Ende der Coronamaßnahmen: Achtung, es wird unübersichtlich
Wo die Gesundheitsversorgung regional bedroht ist, darf verschärft werden. Das Hotspot-Chaos ist damit programmiert.
Spätestens ab 3. April, und der ist bekanntermaßen schon sehr bald, wird jetzt wirklich alles anders: Das Ende fast aller Corona-Maßnahmen kommt. Mindestens ein bisschen. Mancherorts. Vielleicht. Ganz klar ist das noch nicht beziehungsweise muss noch entschieden wird. Und egal was da entschieden wird, geklagt werden soll auch wieder. Es ist ein Chaos. Das Hotspot-Chaos. Und das ist mindestens psychologisch gesehen ganz schlecht.
Dem seit 20. März geänderten Infektionsschutzgesetz entsprechend fallen nach einer Übergangsfrist von 14 Tagen fast alle Maßnahmen zum Schutz gegen Corona-Infektionen, es gilt nur noch ein sogenannter Basisschutz. Das heißt, keine Maskenpflicht mehr außer im Personenverkehr und in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen etc. Auch die verpflichtenden Zugangsbeschränkungen durch Tests und Impfnachweise fallen fast überall weg. So weit, so klar. Aber: Wenn die Gesundheitsversorgung regional bedroht ist, dann darf und soll die örtliche Regierung dort weitergehende Maßnahmen beschließen. So ein Hotspot kann eine Stadt sein, ein Landkreis oder auch ein ganzes Bundesland.
Und so kann es eben sein, dass Sie nächste Woche von einem Bundesland in ein anderes fahren, sagen wir mal von Niedersachsen (nix da mit Hotspot) nach Mecklenburg-Vorpommern (das ganze Bundesland wird zum Hotspot). Und dass sie hoffen müssen, dass Sie die Maske, die Sie in Niedersachsen quasi nicht mehr brauchten, noch in der Tasche haben. Weil in MV ist sie ja wieder vonnöten, auch beim Einkaufen. Und in den Hafenklub dürfen Sie auch nur, wenn Sie geimpft sind. Und wenn Sie dann nach Berlin weiterfahren … Da beschloss der Senat am Dienstag trotz großer Bedenken, dass bereits ab 1. April nur noch der Basisschutz gilt. Also Masken wieder runter. In Hamburg wird das Landesparlament am Mittwoch abstimmen, hier soll wiederum die Hotspotregelung gelten.
Die einen und die anderen
Die einen – Städte- und Gemeindebund, Oppositionspolitiker:innen, Landeschef:innen – meckern, dass es keine klareren und vor allem rechtssicheren Regelungen vom Bund gibt, was denn nun ein Hotspot ist.
Die anderen – wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach – sagen, dass die Länder mal einen Zahn zulegen sollen, sich als Hotspots zu erklären, damit wenigstens die allgemein als wirksam anerkannte Maskenpflicht in öffentlichen Räumen weitergilt. Und wieder andere – die FDP in Hamburg zum Beispiel – kündigen schon mal eine Klage an, falls es zu einer Hotspotentscheidung kommen sollte.
Wohlmeinend lässt sich diese unübersichtliche Lage und das Geraune darum als ruckeliger Start in eine (hoffentlich) letzte Phase der Pandemie deuten, in der Coronamaßnahmen halt nur noch dort gelten dürfen, wo es für die allgemeine Gesundheitsversorgung wirklich brenzlig werden könnte. Doch im Hinblick auf die Akzeptanz von politischen Maßnahmen in dieser Pandemie kann die Neuregelung und ihre Umsetzung einfach nur als Murks bezeichnet werden.
In der groß angelegten und international renommierten Cosmo-Studie werten Wissenschaftler:innen um die Erfurter Professorin für Gesundheitskommunikation, Cornelia Betsch, nämlich schon fast seit Beginn der Pandemie im Wochentakt die Befindlichkeit einer deutschen Stichprobengruppe in Sachen Corona aus. Es geht um Risikowahrnehmung und Schutzverhalten, Akzeptanz der Maßnahmen und Vertrauen in die Politik, um die Impfbereitschaft.
In der Langzeitbeobachtung stechen zwei Ergebnisse eindeutig hervor:
Die, sie sich keinesfalls impfen lassen wollten und Infektionsschutzmaßnahmen generell ablehnten, verharrten in der Regel in dieser Position. Egal, was Politiker:innen machten oder nicht machten, sagten oder nicht sagten. Diese Gruppe der Ablehnenden wurde mit der Zeit weder sonderlich größer noch kleiner, sie wurde nur lauter.
Nur unklare Entscheidungen
Deutlich fluider ist dagegen die Position aller anderen. Die Zustimmung zu Impfungen schwankte etwa im Verlauf der Pandemie um über 50 Prozent. Dem Vertrauen der Befragten in das politische Handeln erging es ähnlich: In guten Zeiten bei knapp 60 Prozent, auf den Tiefpunkten bei weniger als 30 Prozent. Und wenn man sich diese Tiefpunkte genauer anschaut, wird es spannend.
Es ist nämlich keineswegs so, dass die Zustimmung dann am geringsten wäre, wenn die Maßnahmen besonders milde oder besonders streng sind, sondern dann, wenn die Politik keine klaren Entscheidungen trifft. Etwa mit zunehmendem Wahlkampfgetöse oder um Ostern 2021, als sich die Regierung zunächst nicht über besondere Einschränkungen für die Osterferien einigen konnte. Dann sollte die sogenannte Osterruhe doch kommen, nur um dann 48 Stunden nachdem sie beschlossen wurde wieder abgesagt zu werden. Nur noch 25 Prozent der Befragten vertrauten in dieser Zeit dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung.
Es bestätigt sich eine grundlegende psychologische Erkenntnis: Nichts ist frustrierender und spaltender als unklare Entscheidungen.
Vor wenigen Tagen hat die vorerst letzte Cosmo-Auswertung stattgefunden. Ziel der Studie war es, der Politik Erkenntnisse zu liefern, um die „psychologischen Herausforderungen der Covid-19-Epidemie einschätzen zu können und im besten Falle zu bewältigen“. Das dürfte dieses Mal wieder in die Hose gegangen sein. Insofern ist es zumindest für die politisch Verantwortlichen wohl ein Glück, dass nach dem Hotspot-Chaos nun keine Befragung zur Auswirkung auf die Stimmungslage mehr kommen soll.
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