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Eine nie dagewesene FreundschaftBrüderchen Russland

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Ostdeutsche Ministerpräsidenten beschwören gern ein besonderes Verhältnis zu Russland. Echte Nähe hat es nie gegeben, auch nicht zur DDR-Zeiten.

Als Bruderstaaten sahen sich DDR und Sowjetunion gerne – weit her mit der Nähe war es aber nicht Foto: Unsplash/ Марьян Блан / @marjanblan

M an habe „hier in den neuen Bundesländern eine besondere Sichtweise in Richtung Osteuropa. Wir kennen die Gefühle der Menschen, wir kennen auch die Geschichte und wir wollen die Dinge beim Namen nennen“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer im vergangenen Sommer nach umstrittener Russlandreise und Audienz bei Präsident Wladimir Putin.

Der „besonderen Sichtweise“ und Nähe zu Russland stimmen auch die übrigen MinisterpräsidentInnen der neuen Bundesländer zu. Sie drängen auf baldigen Abbau der Sanktionen, die 2014 wegen der Krim-Annexion und des Kriegs in der Ostukraine gegen Moskau verhängt worden waren.

Die Ausführungen des sächsischen Regierungschefs ließen aufhorchen. Kretschmer wischte die Kritik mehrerer EU-Staaten am Bau der zweiten Nordstream-Gas-Trasse vom Tisch, mit dem Hinweis, US-amerikanische Interessen stünden dahinter. Überdies sprach er von osteuropäischen Interessen, schien aber nur Russland im Sinn zu haben.

Der antiamerikanische Schlenker kommt in Moskau gut an. Auch die selbstverständliche Wiedereinsetzung Russlands als osteuropäische Vormacht. Denn osteuropäisch und russisch verwendet der Regierungschef als Synonym. Wieder werden bei den östlichen Nachbarn Erinnerungen an den Hitler-Stalin-Pakt geweckt. Antiamerikanismus und Überheblichkeit gegenüber Osteuropa waren schon feste Topoi der deutschen Reaktion lange vor dem Zweiten Weltkrieg. Heute ist Russland kein Nachbar mehr, andere Länder liegen dazwischen. Warum wird trotz allem diese Nähe beschworen? Sind Anknüpfungspunkte für Vertrautheit vielleicht in der Beziehung zwischen der Sowjetunion und der DDR nach dem Kriegsende zu suchen?

Die Mauer fiel im November 1989, im März 1990 war die DDR-Volkskammer neu gewählt worden. Deswegen war die DDR-Botschaft in Moskau gesprächsbereit, als der Moskaukorrespondent dieser Zeitung, gerade in der UdSSR eingetroffen, um ein Interview bat. Das Treffen mit einem ranghohen Diplomaten war freundlich. Kein Blatt nahm er vor den Mund, obwohl ihm gegenüber noch ein Klassenfeind saß. Auch der leutselige Versuch, neue deutsch-deutsche Gemeinsamkeit zu schaffen, wirkte verwirrend. Noch vor Kurzem verhängte Ostberlin Einreiseverbote, nun bot es Komplizenschaft an.

Ist es der alte Antiamerikanismus, der Affinität für den russischen Nachbarn erzeugt?

Den sowjetischen Alltag schilderte der DDR-Diplomat jedoch realistisch und ideologiefrei: Alkoholsucht, Disziplinlosigkeit, technische und organisatorische Rückständigkeit, gewaltige Umweltsünden, ärmliche Lebensbedingungen der Bevölkerung. Wenn junge DDR-Studenten in die Sowjetunion kamen, mussten sie in den ersten Tagen zur Unterweisung in der Botschaft erscheinen, erzählte er. Das zu Hause vermittelte Bild war nur ein Entwurf, der nichts mit der Wirklichkeit gemein hatte. Für einige, besonders klassenbewusste junge Genossen, sei das schmerzlich gewesen, gestand der Diplomat.

In der DDR selbst blieben Kontakte zu Russland und den Russen nur offiziell. Die Massenorganisation der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft (DSF) bot dafür meist den Rahmen. Sie zählte Millionen Mitglieder, die ihr aber kein Leben einhauchen konnten. Es war eine politische Organisation, in der man offiziell „sowjetische Freunde“ traf, aber „fremden Russen“ begegnete.

Tatsächlich blieben die Russen auch während Gorbatschows Perestroika immer ein Fremdkörper in der DDR. Bis zum Abzug aus Deutschland 1994. Engere Kontakte wurden von beiden Seiten gemieden. Die Sowjets befürchteten, die Ostdeutschen könnten das Verlangen nach besseren Lebensbedingungen wachrufen. DDR-Kommunisten wollten das „Paradies“ nicht an die Wirklichkeit verlieren. Die DDR galt lange als Schaufenster und Musterland. Aus Sicht der sozialistischen Bruderstaaten war sie gar so etwas wie ein west-östlicher Hybrid. Sie genoss den Ruf, in fast allem vorbildlich zu sein. Nur bei den Reformen des KPdSU-Generalsekretärs, Michail Gorbatschow, zog Ost-Berlin nicht mit. Von einer Nähe gegenüber der Sowjetunion war wenig zu spüren. Eher schimmerte Überheblichkeit durch, die vor allem auf dem alltäglichen Chaos in der Sowjetunion beruhte.

