piwik no script img

Einigung auf Legalisierung von CannabisKein schlechter Deal

Manuela Heim
Kommentar von Manuela Heim

Das Kabinett hat die begrenzte Cannabis-Legalisierung auf den Weg gebracht. Damit beschreitet die Regierung einen Mittelweg – und das ist auch gut so.

Demnächst ein Feierabendtütchen statt ein Bier? Foto: imago

D ie Debatte um die Legalisierung von Cannabis ist – wie die um ähnlich emotionale Themen – mal wieder eine Einladung zum Aushalten von Ambivalenzen. Wer sich auf die seriösen Argumente von Be­für­wor­te­r*in­nen und Geg­ne­r*in­nen gleichermaßen einlässt, wird kaum zu einem vorbehaltlosen „Ja klar machen wir das (nicht)“ finden. Insofern ist der am Mittwoch im Kabinett verabschiedete Gesetzentwurf kein schlechter Deal.

Ob Genuss oder medizinische Gründe: Menschen konsumieren Cannabis. Davon ist erst einmal auszugehen und daran ändert ganz offensichtlich auch eine Kriminalisierung nichts. Vielmehr führt sie zu organisierten kriminellen Strukturen mit allen bekannten wie unerwünschten Begleiterscheinungen – für die Gesellschaft und für die Betroffenen. Dass Cannabis- und Alkoholkonsum unterschiedlich behandelt werden, ist auch nur im Sinne eines Traditionsrechts hinnehmbar.

Neben den guten Erfahrungen, die Länder mit fortgeschrittener Legalisierung gemacht haben, gibt es allerdings auch diese: Der Konsum steigt nach einer Legalisierung erst einmal an und kriminelle Strukturen werden nur dann maximal eingedämmt, wenn der Verkauf von Cannabis so wenig wie möglich reguliert wird. Das wiederum birgt aber die Gefahr der Kommerzialisierung und damit wiederum einer Erhöhung des Konsums. Auch bei Kindern und Jugendlichen kann die Verfügbarkeit und Akzeptiertheit von Drogen den Konsum erhöhen.

Nur gesunde Menschen können ohne Probleme kiffen

Natürlich bekommt nur ein ganz kleiner Teil der Konsumierenden gesundheitliche Probleme. Aber das sind eben die besonders schützenswerten, ein Spiegel für andere gravierende Probleme unserer Gesellschaft. „Nur psychisch, ökonomisch und sozial gesunde Menschen können ohne Probleme saufen, kiffen und Partydrogen nehmen“, sagte der inzwischen verstorbene Berliner Substitutionsmediziner Chaim Jellinek.

Die Abgründe der Vernachlässigung von Kindern, die massiver Drogenkonsum sichtbar macht, sind kaum zu ertragen – wenn man sie an sich heranlässt. Und sie bleiben – Stichwort Kinder- und Jugendschutz – eine gesellschaftliche Aufgabe, mit und ohne Legalisierung.

Wenn wir jetzt also eine Teillegalisierung bekommen, die stark reguliert ist, mit Erprobung und Evaluierung arbeitet und von einer vor allem auch an Kinder und Jugendliche gerichteten Aufklärungskampagne begleitet wird, dann mag das den einen schon zu viel und den anderen noch zu wenig sein. Womöglich ist aber ein Mittelweg gefunden, der sowohl medizinischen Bedenken Rechnung trägt als auch Fragen der Kriminalprävention und Selbstbestimmtheit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Manuela Heim
Gesundheit und Soziales
Redakteurin in der Inlandsredaktion, schreibt über Gesundheitsthemen und soziale (Un-) Gerechtigkeit.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Als Quelle:



    //



    taz.de/Legalisieru...Cannabis/!5925361/



    //



    "Irgendwann hörte Nils Stimmen, er fühlte sich aus dem Fernseher heraus beobachtet. Holzklötze, die er als Sitzhocker benutzt hatte, schmiss er aus dem Fenster im dritten Stock. Zum Glück wurde niemand getroffen.



    Mit einer Psychose kam er in die Psychiatrie. Später ging es ihm einige Jahre etwas besser, aber es blieb mühsam. Immer wieder hatte er mal eher manische, mal depressive Phasen. Mit 27 nahm er sich das Leben."



    //



    In den frühen Jahren meines Studiums hatte ich mehrfach die Gelegenheit, psychotische Episoden live zu erleben. Was vermeidbar ist, muss vermieden werden. Der Mensch ist nicht nur verantwortlich für das, was er tut, sondern auch für das, was er nicht tut.



