Einschüchterung durch Rechte: Drohungen im Netz, Kleber an der Tür
Hackerangriffe und nächtliche Besuche: Rechte attackieren ihre Gegner. Die Amadeu Antonio Stiftung will sich nun wehren.
Die Aktion ist kein Einzelfall. Immer stärker erleben derzeit Engagierte gegen Rechtspopulisten und Neonazis Bedrohungen aus dem Lager ihrer Gegner. Und immer konzentrierter gehen die Anhänger von AfD, Pegida oder noch rechteren Gruppen dabei vor.
In deren Fokus steht vor allem Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Der hatte sich wiederholt deutlich gegen Pegida und AfD ausgesprochen. Die Adressierten schmähen ihn seitdem als „Gesinnungsminister“. Pegida-Anführer Lutz Bachmann verglich Maas mit NS-Propagandachef Joseph Goebbels.
Die Wut verstärkte sich noch, als Maas im Oktober 2015 eine Task Force „gegen Hassbotschaften im Internet“ initiierte. Dazu gehört neben Facebook, Google und Twitter auch die Amadeu Antonio Stiftung, die sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus engagiert. Dort wird vor allem die Vorsitzende Anetta Kahane als „Denunziantin“ attackiert – garniert mit dem Verweis auf ihre Tätigkeit als Inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi in der DDR von 1974 bis 1982.
„Expertin für Verrat“
Die Kampagne gegen Kahane wurde auch durch AfD-Anhänger verbreitet und reichte bis zu Morddrohungen. Der Rechtsaußen-Autor Akif Pirincci nannte sie eine „Expertin für Verrat“, die Leute „ins Kittchen“ bringe, deren Meinung der Regierung nicht passe.
Justizminister Heiko Maas (SPD)
Dabei blieb es nicht. Mitte Februar legte ein rechter Ableger des Hackernetzwerks Anonymous mit Netzattacken für eine Stunde die Server des Justizministeriums, einiger Parteien und der Antonio-Stiftung lahm. Vor einer Woche dann schlugen die Identitären vor der Stiftung auf. Im Internet wurden danach Namen von Mitarbeitern veröffentlicht, dazu der Verweis: „Alles Weitere ergibt sich selbst.“ Die weit rechten Identitären sorgten zuletzt für einen Eklat, als sie in Wien eine Theateraufführung von Elfriede Jelinek über Flüchtlinge stürmten, Kunstblut verspritzten und „Multikulti tötet“ skandierten.
Betroffene wollen sich wehren
Kahane kündigte am Montag ab sofort rechtliche Schritte an. „Wir lassen uns das nicht mehr gefallen.“ Sie habe ihre IM-Vergangenheit stets öffentlich gemacht und nie beschönigt, sagte Kahane. Ein Gutachten von Helmut Müller-Enbergs, Referent beim Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, hatte jüngst konstatiert, dass ihre damaligen Meldungen keine Personen beschädigt hätten. Dennoch, so Kahane, werde inzwischen eine „ganze Bewegung diffamiert, die sich gegen den ausufernden Hass gegen Minderheiten im Netz engagiert“.
Ihre Stiftung setzte bereits eine Unterlassungsverfügung gegen das rechte Compact-Magazin durch. Auch Maas’ Staatssekretär Gerd Billen kündigte am Montag an: „Wenn Stiftungen wegen ihres Engagements gegen rechte Gewalt diffamiert und bedroht werden, dürfen wir das nicht tatenlos hinnehmen.“ Erst im März hatte Maas auf einem Anti-Rechtsextremismus-Gipfel eine stärkere Bekämpfung von Hassbotschaften im Internet vereinbart. „Die Hemmschwellen sinken immer weiter“, sagte Maas. „Wir müssen die Radikalisierung stoppen.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!