Heute beschwören die MinisterpräsidentInnen die fiktive Nähe aus wirtschaftlichen Interessen. Die Fakten halten dem aber nicht stand. Der Russlandhandel ist insgesamt rückläufig. Gleichwohl ist dieser Rückgang nicht lebensbedrohend. Ein Blick auf Sachsens Handelsstatistik ergibt, dass Russland 2018 nicht mehr zu den führenden Exportländern gehört. 60 Prozent des sächsischen Exports gehen insgesamt in die EU, darunter sind Tschechien und Polen die wichtigsten Partner in Osteuropa. An der Spitze der Ausfuhrliste stehen China und die USA als Einzelstaaten.

Auch vor den Sanktionen 2013 war Russland jedoch kein Partner, der für Rekordumsätze sorgte

Auch vor den Sanktionen 2013 war Russland jedoch kein Partner, der für Rekordumsätze sorgte. Moskau rangierte damals auf Platz sechs zwischen der Tschechischen Republik und Polen. China und die USA bildeten auch damals schon die Spitze. Die mit den Sanktionen verbundenen Einbußen sind nicht so gravierend, als dass es sich lohnen würde, einen Bruch des Völkerrechts zu ignorieren und Einmütigkeit in der EU aufs Spiel zu setzen.

Weder pragmatische Interessen noch die Jahre der DDR-Diktatur können die warmen Empfindungen der ostdeutschen Politiker heute erklären. Was aber ist es dann? Ist es die alte Konstante der deutschen Geschichte, der Antiamerikanismus, der mit gesteigerter Affinität für den russischen „Nachbarn“ einhergeht? Auch nach 1945 hatten die USA als Ordnungsmacht Individualismus und Freiheitsdrang im Westen befördert. Die SU diente indes als eine willkommene Projektionsfläche für antidemokratische und antiwestliche Strömungen. Heute fällt Russland diese Rolle zu.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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13 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Soll man Russland lieben? Ganz sicherlich für seine Dichter, Musiker, Menschen.



    Für Putin und seine Kleptokraten? Seine rückständigen Institutionen? Ganz sicherlich nicht.



    Viele, die sich für Russland begeistern tun aber so als könnte es das ein ohne das andere nicht geben, mehr noch, sie tun so als wäre Unterdrückung der Zivilgesellschaft, Einmarsch bei Nachbarn etc. sogar eine notwendige Voraussetzung für das, was wir in an Russland lieben. Mit Verlaub: hier paart sich Dummheit mit Ignoranz und der Sehnsucht nach dem starken Mann, ohne den Russland halt nun einmal nicht auskäme.



    Herr Donath führt uns dankenswerter Weise immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und wird dafür von linken, wie rechten Phantasten, Reaktionären abgewatscht.

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Zu später Stunde ein kleines Rätsel:



    2 Buchstaben raus, 1 Buchstabe rein:



    Eine nie dagewesene Freundschaft



    Brüderchen Russland



    Gute Nacht

  • Die meisten der bisherigen Kommentare finde ich peinlich und traurig. Wenn alles so toll ist in Putin's Russland, dann verstehe ich nicht, warum immer mehr russische Menschen nach Deutschland übersiedeln, und niemand aus Deutschland nach Russland umziehen möchte?

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Andreas Klein:

      Könnte sein, daß ich mit fortschreitendem Alter gewisse Erinnerungslücken habe. Aber: zu Jelzins Zeiten ging es weder den USA noch den Europäern schnell genug mit der Privatisierung in der ehemaligen SU, die damals auch bei uns grad so grassierte.



      Ein paar Leute in Russland (mit Einfluss und Macht selbstverständlich) haben das wörtlich genommen.



      Die Situation haben wir jetzt.



      Wir müssen mit damit (mit denen) zurechtkommen.



      Das sind selbstverständlich keine Demokraten in unserem hehren Sinne.



      Aber auch in Russland leben Menschen, die eine andere Vorstellung von Demokratie haben, als die, die Ihnen jetzt als gelenkte angeboten wird.



      Und ich denke, wir als Deutsche (also die mit der Gnade der späten Geburt) keinen Grund haben die Menschen in Russland durch Sanktionen weiter zu bestrafen und zur gleichen Zeit uns vom Gas der … den Arsch wärmen zu lassen.

    • @Andreas Klein:

      Die sind fast alle aus Kasachstan.... 😉



      Und das seit dem zerfall der UdSSR, kein Russland mehr....

    • @Andreas Klein:

      Sie sann da in bester Gesellschaft - mit u.a. Herrn Donath.

      Nur geht’s halt nicht um Gefallen & ähnliche komplett unpolitische Sichtweisen. Newahr.

