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Ein Jahr Donald TrumpLäuft für ihn

Der US-Präsident hat viel erreicht: Er hat seine Steuerreform und den gemäßigten Muslim Ban durchgesetzt. Das Land ist ein anderes.

Und was blendet hier so? Der Glanz des Erfolgs … Foto: ap

Donald Trump hat in seinem ersten Amtsjahr eine Menge erreicht. So chaotisch es im Weißen Haus auch zugegangen sein mag, so sehr die ständigen Twittertiraden des Präsidenten auf alle möglichen persönlichen Schwächen und womöglich psychische Probleme hindeuten mögen – Trumps erstes Jahr hat die USA verändert, und zwar in der Richtung, die er anvisiert hat.

Dabei muss man seine Aktionen in zwei Bereiche unterteilen. Da ist einerseits jene Politik, die jeder republikanische Präsident mit Mehrheiten in beiden Häusern des Kongresses gemacht hätte. An allererster Stelle die Besetzung eines Richterpostens am Obersten Gerichtshof durch einen konservativen Richter. Das war vorbereitet: Über ein Jahr lang hatte die republikanische Mehrheit im Senat verhindert, dass Präsident Barack Obamas Nominierungsvorschlag auch nur zur Anhörung gekommen wäre.

Aus dem gleichen Grund konnte Trump jetzt auch in den niedrigeren Instanzen eine Rekordzahl von Richtern ins Amt bringen: Sechs Bundesrichter und zwölf Bundesberufungsrichter, allesamt konservativ, hat er bislang eingesetzt, weitere werden folgen. Wer sich erinnert, wie viel allein im vergangenen Jahr von diesen Gerichten entschieden wurde, weiß: die Richterbenennungen werden die US-Politik weit über Trumps Amtszeit hinaus prägen.

Das Dekret-Problem

Zweiter Punkt: Die Steuerreform, immerhin das einzige Gesetzespaket, das Trump und die Republikaner erfolgreich durchgebracht haben. Eine gigantische Umverteilung von unten nach oben, die den Staatshaushalt weiter belastet, vor allem den Superreichen und den Unternehmen fette Steuergeschenke beschert und in absehbarer Zeit durch Kürzungen im Sozialsystem gegenfinanziert werden wird.

Und die nebenbei auch noch das erledigt, worauf sich der Senat nicht hatte einigen können: Die De-facto-Abschaffung von Obamas Gesundheitsreform. Durch das Ende der individuellen Pflicht zur Krankenversicherung stirbt deren Finanzierungsmodell.

Allein aufgrund dieser beiden Aspekte konnte sich Trump während des ersten Jahres der Loyalität der Republikaner sicher sein; selbst jener, die ob seiner Rhetorik, seiner Unflätigkeiten und seiner diversen Positionswechsel eher beschämt zu Boden schauen. Aber: Weiter geht der Konsens auch nicht. Hier hört auf, was Donald Trump mit den Republikanern gemeinsam erreichen und durch den Kongress bringen konnte.

Nur: In vielen anderen Politikfeldern musste er das auch gar nicht. War Trump angetreten, so viel wie möglich von der Politik seines Vorgängers zurückzudrehen, so ging das in den meisten Bereichen relativ leicht. Während seiner achtjährigen Präsidentschaft hatte Obama nur zwei Jahre lang Mehrheiten im Kongress, danach reagierte er gegen mauernde Republikaner per Präsidialdekret. Die haben nun den Nachteil, dass sie genauso leicht zurückgenommen werden können – wovon Trump reichlich Gebrauch macht.

Ob Klimaschutzverordnungen, Emissionsgrenzen, das Verbot der Offshore-Erdölförderung oder mehrerer Pipelines, ja selbst der Schutz der rund 800.000 „Dreamer“, die als kleine Kinder mit ihren Eltern illegal in die USA eingereist sind – alles hatte Obama per Dekret angeordnet, alles hat Trump inzwischen rückgängig gemacht.

Niemand außer ihm will die Mauer

Sein eigenes Dekret des Einreiseverbotes für Bürger aus einer Reihe mehrheitlich muslimischer Länder – eine abgeschwächte und verfassungskonform gemachte Version des zuerst geforderten „totalen Einreisestopps für Muslime“ – kommt noch oben drauf.

Aber insbesondere beim Thema Migration verlässt Trump den Konsens der Republikaner. Und er sorgt dafür, dass Einigungen im Kongress sehr schwierig werden. Die Mauer zu Mexiko etwa will außer ihm und seiner noch immer enthusiastisch „Build the wall!“ skandierenden Basis eigentlich niemand. Erst recht will sie niemand bezahlen – und dass Mexiko dafür aufkommen würde, hat selbst Trump heimlich aus seinen Talking Points gestrichen.

