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Einkaufen im SupermarktDer Trick mit den einsamen Bananen

Was beeinflusst die Kaufentscheidung im Supermarkt? Forschende haben nun Überraschendes herausgefunden – mit möglichen Effekten über Bananen hinaus.

Auserwählte Banane Foto: imago

W as tun gegen Lebensmittelverschwendung? Containern erlauben, Logistik und Lagerung verbessern, über Sinn und Grenzen des Mindesthaltbarkeitsdatums aufklären, Restbestände verschenken – ja, ja, ja und ja.

Aber For­sche­r:in­nen haben nun einen neuen potenziellen Weg gefunden: auf Mitgefühl setzen. Versuchsort Supermarkt, Obsttheke. Versuchsobjekt: Bananen. Vor einer Kiste mit einzelnen Exemplaren platzierten die Forschenden Hinweisschilder, dass die Einzelbananen gekauft werden wollten. Was am besten zog: „Wir sind traurige Singles und möchten auch gekauft werden“, in Kombination mit dem Bild einer unglücklich dreinblickenden Banane. Der Absatz der Einzelstücke stieg in der Folge um mehr als 50 Prozent. Lebensmittelverschwendung adé?

Gut, möglicherweise wird sich die Bananentaktik etwas abnutzen, wenn Supermärkte nun anfangen, vor jedem Regal mit einzelnen Tomaten, Möhren, Mangoldstangen oder Restposten von Kaugummi bis Käseecken, Mitleidsschilder zu positionieren. Aber interessant ist nicht nur, dass Menschen offenbar in der Lage sind, Mitgefühl mit Obst zu entwickeln und daraus eine Handlung abzuleiten – wo es doch sonst damit, siehe beispielsweise Massentierhaltung und Fleischkonsum, nicht unbedingt so weit her ist. Interessant ist auch: Die Bananentaktik ließe sich weiterdenken.

Zum Beispiel was die Langlebigkeit – oder eben eher Kurzlebigkeit – von Gegenständen angeht. Warum nicht bei den Waschhinweisen auf der Jacke ein kleines Schild einnähen: „Im Müll bin ich nur noch Müll – trag mich doch noch eine Saison“? Warum blinkt die anscheinend defekte Waschmaschine auf dem Display „Err“, anstatt dort zu zeigen: „Ich hab zwar schon ein paar Jahre auf dem Buckel, aber lass mich reparieren, dann bin ich wieder wie neu“?

Und das Smartphone könnte nach einem Jahr in Benutzung ein paar Konfettiregen und Feuerwerke auf dem Display zünden und vermelden: „Glückwunsch, ein Jahr haben wir schon zusammen erlebt, auf ins nächste.“ Mitgefühl wäre hier zwar nicht mehr die Strategie, sondern eher eine Mischung aus Gamification und Anthropomorphisierung, also das Ansprechen des Spieltriebs und Vermenschlichung. Aber auf Letzteres setzt das Bananenschild ja auch. Oder seit wann haben Bananen einen Willen?

Von wegen Kampf gegen Lebensmittelverschwendung

Da ist natürlich ein Haken. Setzt ein Händler auf die Bananentaktik, wird es ihm wahrscheinlich nicht primär um weniger Lebensmittelverschwendung gehen, sondern eigentlich um mehr Verkauf. Und wenn Produkte länger halten und genutzt werden, fürchten Hersteller und Handel sinkende Umsätze.

Letzterer klagt ohnehin schon seit Monaten sehr laut und ausdauernd sein Leid: krisenbedingte Konsumzurückhaltung, steigende Einkaufspreise und dann auch noch die Konkurrenz durch Ultra-Niedrigpreis-Plattformen wie Temu und Shein. Schlimm alles, wirklich, nur das Weihnachtsgeschäft könnte eine Rettung sein. Ob das vielleicht schon die Bananentaktik ist?

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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11 Kommentare

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  • Sachen lange gebrauchen, die bereits leckeren reifen Bananen nehmen (älter und/oder einzeln - komplett vermatscht hingegen meine ich nicht), wo ist denn das Problem?



    Was bei Computern etc. noch ein Thema wäre, ist Zugang zu noch sicheren Betriebssystemen, wenn mensch kein Linuxfreak wäre.

  • Einzelne Bananen zu kaufen ist doch eine streng rationale Entscheidung.

    Denn so kann ich mir jede einzelne Banane aussuchen und kaufe nicht die eine angeditsche in dem Fünferbündel mit.

  • Ich verstehe das Problem nicht. Einsame Banane an die Wand mit Klebeband kleben und einen günstigen Preis, sagen wir 5 Millionen, darunter schreiben. So günstig bekommt man die nicht bei Sotheby's!

    • @Strolch:

      Die 'Comedian'-Banane des Maurizio Cattelan ist als Provokation schon etwas arg in die Jahre gekommen. Das hindert die Medienschaffenden nicht daran, die alte Geschichte bei jeder Gelegenheit wieder aufzuwärmen. Da wird gelacht, wo gähnen angebracht wäre: 'The same procedure as every year.'

    • @Strolch:

      ... verbunden mit der Verpflichtung, die Banane auszutauschen wenn sie unansehlich wird ...

  • Mangelt es an intellektuellem Tiefgang, hilft dann die Mitleidstour zu besseren Einsichten? Das Nudging auch mit amüsanten Hinweisen funktionieren kann, ist längst erweisen. Unklar ist, wie lange der 'Stubs-Effekt' anhält und ob er zu anhaltenden Verhaltensänderungen führen kann. Umstritten bleibt er, weil Nudging auch nur eine von vielen manipulativen Methoden ist, die auch für 'schlechte' Ziele eingesetzt werden. Für Aufklärung im Sinne von Bildung und Verantwortung sorgen sie nicht. Im Gegenteil, sie trainieren die affektiven Reflexe.







    Am generellen Verhalten von Konsumenten werden traurige Bananen nichts ändern, da ein wichtiger Nebeneffekt der arbeitsteiligen und auf Tauschbeziehungen angewiesenen Gesellschaft die Entfremdung der Menschen von anderen Menschen und von der Natur ist. Der moderne Mensch kann produzieren, konsumieren und wegwerfen, ohne sich dabei für die anderen oder das andere zu interessieren. Dagegen helfen nur frühe Bildung zur Verantwortung, Aufklärung über die Verflechtungen, entsprechende Gesetze und Systemänderungen.

  • Ein aktueller Überblick zur Verschwendung:



    Lebensmittelabfälle



    www.bmel.de/DE/the...e-deutschland.html



    Wer nichts wegwirft, wird durch andere "überkompensiert".

  • Ich teile mir zusammen mit einer Freundin ein Auto und das hat nun schon 19 Jahre auf dem Buckel. Es ist inzwischen ein Projekt: Wie lange können wir es mit vertretbarem Aufwand noch reparieren? Wir beide werden wehmütig - aber nur ein bisschen - bei dem Gedanken das irgendwann abzugeben.

    Das Problem mit den Handys usw. ist, dass die Hersteller das nicht wollen. Da wäre schon lange sehr viel mehr machbar. Mit Linux oder Smartphone-Betriebssystemen wie e-os, und wenn dann auch noch der Akku tauschbar ist, lassen sich Computer und Handys quasi ad infinitum benutzen. Der Arbeitsrechner eines Freundes von mir stammt aus dem Jahr 2009: Ein flüsterleiser Mac Mini der inzwischen unter Linux Mint Cinnamon 22 läuft, sich flüssig anfühlt und alles kann was ein Schreib- und Surfrechner heute können muss.

    • @Hanno Homie:

      Der Akku ist ja tauschbar. Bin zu meinem Arbeitgeber und habe als ich ein neues Diensthandy hätte haben können, den Akku tauschen lassen. Kam zwar (unverschämte) 120 Euro, aber billiger als ein neues war es allemal. Und für Internet, e-Mails und Anrufe wüsste ich jetzt nicht, was ein jüngeres Smartphone besser kann.

      Ein Rechner unter Linux laufen zu lassen, ist sicher nett, aber nur für Leute geeignet, die sich auskennen und Spaß an sowas haben. Mein Vater hat auch einen Macmini von 2009. Seit 6 oder 7 Jahren keine Sicherheitsupdates mehr. Aber um ein youtube Video anzuschauen und im Internet zu surfen, langt er gut.

      • @Strolch:

        > Ein Rechner unter Linux laufen zu lassen, ist sicher nett,



        > aber nur für Leute geeignet, die sich auskennen und



        > Spaß an sowas haben.

        Für den durchschnittlichen Nutzer (surfen, E-Mail lesen/schreiben, youtube, Dokumente drucken) ist Linux völlig OK, auch für Leute, die sich nicht auskennen. Ich kenne ziemlich viele Leute, die nicht computer-affin sind, und trotzdem Linux als einziges Betriebsystem benutzen.

        Linux ist leider nicht "mainstream", d.h. es bekommt fast keine Werbung und gilt immer als "niche", was potentielle Nutzer abschreckt.

      • @Strolch:

        Ein jüngeres Smartphone lässt einen vorübergehend als Teufelskerl in gewissen Kreisen erscheinen - bis ein anderer ein noch neueres hat.