      Daß die westliche - gefährlich dümmliche Einkreisungspolitik - “Wann stehen russische Raketen in Kanada & Kuba?“ (Küppersbusch) usw usf - als hätte ein Bismarck nicht gelebt - dem Westen krachend auf die Füße gefallen ist. Das ist plan as plan can be.



      & Das! Mit Verlaub -



      Wird nicht durch tibetanisches Gebetsmühlen - sorry - Geseier “…der pöse pöse Putin …“ widerlegt oder anders.

      kurz - Im Gegensatz zu seinem Gspusi GazPromGerd - ist das für mich kein “lupenreiner Demokrat“. Pflege mein Hirn ja nicht an der Garderobe abzugeben. Das gilt aber auch vice versa



      Zu den verlogenen Krokodilstränen politischer Dilettanten & Hasardeure •

  • Na Mahlzeit

    kurz - Ein Donath halt. Voraussehbar wie ein Donut. A gähn & peinlich.

    unterm—-Vorschlag zur Güte —



    Tretens als scheint’s zu sehr



    “In-embededer“ - einfach mal von der Wand ehra Blickwinkel zurück & - altes Gestaltprinzip wenn! man solches bemerkt - wechseln real den Standort.



    Manchmal hilft schon von einem Bein aufs andere. Viel Glück & Dank im Voraus.

    & servíce & Gern&Dannichfür - 🗽🗽🗽



    So aber - als kleiner westlicher bonmot -



    www.youtube.com/watch?v=ggMFwdQkK2k



    & das kann der jetzige rollende farztrump auf der Gardinenstange noch viel besser & leider gefährlicher. 👹

  • Der Umgang mit Russland ist nicht wirklich nur eine Frage sentimentaler Stimmungen; manche Analytiker suchen da wohl in der falschen Ecke. Es ist wohl eher so, daß vielen Menschen die grundsätzliche und vielkanalige Stimmungsmache gegen Russland auf den Keks geht. Putin ist an allem Schuld, nur die Russen betreiben Doping, und die Bombardierungen in Aleppo - Kriegsverbrechen! Die Bombardierungen in Mossul sollen sogar noch schwerer gewesen sein; aber das hat dann nicht so viel Staub in unseren Medien aufgewirbelt. Völkerrechtswidrige Krim-Annektion! Annektion von Ost-Jerusalem & Golan? Ach, geschenkt!



    ALL DAS ist es, was denkenden Menschen den Zorn hochtreibt, auch, weil sich dann jede/r fragt, welchen Zweck denn dieses allgegenwärtige Russlandbashing mit zweierlei Mass haben soll. Doch nicht etwa ein herbeireden einer Stimmung, die gerne noch mehr als die geforderten 2% des BSP für Rüstung ausgeben will...?!?

  • Der Kretschmer hat nichts anderes gemacht, als der ehemalige Bayernfürst vor ihm. Die zweite Garnitur darf die Fühler ausstrecken und sich dabei am Nabel der Weltpolitik wähnen, geht es schief, also macht er sich lächerlich, bzw. das Gegenüber ist noch nicht soweit, dann trifft die Schmach den Speichellecker und bei Erfolg übernimmt das Kabinett und es winkt für den Performer das ferne Karriere-Berlin.

  • Wäre aber wichtig den Freunden in den USA stets vor Augen zu halten, dass wir nicht nur die mit Abstand besten Freunde in Europa sind, sondern auch ganz gut mit den Russen können und könnten. Das beugt hie und da vielleicht doch manchmal etwas vor.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Weidle Stefan:

      Macht die EU unabhängig und stark.



      Mit unseren Freunden in Frankreich und GB. Ohne dieses NATO-Gesülze.



      Wenn es gewollt ist mit Polen, mit Ungarn und mit Tchechien. Wenn nicht, sollen sie sich auf die USA verlassen.



      Aber: auf dem Gebiet der EU gibt es keine fremden Raketen, A-Bomben, Truppen usw. mehr.

      • 8G
        82286 (Profil gelöscht)
        @82286 (Profil gelöscht):

        ... aber den Gedanken will ich jetzt nicht weiter denken. Puh.



        Die Visegrad-Staaten als Puffer ...

    • @Weidle Stefan:

      Das Problem ist, fürchte ich, das beugt gar nix vor. Denn leider haben sich die USA "innerlich" längst vom ehemals so genannten " Westen" verabschiedet. Die Nachkriegszeit ist vorbei. Die NATO wird sich bald auflösen, die suchen nur nach nem halbwegs eleganten Abwicklungsmodus; und wenn die Deutschen meinen mit Russland gut zu fahren, fair enuff, go ahead, den USA ist das komplett egal. Deutschland ist militärisch ein Witz, insofern können wir aus amerikanischer Sicht eh nichts in die (noch bestehende) NATO-Waagschale werfen, ökonomisch werden wir bereits als "foes" betrachtet. Die pfeifen auf Deutschland, die Nicht-Freundschaft zu Deutschland und der EU ist in der zukünftigen amerikanischen Politik längst eingepreist, auch ohne Trump.



      Macron und Joschka Fischer haben m.E. recht, was den Themenkreis Europa und Militär angeht.