Einbruch bei Kreuzfahrten in Norwegen: Corona tut Fjorden gut
Seit März laufen Kreuzfahrtschiffe nicht mehr norwegische Häfen an. Die Wirtschaft klagt über hohe Einnahmeausfälle – aber die Umwelt atmet auf.
„Der 2. Juni wird der verkehrsreichste Tag dieses Jahres“, hatte die Hafenverwaltung der nordnorwegischen Stadt Tromsø am 13. Januar schon einmal in einer Pressemitteilung vorgewarnt: „Da erwarten wir drei Kreuzfahrtschiffe mit zusammen 6.300 Passagieren an Bord.“ Doch am 2. Juni legte kein Kreuzfahrtschiff in Tromsø an. Statt der für dieses Jahr erwarteten 134 Schiffe kamen 11. Schon die Nummer 12, „Saga Sapphire“, drehte am 27. Februar wieder ab, als der Kapitän von der ersten bestätigten Corona-Infektion in Tromsø erfahren hatte. Seit Anfang März ist in Norwegen Kreuzfahrtpassagieren der Landgang verboten.
Auf umgerechnet über 2 Milliarden Euro schätzt die staatliche Wirtschaftsförderungsbehörde die Summe, die KreuzfahrttouristInnen im vergangenen Jahr bei ihren rund 4,1 Millionen Besuchen in den Häfen längs der norwegischen Küste ausgegeben hatten. Noch im Januar hatte man für dieses Jahr mit einem neuen Rekord gerechnet: 4,7 Millionen und damit ein Einnahmezuwachs von einigen Hunderttausend Euro mehr.
Nun wird es ein ganz dickes Minus geben. Allein in Tromsø rechnet man jetzt mit Mindereinnahmen von 140 Millionen Euro. Das reicht vom Wegfall für Ausflugstouren und Eintrittsgeldern bis zu Shopping und Souvenirverkauf.
Dabei sind es die Kreuzfahrttouristen, die vergleichsweise die Umwelt am stärksten belasten und dabei am wenigsten Geld ins Land bringen. NHO Reiseliv, die Organisation der norwegischen Tourismuswirtschaft, rechnete im vergangenen Jahr aus, dass ein deutscher Autotourist für jede Krone, die er im Land ausgibt, einen Klimafußabdruck von 10 Gramm CO2 hinterlässt. Bei einem durchschnittlichem Kreuzfahrttouristen seien es dagegen 247 Gramm. Und der CO2-Ausstoß pro Kreuzfahrtpassagier sei zwischen 2012 und 2018 auch noch um 42 Prozent gestiegen.
Man habe nun die „einmalige Gelegenheit für einen Neustart, meint Anne Gry Gudmundsdotter, Tourismusforscherin an der Universität Südostnorwegen. Statt dem Streben nach immer neuen Besucherrekorden müsse mehr Rücksicht auf Umwelt und sozialeGegebenheiten genommen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“