hamdan Daglo, sind Vorsitzender beziehungsweise Vizevorsitzender des Souveränen Rats, der höchsten Macht im Land. Sie dienten beiden bereits unter Bashir. Daglo, besser bekannt unter seinen Spitznamen Hametti, kommandiert die Rapid Support Forces (RSF) – ein sehr gut organisierter, aber berüchtigter Teil der Armee, der aus der Dschandschawid-Miliz in Darfur hervorging und damit für grobe Verstöße der Menschenrechte verantwortlich ist, die die Haftbefehle des ICC begründen.

Hametti gilt momentan als der mächtigste Mann in Sudan. Die Frage ist, ob er wirklich zulassen wird, dass sein ehemaliger Chef Bashir an den ICC ausgeliefert wird, wo er einiges zu erzählen hätte über das Benehmen von Hametti und seiner RSF in Darfur.

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