    Betroffenen nützen Statistiken nichts, Angehörigen helfen mehrheitlich geteilte euphorische Erfahrungsberichte nicht. Die mitgeteilten Erfahrungen aus der Praxis aus Kanada sprechen ihre eigene Sprache, die es zu hinterfragen gilt:



    deutsch.medscape.com schrieb:



    "Mehr Cannabis-Crashs in Kanada: Seit der Legalisierung steigt die Zahl der Unfälle unter Drogeneinfluss



    Anke Brodmerkel"



    Ich sehe schon eine Lawine an Klärungsbedarf bei Gericht.

    • @Martin Rees:

      Das "Mit-Erlebte" waren Ereignisse im Rahmen eines Psychiatrie-Stationspraktikums und mehrjährig als studentischer Mitarbeiter auf geschlossenen Stationen, das Ganze hat mich stark geprägt in der Antipathie zu Halluzinogenen.



      //



      www.stiftung-sucht...cles=halluzinogene

  • "Auch bei Kindern und Jugendlichen kann die Verfügbarkeit und Akzeptiertheit von Drogen den Konsum erhöhen."

    Ich erwarte, dass es eher andersrum sein wird. Ich bin auf einem Dorf in der Eifel aufgewachsen und kann mit Sicherheit sagen: auch dort wird gekifft und auch dort kommt jede/r Jugendliche an Gras, wenn man will. Ändern mit wird sich mit einer echten Legalisierung nur, dass der Stoff sauber ist und dass der "Reiz des Verbotenen" sinkt. Durch Enttabuisierung trauen sich Süchtige eher sich Hilfe zu holen, was sehr im Sinne der Betroffenen ist.

  • Der Bezug von Dealern sollte dann aber deutlicher kriminalisiert werden - ähnlich dem schwedischen Modell bei der Prostitution. Bei der derzeit geplanten Regelung ist das aber kaum zu praktizieren.

  • Gut gemeinter Pfusch



    Der Konsum von Drogen ist nicht vermeidbar, dies sieht man am Alkohol und den Zigaretten genau so, wie am Marihuana. Wenn er nicht vermeidbar ist, dann sollte man zumindest die Drogenmafia nicht daran verdienen lassen. Genau dies wäre mit einer Legalisierung der leichten Droge Marihuana geschehen.



    Doch was macht diese Regierung daraus: Eine Verwaltungs- und Regulierungs-Orgie sondergleichen.



    Welcher Konsument ist den so blöd, dass er sich das antut - persönliche Daten als Konsument offenlegen (Clubregistrierung) und Auflagen ohne Ende, wenn es Marihuana zum vermutlich gleichen Preis und 0 Regulierung an jeder Ecke frei verkäuflich gibt.



    Das Gesetz mag gut gemeint sein, ist aber völlig unnützer Pfusch.



    Einzig dass man sich 3 Pflanzen in den Garten setzen darf mag für manche sehr interessant sein. Schade, ich hätte mehr erwartet, obwohl es mich seit Jahrzehnten gar nicht mehr betrifft.

  • Einen guten Kompromiss erkennt man angeblich daran, dass beide Seiten extrem unzufrieden sind. Danach zu urteilen, ist die jetzt vom Kabinett beschlossene Regelung wahrscheinlich ein sehr guter Kompromiss.

    In Wahrheit ist es aber hier leider anders: Das neue Gesetz bringt kaum mehr Freiheit und schon gar nicht weniger Arbeit für Polizei und Behörden. Schon der schiere Umfang des Gesetzestextes deutet auf ein Bürokratie- und Regulierungsmonster hin, das Anwälte und Richter nachhaltig beschäftigen wird. Polizisten werden mit Briefwaagen losgeschickt, um zu ermitteln, ob jemand 25 Gramm oder vielleicht doch etwas mehr besitzt. Und ach ja: den THC-Gehalt müssen sie auch noch messen.

    Die Anbauvereine müssen zig Auflagen erfüllen. Viel Spaß! So wird das nichts. Die vermutlich größer werdende Nachfrage ("Der Konsum steigt nach einer Legalisierung erst einmal an") werden sie nicht decken können. Und legal Geld verdienen lässt sich so nicht. Es ist also leicht vorherzusagen, dass der Schwarzmarkt weiter blühen wird und somit auch die Kriminalität.

    Ein weiterer Konstruktionsfehler: Der Bund macht das Gesetz und umsetzen soll es jedes Bundesland auf seine Art und Weise. Streit und Rechtsunsicherheit sind also vorprogrammiert.

  • Kann eine gesetzliche Regelung mit 163 Seiten ein guter Deal sein?

    Ich hab meine Zweifel.

    • @Plewka Jürgen:

      Stimmt, ich zweifle mit ihnen.

  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    Finde ich auch