Ein Jahr Ebola-Virus im Kongo: Tod und Teufel

Seit einem Jahr wütet das Ebola-Virus im Kongo. Noch immer herrscht Misstrauen gegen die Seuchenbekämpfung. Ein Bericht aus der Kampfzone.

Menschen auf einem Friedhof

Der 14jährige Ismael Kasereka trauert um Tante und Onkel. Auch sie starben an Ebola. Beni, Juli 2019 Foto: Jerome Delay

BENI/BUTEMBO taz | Vor einem Jahr war hier nur freies Feld mit einem Haus in der Ecke, das als Leichenhalle diente. Heute riecht es überall nach Tod. Wer das Kran­ken­haus­gelände in Beni, einer Großstadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo, betritt, findet sich zwischen aschenfarbenen Plastikplanen wieder, mit Ebola-Sensibilisierungsplakaten an den Wänden, die in Bildern zeigen, wie man sich verhalten soll: Kranke und Tote nicht berühren! Tote Tiere nicht anfassen! Kleidung waschen! Hände waschen!

Das Ebola-Behandlungszentrum (CTE) von Beni ist ein riesiges Gelände voller Todkranker. Manche werden sterben, manche kommen vielleicht lebend wieder heraus. An der Südpforte des Krankenhauses wird jedem Besucher klargemacht, dass hier Regeln gelten: Hände waschen, Fiebermessen mit Leuchtthermometer, Desinfektion der Schuhe mit Chlor – ein Ablauf, an den sich jeder beim Rein- und Rausgehen halten muss.

Viele derjenigen, die in dieser abgeschiedenen Welt arbeiten, gehören zu den Glücklichen: die, die an Ebola erkrankten und wieder gesund wurden. Diese Überlebenden sind mittlerweile berühmt. Der Präsident des Verbandes der Ebola-Besieger, Dr. Maurice Kakule, war der erste offiziell von Ebola gesundete Infizierte im August 2018, als die Epidemie gerade erst offiziell bestätigt worden war.

Er steckte sich in Mangina an, ein Ort über 30 Kilometer nordwestlich von Beni, wo er am Gesundheitszentrum Mangodomu arbeitete. „Ich hatte Glück“, erzählt er, tadellos gekleidet. „Ich ging gar nicht ins Behandlungszentrum. Ich wurde einfach wieder gesund. Ich kann das nicht erklären, aber ich glaube, Gott wollte, dass ich meinen Mitmenschen diene.“

Es werden täglich mehr

Seitdem engagiert sich Kakule in der Ebola-Sensibilisierung. Seine Ehefrau, ebenfalls erkrankt und wieder gesundet. Sie begleitet jetzt ihren Mann in seinem Verband. „Es ist ein Wunder“, fügt er abschließend hinzu. „Viele Menschen sind tot – und wir sind am Leben.“ Aber viele Menschen starben und es werden täglich mehr.

In der Millionenstadt Butembo 50 Kilometer südlich von Beni hat Dorcas Kavira vor fünf Monaten ihre Mutter, ihre Schwägerin und ihren älteren Bruder verloren. Die etwa 20-Jährige blieb allein mit dem Sohn ihres Bruders zurück, einem fünf Monate alten Baby. Sie lebt in Kinyavwanga, eine notorische Ecke des Stadtbezirks Wayene von Katwa, der Nachbargemeinde von Butembo, in der es die meisten Ebola-Toten gegeben hat.

Komplett isoliert: Eine Frau spricht mit einem erkrankten Verwandten Foto: Jerome Delay

Damals war es nicht gut, in diese Gegend zu gehen und von Ebola zu sprechen. Die Menschen griffen jeden an, der ihnen Ratschläge zur Ebola-Prävention geben wollte. Im Gesundheitszentrum von Wayene sind die Folgen noch sichtbar: zerbrochene Fensterscheiben, von Steinwürfen zerbeulte Wellblechdächer, niedergerissene Mauern. Die Häuser ringsum sind verlassen und verschlossen. Fast alle Bewohner sind tot oder fortgezogen.

Die Menschen sind vor den Ebola-Toten geflohen – oder sie haben sich in der Seuchenbekämpfung engagiert und wurden von ihren misstrauischen Nachbarn vergrault. Die wenigen Menschen, die hier noch leben, haben eingefallene Gesichter und verlorene Blicke.