Um vom Kongress Geld für die Mauer zu bekommen, hat Trump den Druck insbesondere auf die Demokraten massiv erhöht – und dabei hunderttausende von Migrant_innen in Geiselhaft genommen. Denn sowohl der Aufenthaltsstatus der Dreamer als auch hunderttausender Migranten aus El Salvador, Haiti, Nicaragua und Honduras hängt daran, ob der Kongress für sie eine dauerhafte Regelung findet.

Um vom Kongress Geld für die Mauer zu bekommen, hat Trump den Druck insbesondere auf die Demokraten massiv erhöht – und dabei hunderttausende Migrant_innen in Geiselhaft genommen

Trump selbst und sein Justizminister Jeff Sessions betonen, es ginge nicht um möglichst schnelle Abschiebung. Vielmehr solle der Kongress nach jahrzehntelanger Untätigkeit nun gezwungen werden, der bisherigen Praxis auch eine solide gesetzliche Grundlage zu geben. Nur, dass Trump gleichzeitig verkündet, ohne Geld für seine Mauer werde er nichts dergleichen unterschreiben.

Es ist dies der Punkt, wo sich der Präsident und das Politikmachen in Washington denn doch im Wege stehen. Denn seine Äußerungen über die „Drecksloch-Länder“ sprengten das Treffen mit Abgeordneten und Senatoren beider Parteien, das eigentlich eine Einigung über die Migrationsfragen herstellen sollte und fast schon gefunden hatte.

Nützliche Feinde

Das Ergebnis: 24 Stunden vor dem Jahrestag der Amtseinführung Donald Trumps als Präsident der Vereinigten Staaten steht auf der Kippe, ob sein zweites Jahr womöglich mit der Schließung öffentlicher Einrichtungen beginnt. Denn zum Redaktionsschluss hatte sich der Kongress noch nicht darauf einigen können, einen weiteren einmonatigen Zwischenhaushalt zu verabschieden – ohne den aber hat die Bundesregierung ab Samstag kein Geld mehr.

Die Demokraten im Senat schienen jedenfalls nicht gewillt, dem am Donnerstag vom Repräsentantenhaus verabschiedeten Zwischenhaushalt zuzustimmen – gut zehn Demokraten aber müssten mitmachen, wenn die in diesem Fall benötigte 60-Stimmen-Mehrheit zustande kommen soll. Und Trump müsste sie auch noch unterschreiben und twitterte am Donnerstag noch mehr widersprüchliche Kommentare zum Thema als sonst.

Feinde, echte Feinde gehören zum Rechtspopulismus dazu wie die Luft zum Atmen

Eine Schließung der Regierungsbehörden aber könnte auch jenen Bereich beeinflussen, für den Trump sich derzeit besonders rühmt: Die boomende US-Wirtschaft mit guten Börsenkursen, einem Niedrigststand der Arbeitslosigkeit und stabilem Wachstum. Unklar, wie weit das tatsächlich mit Trumps Politik zu tun hat – die Trends zeigten alle bereits unter Obama in die gleiche Richtung und setzten sich fort. Sicher ist jedoch: Alle, für die unter Trump „America“ wieder „great“ werden sollte, haben etwas zu feiern.

Trump selbst hat keinen Grund, mit sich unzufrieden zu sein – erst recht nicht, weil er von vielen so gehasst wird. Im Gegenteil. Feinde, echte Feinde gehören zum Rechtspopulismus dazu wie die Luft zum Atmen. Wenn sie dann noch vor allem aus Medien, Minderheiten und liberaler Stadtbevölkerung bestehen – um so besser.

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8 Kommentare

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  • @KI AN

    Ich fasse zusammen: ein Politiker ist sympathisch, weil er einlöst, was er im Wahlkampf versprochen hat und weil er Milliardär ist (das mit dem Selfmade stimmt nicht)...mh...Fazit: auch auf den Populismus reingefallen

  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Ein Politiker, der das tut, oder zumindest versucht zu tun, was im Wahlkampf versprochen wurde, ist aus Deutscher Perspektive durchaus unbekannt und gewöhnungsbedürftig. Das hat Trump den Deutschen Hoschis, die da im Bundestag rumgümmeln, voraus. Neben der Tatsache, dass er Selfmade Milliardär ist. Da können unsere Schnuffis von Berufspolitiker, die ihr Leben lang an der Staatstitte nuckeln, nicht mitpissen. Und ja. Das alles macht ihn sympathisch. Ich rechne mit 8 Jahren Amtszeit.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...stimmt so nicht, das Land ist kein anderes.

