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Einsatz für kleine KlassenCorona fördert Eigeninitiative

Weil die Länder am Präsenzunterricht in voller Gruppenstärke festhalten, haben Schüler*innen in Bremen jetzt selbst halbe Klassen organisiert.

Zu eng: So dicht auf dicht wollen viele Schüler*innen nicht sitzen müssen Foto: Matthias Balk / dpa

BREMEN taz | Kleinere Klassen = geringere Ansteckungsgefahr. Diese Rechnung wollen die Landesregierungen nicht machen. Sie verlangen von Schüler*innen und Lehrer*innen, dass sie sich weiter mit bis zu 30 Leuten in engen Räumen treffen. Und begründen dies damit, dass sonst zu viele Schüler*innen abgehängt würden.

An einigen Schulen protestieren Schüler*innen dagegen, so auch an der Oberschule Kurt-Schumacher-Allee in Bremen. Dort sind am Montag 240 Schüler*innen der Oberstufe in einen Streik für Halbgruppen getreten.

Wobei Streik der falsche Ausdruck ist, wie Fabienne Pastoor aus dem Abiturjahrgang erklärt. „Wir bleiben nicht dem Unterricht fern, sondern nur an manchen Tagen der Schule“, sagt die 18-Jährige. Zunächst hätten die Schüler*innen die Kurse in je zwei Gruppen à zwölf Schüler*innen aufgeteilt, von denen jeweils eine zu Hause am Computer die Aufgaben bearbeitet, die sie von den Lehrkräften bekommen haben.

Dabei sei es nicht darum gegangen, wer mit wem befreundet sei, sondern sie hätten überlegt, wer gut zu Hause arbeiten kann und vielleicht nur an zwei, drei Tagen zur Schule kommen muss und wer die ganze Woche. Manche hätten kein Internet, auch die iPads, die alle Schüler*innen Bremens derzeit bekommen, seien noch nicht verteilt.

So funktioniert Lernen. Alle werden nach ihren Möglichkeiten individuell gefördert

Fabienne Pastoor, Schülerin

„Es gibt Jugendliche, die haben zu Hause fünf Geschwister und kein eigenes Zimmer, die brauchen die Schule.“ Die liegt in einem von Mehrfamilienhäusern dominierten Stadtteil und hat ein gemischtes Einzugsgebiet. Alle Kurse hätten Ansprechpartner*innen bei Problemen benannt, auch psychischen.

Pastoor sagt, dass die meisten die Fristen für ihre Online-Aufgaben einhielten. Den Lehrer*innen, die Schwierigkeiten mit der Umstellung aufs digitale Unterrichten hätten, helfen die Schüler*innen jetzt. „So funktioniert Lernen“, sagt die Schülerin, „alle werden nach ihren Möglichkeiten individuell gefördert.

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10 Kommentare

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  • @Taz Redaktion

    Wäre das nicht mal einen Leitartikel wert?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Liebe Schüler, es ist doch offensichtlich, dass ihr dem Gemurkse des Lehkörpers und der Politik nicht vertrauen könnt.

    Macht Druck uns sagt klipp und klar, was ihr wollt!

  • Was für ein schlimmes Armutszeugnis für eine Gesellschaft, wenn sie auf die Eigeninitiative von Kindern angewiesen ist, um deren eigene Gesundheit und die ihrer Familien zu schützen. Und erst eine Pandemie braucht, um den Kindern eine Gelegenheit zu geben, ihre Eigeninitiative auszuleben und ihr Lernumfeld an ihren Bedürfnissen orientiert in einem gegebenen Rahmen selbst zu organisieren.

    • @Lurkus:

      Die Schüler*innen der Oberstufe "Kinder" zu nennen ist extrem unhöflich und in diesem Kontext erniedrigend. Es handelt sich bei den Organisatoren des Streikes um Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 15 und 19 Jahren.

      • @uhhhdoro:

        So war es nicht gemeint. Ich hab größten Respekt und alle meine Hoffnung auf gesellschaftlichen Wandel liegt auf dieser Generation. Es ging mir darum, die Gesellschaft zu kritisieren, die sich selbst so schlecht organisiert, dass sie Menschen in Ausbildung dazu zwingt, sich selber um die Rahmenbedingungen zu kümmern, unter denen die Gesundheit aller Beteiligten einigermaßen geschützt wird. Bildung, auch auf selbstorganisation ausgerichtete Bildung, braucht einen Schutzraum, der es erlaubt, Fehler zu machen. Eine Gesellschaft, die sich ernst nimmt, sollte das leisten können. Dass diese Menschen jetzt die Erfahrung machen, dass diese Gesellschaft sich nicht um Grundbedürfnisse kümmert, dass sie sich selbst (besser) organisieren können, dass dazu auch meistens gehört, andere Regeln zu brechen - das ist großartig!

    • @Lurkus:

      Die Lehrer*innen dürfen das leider nicht selbst so organisieren, auch wenn sie es sich noch so sehr wünschen. Da gäbe es richtig Ärger für einen Alleingang. Wenn die Initiative allerdings von den Schüler*innen ausgeht, sieht die Sache anders aus...

      • @Parabel:

        Ja das ist doch beschissen..

    • @Lurkus:

      Sind ihre Gläser eigentlich auch sonst immer halb leer, werte*r LURKUS?

      Sehen Sie es doch mal so: Eine Gesellschaft, in der 240 Oberstufenschüler einer einzigen Schule es schaffen, vernünftiger und solidarischer zu agieren als alle zuständigen Erwachsenen zusammen, kann nicht ganz schlecht sein. Zumindest lässt so eine Gesellschaft für ihre Zukunft Hoffnung aufkommen. Denn irgendwann werden einige der besagten Oberstufenschüler womöglich mal Lehrer*innen, Direktoren*innen, Schulamts-Leiter*innen oder sogar Kultusminister*innen. Und dann sind sie womöglich noch einmal um Jahrzehnte kompetenter als heute.

    • @Lurkus:

      Kann man so sehen, Man kann aber auch sehen, daß diese Eigeninitative in die richtige Richtung geht.



      Es ist noch nicht zu spät für das Land Unterstützung zu diesem sinnvollen Ansatz zu geben.

      • @Grauton:

        Ja, absolut, ich bin völlig beeindruckt von den Kids! Aber es sollte eben gar nicht in den Händen von Kindern liegen, dass sie für eine so ernsthafte Sache die Verantwortung tragen. Nicht falsch verstehen, Kinder sollen und können sehr gerne Verantwortung übernehmen und sich selbst organisieren üben. Aber eben üben. Das heißt, es gibt ein Netz und doppelten Boden, wenn was schief geht. Das Netz seh ich hier nicht. Und "normalerweise" ist das mit der selbstorganisation leider meist gar nicht vorgesehen.