„Göttliche Strafe“

„Es ist schrecklich, was wir hier durchmachen“, erklärt Zouble Virivikendo, Verwaltungschef von Kinyavwanga, der sich zu einer Führung durch sein Viertel hat überreden lassen. „Wir wissen nicht, ob es eine göttliche Strafe ist oder ein Fluch.“

Dorcas Kavira hat ihre Geschichte nicht freiwillig erzählt, es brauchte den Besuch des Verwaltungschefs, damit sie sich zu sagen traute, was sie für einen Albtraum durchlebt hat. „Eine Nachbarin starb in einem Gesundheitszentrum in der Nähe, so gegen Ende Februar“, erinnert sie sich.

„Sie war eine Freundin meiner Schwägerin. Zwei Tage nach der Beerdigung bekam meine Schwägerin ebenfalls starkes Fieber und fing an, sich zu übergeben. Wir brachten sie in dasselbe Gesundheitszentrum. Nach ein paar Tagen war sie tot.

Der Leiter des Gesundheitszentrums tat, was in seiner Macht stand, damit wir noch in der Nacht den Leichnam abholen, damit er sagen konnte, sie sei zu Hause gestorben und nicht unter seiner Aufsicht. Wir haben seine Anweisungen treu befolgt“, erzählt sie und fängt an zu weinen.

Keiner sprach mit den Menschen

Mithilfe zweier Nachbarinnen rekonstruiert sie die Geschichte. „Verwaltungschef Virivikendo hat uns geraten, die Ebola-Bekämpfungsteams zu rufen, damit man sie in einem Friedhof außerhalb der Stadt beisetzt. Es gab eine Zusage für eine Sicherheitseskorte. Aber von 8 bis 12 Uhr ist niemand gekommen. Am Nachmittag kamen ein paar Leute und nahmen Proben von der Leiche. Sie gingen wieder, ohne etwas zu sagen.“

Das war der Anfang. Die anderen Familienangehörigen starben wenig später.

16 Monate alt war Muhindo Kakinire erst, als ihn die Ebola dahinraffte Foto: Jerome Delay

50 Menschen sind allein in Kinyavwanga gestorben, das etwa 100 Häuser zählt. Das Stadtviertel war den Ebola-Bekämpfern unter anderem deshalb besonders feindlich gesonnen, weil es einen traditionellen Heiler gab, der sich als Guru mit Wundermitteln gegen alles ausgab. „Kitchwa kluma“ (Mein Kopf tut weh) nannte er sich, früher hatte er in einer Miliz gekämpft. Unter seinem Einfluss schottete sich Kinyavwanga ab.

Die Ausbreitung der Seuche hat das Misstrauen nicht verringert. Ebola-Bekämpfer stoßen immer noch auf Widerstände. Misstrauen wurde geschürt von Politikern, die die Massen aufhetzten, indem sie Ebola als „politische Krankheit“ bezeichneten, mit der Kongos Staat die lokale Bevölkerung einschüchtern wolle. Dann ließen sie sich mit dieser Botschaft ins Parlament wählen und jetzt sind sie überzeugte Ebola-Sensibilisierer, was die Menschen erst recht misstrauisch macht.

Das Geschäft der Ebola-Bekämpfung

Offenbar kann man mit dem Kampf gegen Ebola viel Geld verdienen. Seuchenbekämpfer brauchen Hotels, Autos, Übersetzer, Wachleute; die Etats der Ebola-Bekämpfer alimentieren die lokale Wirtschaft. „Es ist ein Business geworden“, ärgert sich Jina Ivogha, Direktor eines Radiosenders in Beni; „das muss aufhören“. Ende Juli organisierten die Journalisten von Beni einen Marsch gegen Ebola, auf dem sie Dinge riefen wie „Besorgt lieber Krankenwagen als rostige Jeeps“.

Einzelne Bewohner wagen sich inzwischen nach Kinyavwanga zurück, aber Dorcas Kavira hat sich von ihrem Schicksalsschlag nicht erholt. Sie war Schneiderin, aber seit sie das Baby ihres verstorbenen Bruders pflegt, kann sie nicht mehr arbeiten gehen. Sie schafft es nicht einmal mehr, ihren kleinen Garten zu jäten. Sie lebt von den Hilfsgütern der Ebola-Bekämpfungsprogramme.

Und der Guru von Kinyavwanga? Er ließ sich schließlich überreden, die Ebola-Bekämpfung zu unterstützen. „Er wurde ein großer Sensibilisierer, um die Leute zu überzeugen, Hygieneregeln zu befolgen und sich vor dem Virus zu schützen“, lobt ihn Verwaltungschef Virivikendo. Mitte Juli wurde der Guru von Unbekannten erschossen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.