Einbürgerung für Palästinenser untersagt: Kein Recht auf Gemeinsamkeit
Israels umstrittenes „Staatsangehörigkeitsgesetz“ verbietet den Familiennachzug von Palästinenser*innen. Zivilorganisationen protestieren.

Innenministerin Ayelet Shaked Foto: Emmanuel Dunand/Pool/ap
TEL AVIV taz | Palästinenser*innen aus dem Westjordanland oder dem Gazastreifen, die mit israelischen Bürger*innen verheiratet sind, dürfen weiterhin nicht die israelische Staatsbürgerschaft erhalten oder sich in Israel niederlassen. Das besagt das sogenannte Staatsangehörigkeitsgesetz, welches das israelische Parlament am vergangenen Donnerstag inmitten heftiger Diskussionen verabschiedete.
Die im vergangenen Jahr vereidigte israelische Regierung besteht aus einem breiten Bündnis. Es wird angeführt vom rechten Vorsitzenden der Siedlerpartei HaBajit haJehudi (Jüdisches Heim), Ministerpräsident Naftali Bennet. Auch die linken Parteien Meretz und Avoda sind an der Koalition beteiligt, genauso wie die islamische Partei Ra’am. Regierungskrisen sind aufgrund dieser Zusammensetzung vorprogrammiert, doch dem Gesetz gingen besonders heftige Diskussionen voraus. Meretz und Ra’am stimmten dagegen, das Gesetz kam schließlich nur mit Stimmen aus der Opposition durch.
Die Vorgeschichte des Staatsangehörigkeitsgesetzes geht zurück auf die Zeit der zweiten Intifada: Im Jahr 2002 hatte die israelische Regierung die Einbürgerung von Palästinenser*innen aus dem Westjordanland, die mit Israelis verheiratet sind, unter Berufung auf Sicherheitsgründe ausgesetzt. Nach einigen Jahren wurde hinzugefügt, dass auch Staatsangehörige sogenannter verfeindeter Staaten – Iran, Irak, Libanon und Syrien – bei Heirat nicht die israelische Staatsangehörigkeit erhalten können. Bislang war diese Übergangsbestimmung lediglich eine Ergänzung des bis dahin bestehenden Staatsangehörigkeitsgesetzes und wurde jedes Jahr verlängert. Nun ist die Änderung offiziell Teil des Gesetzes.
Die Befürworter*innen des Gesetzes rechtfertigen das weiterhin mit Sicherheitsgründen: Militante Palästinenser*innen könnten die Heirat nutzen, um in den Staat Israel einzureisen. Der ehemalige Nahost-Redakteur der Nachrichtenagentur Associated Press, Dan Perry, schrieb in der Zeitung Times of Israel: Man müsse kein Verschwörungstheoretiker sein, um sich vorzustellen, dass Hamas und andere Terrorgruppen ohne diese Beschränkung damit beginnen würden, Terroristen „in den Wegen der Liebe zu unterrichten“. Innenministerin Ayelet Shaked sprach auf Twitter von einem Sieg eines „jüdischen und demokratischen Staates“ über einen „Staat für alle seine Bürger“. Das ist aber wohl nicht der einzige Grund: Laut der israelischen Zeitung Ha’aretz sagte Shaked bereits im Februar, dass es „auch um demografische Gründe“ gehe. Man wolle einem „schleichenden Recht auf Rückkehr“ der Palästinenser*innen zuvorkommen.
Meretz-Abgeordnete bezeichneten das Gesetz hingegen als „rassistisch“, ebenso wie The Association for Civil Rights in Israel (Acri). Ein Sprecher von Acri betonte laut Ha’aretz, dass die Antragszahlen von Palästinenser*innen auf die israelische Staatsbürgerschaft ohnehin sehr niedrig seien und einen solch tiefen Eingriff in die Rechte nicht rechtfertigen würden. Nach der Abstimmung am Donnerstag kündigte Acri zusammen mit weiteren Zivilorganisationen an, dass man das Gesetz vor dem Obersten Gerichtshof anfechten werde: Die Verletzung der Menschenrechte sei schwerwiegend und daher nicht verfassungsgemäß, erklärten die Organisationen in einem Brief an die Innenministerin.
Leser*innenkommentare
Winnetaz
Die Sicherheitsbedenken der Israelis sind schon etwas vorgeschoben. Die Behörden würden ja jeden einzelnen Fall prüfen können und im Einzelfall bei Terrorismusverdacht auch abweisen können.
Wie verhält es sich denn im umgekehrten Fall, wenn sich jüdische Bürger in Gaza oder anderen arabischen Ländern niederlassen wollen? Eine Normalisierung der Beziehungen ist auf jeden Fall wünschenswert, sollte aber symmetrisch für alle gelten. Schließlich wurden nach 1948 Hunderttausende Juden aus arabischen Ländern vertrieben. Das wird oft vergessen.
Martha
@Winnetaz Wenn sich israelische Siedler:innen im Westjordanland niederlassen brauchen sie niemanden zu fragen, schon garnicht die palästinensische „Autonomiebehörde“ - denn die hat nichts zu sagen!
Das Argument mit den Juden aus arabischen Ländern ist falsch. Wieso sollten ein Iraker, Marrokaner oder Iraner mit „eingerechnet“ werden können?
Henriette Bimmelbahn
@Martha Der Iran ist kein arabisches Land.
Was die arabischen Länder anbetrifft, die Vertreibung erfolgte meist unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die israelische Staatsgründung, oder den Plan dazu. "Gerechnet" wurde also seitens der arabischen Länder.
www.bpb.de/themen/...abischen-laendern/
Daraus: "...Nicht alle aus den arabischen Ländern geflohenen und vertriebenen Juden sind nach Israel gekommen, aber mit etwa 600.000 die überwiegende Mehrheit,...Bis zur großen Einwanderunswelle aus der ehemaligen Sowjetunion in den 1990er-Jahren machten die jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und ihre Nachkommen bis zu 70 Prozent der israelischen Bevölkerung aus."
shantivanille
@Winnetaz Tatsächlich wurden nach 1979 über 900.000 Juden aus den arabischen Ländern vertrieben.
Eine Kleinigkeit, über die Antizionisten und Antisemiten gerne hinwegsehen.
Martha
@shantivanille Nein das stimmt nicht. Nach der iranischen Khomeini-Revolution 1979 verließen ca. 60.000 Iraner:innen das Land und die meisten gingen nicht nach Israel, sondern in andere Länder.
Henriette Bimmelbahn
@Martha Von Iraner:innen war doch überhaupt nicht die Rede?