    Ein Teil meiner Familie lebt in den USA, bis auf den Namen des Präsidenten hat sich nichts verändert.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Dann bekommt aber Ihre Familie wenig mit :-)

  • Das eigentliche Problem ist, dass Trumps Vasallen schon seit einem ganzen Jahr machen können, was sie wollen. Trump ist ein ungemein effektiver Blitzableiter, der die meiste politische Kritik und fast sämtlichen Hass auf sich zieht und von seinen Untergebenen fern hält.

     

    In seinem Schatten geschieht unbemerkt sehr viel. Es werden nachteilige internationale Verträge aufgekündigt, Naturschutzgebiete und Umweltschutzmassnahmen zur Stärkung der US-Wirtschaft abgeschafft und kriminelle sowie angeblich illegale Einwanderer eingeschüchtert und ausgegrenzt. Die Medien interessieren sich indes fast nur noch für Trumps Geisteszustand und sein Liebesleben.

     

    Man könnte da fast von einer diabolischen Brillianz auf Seiten des 45. POTUS sprechen. Und falls die noch unbeliebtere Hillary nochmal gegen ihn antreten sollte, würde Trump nach heutigem Stand vermutlich sogar trotz allem Präsident bleiben. Zumindest für Türkei wären das jedoch gute Nachrichten.

     

    Ich hatte den Kommentar eben schon unter einem anderen, weniger pessimistischem Artikel gepostet. Hier passt er aber noch besser.

  • Man kann von der Steuerreform ja halten was man will aber eine Umverteilung von Unten nach Oben ist sie nicht. Umverteilen heißt Personengruppe A etwas wegnehmen und es Personengruppe B geben. Das Gesetz führt ganz im Gegensatz dazu aber nur zu weniger Umverteilung.

     

    Die Demokraten sollten sich lieber mal ins Zeug legen, damit sie 2020 nicht gleich die nächste Runde Trump kassieren. Solange man da nicht endlich diese nervigen identitätspolitischen Heulbojen los wird und sich wieder um die Probleme der breiten Masse kümmert wird das nichts!

    • @disenchanted:

      Umverteilung bedeutet aber in diesem Falle z. B. auch, dass Gelder, die von reichen Unternehmen über Steuern eingenommen werden, benutzt werden um Infrastruktur, Schulen, Gesundheitswesen zu finanzieren. Bleiben Steuerzahlungen aus, ist dies nicht mehr möglich. Und das betrifft natürlich vor allem jene, die sich keine Privatschulen, keine dicken Autos und keine teure Privatversicherung leisten können. Das werden dann irgendwann auch die merken, die "diese nervigen identitätspolitischen Heulbojen los" werden wollen und Trump für ihren Heilsbringer halten. (Wenn sie denn in der Lage sind, was zu merken)

      • @Ute Krakowski:

        Ja ich bestreite ja auch nicht das viele Leute darunter leiden werden müssen das es weniger Umverteilung gibt. Es findet durch dieses Gesetz aber eben keine zusätzliche Umverteilung von Unten nach Oben statt. Kann es auch garnicht, weil diejenigen die Unten sind entweder keine oder nur sehr wenig Steuern zahlen und diejenigen die Oben sind keine Sozialleistungen erhalten.

         

        Das ich einen Hals auf die Identitätspolitik der Demokraten und der "Linken" insgesamt habe heißt nicht das ich Trump mag. Es ist vielmehr Ausdruck meiner Sorge um die "Linke". Von der wird nämlich nicht mehr viel übrig bleiben, wenn sie so weiter macht und im eigenen Lager nicht mal klar Schiff macht. Die Adaption von Identitätspolitik ist für linke Parteien in den letzten 10 - 15 Jahren nichts weiter gewesen als ein einziges Debakel! Die Zustimmung für linke Positionen ist in dieser Zeit international gefallen und zwar nicht im marginalen Bereich sondern um satte 10%.

        Das liegt daran das linke Parteien und zwar auch gemäßigte, auf den Durchschnittsbürger einen fürchterlichen Eindruck machen. Die kümmern sich um alles was irgendwie nach Randgruppe aussieht aber sicher nicht um den Arbeiter oder Angestellten, welcher einst der Stammwähler gemäßigter, linker Parteien war.