Einladung an Putin zu Gipfel: Südafrika brüskiert Strafgerichtshof
Südafrika ist Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs, der Russlands Präsidenten sucht. Deshalb müsste es ihn bei Einreise eigentlich festnehmen.
Anderenfalls wäre das Land, nachdem Putin vom IStGH seit März als Kriegsverbrecher gesucht wird, zu dessen Verhaftung bei Einreise verpflichtet. Ramaphosa begründete die Entscheidung seiner Regierung damit, dass „der IStGH eine ungerechte Praxis gegenüber bestimmten Konfliktparteien“ gezeigt habe, und zitierte als Beleg sogar Aussagen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Im Vorfeld hatte es verschiedene Spekulationen gegeben, wie sich Südafrika verhalten sollte, wenn es vom 22. bis 24. August dieses Jahres als Gastgeber des 15. Brics-Gipfels dessen Vorsitz übernimmt: Zuletzt schien ein Kompromiss zu sein, dass Putin online aus Moskau zugeschaltet werden solle. Dieser Vorschlag schien mit der Ankündigung Ramaphosas vom Tisch.
Doch noch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch folgte ein ungewöhnlicher Rückzug: In einer Presseerklärung des Büros des Generalvorsitzenden der Regierungspartei African National Congress (ANC) war von einem „ungewollten Eindruck“ die Rede, dass ein Rückzug Südafrikas aus dem IStGH „unmittelbar“ bevorstünde. Dem sei jedoch nicht so. Insider vermuten, dass der ANC und der Präsident selbst einfach vorgeprescht waren, ohne alle legalen Folgen des Ausstiegs sorgfältig vorab zu klären.
Südafrika hat eine Vorgeschichte mit dem IStGH
Gleichwohl wurde dadurch schon deutlich, welche Bedeutung die Brics-Staaten für mehr und mehr Länder des Globalen Südens bereits haben. Der Verbund wurde 2006 gegründet, wobei Südafrika etwas später hinzukam, um auch ein Land des afrikanischen Kontinents dabeizuhaben. Während der G7-Zusammenschluss den wirtschaftlichen Reichtum des Globalen Nordens repräsentiert, steht Brics für die Mehrheit der Weltbevölkerung im Globalen Süden, auch wenn die fünf Staaten gemeinsam nur 25 Prozent der Weltwirtschaft auf sich vereinigen – Tendenz jedoch zunehmend. Auch bewerben sich aktuell mehrere Länder, darunter Ägypten, Uruguay und Bangladesch, um eine Mitgliedschaft.
Es gibt außerdem eine Vorgeschichte über Südafrikas Verhältnis zum IStGH, das immerhin seit 1998 besteht. Im Jahr 2015 reiste Omar al-Bashir nach Südafrika ein. Der damalige sudanesische Diktator, der 2019 abgesetzt wurde, wurde vom IStGH wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht. Als dann seine Verhaftung drohte, konnte er auf mysteriöse Weise das Land wieder verlassen – ohne Konsequenzen.
Mehrere Expert*innen, unter anderem eine Sprecherin der liberalen Helen-Suzman-Stiftung, erklärten inzwischen, dass es mehrere legale Hürden zu überwinden gäbe, damit Ramaphosas Plan bis August überhaupt funktionieren könne: Die IStGH-Regeln selbst schreiben vor, dass nach offizieller Kündigung die Mitgliedschaft erst nach 12 Monaten enden könne.
Ramaphosa wagt seinen Vorstoß zu einem auffälligen Zeitpunkt: Um seinen ambitionierten „Investitionsplan für einen gerechten Energieübergang“ (Just Energy Transition Investment Plan) – der besagt, dass innerhalb von fünf Jahren von derzeit noch 80 Prozent Kohle auf erneuerbare Energien umgestellt werden soll – umsetzen zu können, ist Südafrika in hohem Maße von internationalen Finanzquellen abhängig.
Stromausfall, und nun schließt wohl auch noch die Post
In den kommenden südafrikanischen Wintermonaten droht – nachdem der Strom bereits jetzt mehr als acht Stunden täglich ausfällt – der totale Blackout. Ein Warnsignal: Die Währung Südafrikas, der Rand, ist derzeit auf einem neuen Tiefststand von rund 20 Rand zu 1 Euro angekommen.
Und nicht nur der staatliche Energieversorger Eskom versinkt – trotz eben neu ernanntem Elektrizitätsminister – zunehmend im Chaos. Als jüngste Hiobsbotschaft wurde kürzlich verkündet, dass die etwa 1.300 staatlichen Postämter im Land wegen hoher Verschuldung in Kürze schließen müssen – und Briefe und Pakete nur noch über private Zulieferer, unbezahlbar für die Mehrheit der armen Bevölkerung, zugestellt werden könnten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag