Einigung über EU-Haushalt: Blockade verhindert
Die EU hat sich auf den Haushalt und einen Hilfsfond wegen Corona geeignet. Auch den Blockierern Ungarn und Polen kommt sie entgegen.
Ein Sprecher Michels bestätigte, dass der Gipfel auch den umstrittenen Mechanismus zur Kürzung von EU-Geldern bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit billigte. Ungarn und Polen hatten Mitte November deswegen ihre Zustimmung zu dem Finanzpaket aus dem EU-Haushaltsrahmen für die kommenden sieben Jahre und dem Corona-Hilfsfonds verweigert.
Ohne Lösung hätte der EU ab Januar ein Nothaushalt mit drastischen Kürzungen gedroht. Auch der 750 Milliarden Euro schwere Hilfsfonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise hätte nicht wie geplant starten können.
„Europa kommt voran“, schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf Twitter. Sie gratulierte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu dem Erfolg. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zum Auftakt des Treffens gesagt, sie habe persönlich in den vergangenen Tagen „sehr intensiv“ an einem Kompromiss gearbeitet.
„Einsicht siegt über Egoismus“
Europa habe „seine Handlungsfähigkeit“ bewiesen, erklärte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). „Einsicht siegt über Egoismus. Mit diesem Finanzpaket kann Europa kraftvoll aus der Krise kommen.“ Gleichzeitig werde das Rechtsstaatsprinzip „überall in Europa“ durchgesetzt. Scholz forderte, die Gesetzgebungsverfahren für das Finanzpaket nun „schnell abzuschließen“. Denn die „Finanzmittel werden in vielen Ländern dringend gebraucht“.
„Europa bewegt sich vorwärts, ist geeint und trägt seine Werte“, erklärte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf Twitter. „Wir haben gerade eine robuste Vereinbarung über den Mechanismus angenommen, der in Übereinstimmung mit der Rechtsstaatlichkeit umgesetzt werden soll.“
Ein von Deutschland mit Ungarn und Polen ausgehandelter Kompromiss wurde laut Diplomaten nicht wieder aufgeschnürt. Dieser beinhaltet eine erläuternde Erklärung zu dem Rechtsstaatsmechanismus. Darin wird klargestellt, dass er nur dem Schutz des EU-Haushaltes und der finanziellen Interessen der Union dient – aber nicht der Ahndung allgemeiner Missstände, wegen derer Polen und Ungarn seit Jahren in der EU am Pranger stehen.
Gleichzeitig wird Warschau und Budapest zugesichert, dass zunächst keine Kürzungen von EU-Geldern erfolgen, wenn sie Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Regelung einreichen. Dies könnte die Anwendung des Mechanismus bis ins Jahr 2022 verzögern, sofern er von den Richtern in Luxemburg bestätigt wird.
Kritik von den Grünen
„Wir bedauern, dass die EU bei der Verhängung von Sanktionen (...) auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs warten muss“, erklärte die Grünen-Ko-Fraktionsvorsitzende Ska Keller. „Leider war die deutsche Ratspräsidentschaft nicht federführend beim Thema Rechtsstaatlichkeit, obwohl Angela Merkel dies bereits im Juli zur Priorität erklärt hatte.“
Mit dem Haushaltsdeal könnte auch die Einigung der Staats- und Regierungschefs auf das Klimaziel für das Jahr 2030 einfacher werden, über das sie nun am Abend verhandelten. Auf dem Tisch liegt dabei eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes in der EU um 55 Prozent.
Mehrere Länder insbesondere aus Osteuropa hatten aber Vorbehalte, weil ihre Wirtschaft noch stark auf Kohle ausgerichtet ist. Der neue Mehrjahreshaushalt sieht Milliardenhilfen vor, um den Mitgliedstaaten den Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft zu erleichtern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen