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Ehe für alle in den USAAngst vor dem Supreme Court

Das US-Repräsentantenhaus stimmt dafür, das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe per Bundesgesetz zu schützen. Dadurch kann der Oberste Gerichtshof es nicht kippen.

LGBTQIA+-Rechte in den USA: Das Repräsentantenhaus will sie stärken Foto: Jose Luis Magana/ap

Washington dpa | Das US-Repräsentantenhaus hat dafür gestimmt, das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe per Bundesgesetz zu schützen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde am Dienstag überparteilich mit 267 zu 157 Stimmen verabschiedet. Alle Gegenstimmen kamen von Republikanern – allerdings stimmten auch 47 republikanische Abgeordnete dafür. Dennoch hat das Vorhaben aufgrund der knapperen Mehrheitsverhältnisse keine großen Chancen im Senat.

Hintergrund für die Abstimmung ist die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichts der Vereinigten Staaten, das Recht auf Abtreibung zu kippen. Da dieses Recht nicht per Bundesgesetz geschützt ist, können die Bundesstaaten nun weitreichende Einschränkungen und Verbote erlassen. In zahlreichen Bundesstaaten ist dies bereits geschehen.

Mit ihrem Versuch, das Recht auf die gleichgeschlechtliche Ehe per Bundesgesetz festzuschreiben, wollen die Abgeordneten verhindern, dass dieses Recht auf ähnliche Weise wie das Abtreibungsrecht gekippt werden könnte. Mit einem Urteil (Obergefell v. Hodges) hat das Gericht zwar 2015 das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe als von der US-Verfassung gedeckt erklärt.

Doch inzwischen hat das Gericht eine deutliche rechtskonservative Mehrheit – und mit ihr könnte es diese und andere Entscheidungen auch wieder kippen. Sollte das passieren und keine Bundesgesetzgebung entgegenstehen, könnten Bundesstaaten sich weigern, die gleichgeschlechtliche Ehe anzuerkennen. Das Gesetz soll auch die Ehe zwischen Menschen verschiedener Ethnien schützen.

Im Senat stehen die Chancen schlecht

Großes Entsetzen hatte zuletzt eine Stellungnahme des erzkonservativen Richters Clarence Thomas ausgelöst, die er im Zuge des Abtreibungsurteils veröffentlich hatte. Er schrieb, dass auch Entscheidungen, die das Recht auf Verhütung, die gleichgeschlechtliche Ehe oder Sex unter gleichgeschlechtlichen Partnern verankern, auf den Prüfstand gehörten. Dabei nannte er auch explizit den Fall Obergefell v. Hodges. Zwar betonten die restlichen konservativen Richter, dass das aktuelle Urteil zur Abtreibung diese Präzedenzfälle nicht infrage stelle. Doch viele Menschen in den USA befürchten, dass es auch hier einen Sinneswandel am Supreme Court geben könnte.

Hinzu kommt, das ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1996 die Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau definiert und weitere Einschränkungen vorsieht. Der damalige demokratische US-Präsident Bill Clinton hatte es unterzeichnet. Mit Urteilen des Supreme Courts – wie etwa Obergefell v. Hodges – ist dieses Gesetz zwar de facto aufgehoben. Seit Jahren versuchen Abgeordnete aber ein Bundesgesetz zu verabschieden, dass das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe festschreibt und damit das Gesetz aus dem Jahr 1996 ein für alle mal verbindlich aufhebt. Bisher sind sie damit immer gescheitert.

Besonders gut dürften die Chancen auch dieses Mal nicht stehen. Unwahrscheinlich ist, dass der Entwurf auch den Senat passieren wird. Dort haben die Demokraten nur eine hauchdünne Mehrheit und sind bei zahlreichen Vorhaben auf Stimmen der Republikaner angewiesen, um ein Gesetz überhaupt zur Abstimmung zu bringen. Offen war auch, wann der Senat sich überhaupt mit dem Entwurf befassen wird. Der demokratische US-Präsident Joe Biden hatte deutlich gemacht, dass er den Gesetzesentwurf unterstützt.

Erst in der vergangenen Woche hatte das Repräsentantenhaus für ein Gesetz gestimmt, dass das Recht auf Abtreibung schützt. Dieser Entwurf dürfte im Senat höchstwahrscheinlich scheitern.

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11 Kommentare

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  • Seit Dekaden ist klar, dass die Republikaner Entscheidungen des Verfassungsgerichts überschreiben wollen. Dennoch sind die Demokraten untätig geblieben, bis es nicht mehr anders ging und in dieser Zeit der Untätigkeit gab es mehr als einmal satte Mehrheiten für die Demokraten.

    Reagiert hat man auf die jüngsten Urteile des Verfassungsgerichts primär mit Symbolpolitik und Spendenaufrufen. Letztere haben selbst bei vielen eingefleischten Demokraten für einen faden Beigeschmack gesorgt. Darüber hinaus hat Joe Biden erlassen das werdenden Müttern bei Lebensgefahr das Recht auf eine Abtreibung gewährt werden muss. Es gab jedoch keinen einzigen Staat, der dieses recht nicht gewähren würde.

    Ich kann ja gut verstehen das man die Republikaner nicht mag, doch ein Rätsel ist mir warum so viele Menschen außerhalb der USA auf die Demokraten hereinfallen. Das ist ebenfalls ein Haufen korrupter Berufspolitiker, die Kandidaten wie Bernie Sanders aktiv behindern.

  • Der Artikel weist (leider nur am Rande) auf das Kernproblem der amerikanischen Demokratie hin: auf Bundesebene ist die Gesetzgebung seit langem komplett blockiert.



    Fortschritte wurden nur durch Erlasse oder durch Rechtsprechung erreicht. Also eher provisorisch - und das ist eben leicht wieder aufzuheben.



    Leider haben die Reps kein Interesse an einem funktionsfähigen Bundesstaat...

  • "Das US-Repräsentantenhaus stimmt dafür, das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe per Bundesgesetz zu schützen. Dadurch kann der Oberste Gerichtshof es nicht kippen."



    Hieße das, in den USA sind verfassungswidrige Gesetze möglich??



    Glaub ich jetzt nicht. Das hieße, dass Bundesgesetze oberhalb der Verfassung stünden; nun weiß ich über die US-Rechtsprechung und -Verfassung nur rudimentär Bescheid, aber irgendwie stimmt da doch was nicht.



    Im Artikel steht zudem, dass das die Ehe definierende Bundesgesetz durch Urteile des Supreme Courts de facto aufgehoben sei.



    Was denn nu? Kann er oder kann er nicht?

    • @Encantado:

      Das ist ein Irrtum.



      Durch das Urteil wurde dieses Recht direkt aus der Verfassung abgeleitet, und so der Gesetzgebung entzogen.



      Durch ein gegenteiliges Urteil würde das Thema einfach wieder der regulären Gesetzgebung offen stehe...

      • @mensch meier:

        "Durch ein gegenteiliges Urteil würde das Thema einfach wieder der regulären Gesetzgebung offen stehen.."



        Und dagegen kann der Supreme Court nichts machen, egal wie verfassungsgemäß???

    • @Encantado:

      Das habe ich auch mit Verwunderung so interpretiert! Das kann doch so schwerlich stimmen. Extrembeispiel: Es wird ein Bundesgesetz gemacht solange Präsident xy lebt ist das Wahlrecht auszusetzen und somit Präsident auf Lebenszeit.

    • @Encantado:

      Nein, das heißt es nicht. Das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehe hatte der Supreme Court 2015 aus der Verfassung abgeleitet, und damit die bundesgesetzliche Definition „Ehe=1 Mann + 1 Frau“ außer Kraft gesetzt.



      Es geht bei der aktuellen Sorge nicht darum, dass der Supreme Court Homo-Ehen gleich ganz für verfassungswidrig erklären würde, sondern nur darum, diese Ableitung aufzuheben. Damit würde dann wieder der vorherige Gesetzesstand gelten, also nur Hetero-Ehen, es sei denn eben ein neues Bundesgesetz legt fest, dass auch Homo-Ehen erlaubt sind.

      • @o_aus_h:

        "...es sei denn eben ein neues Bundesgesetz legt fest, dass auch Homo-Ehen erlaubt sind."



        Und ein solches Gesetz kann der Supreme Court dann nicht per Verfassungswidrigkeit kassieren?



        Kommt mir immer noch nicht ganz klar vor.

    • @Encantado:

      Soweit ich es verstanden habe, hat der Supreme Court nicht entschieden, dass Abtreibungen verboten sind, sondern dass es Sache der Bundesstaaten sei, darüber zu entscheiden.



      Es ist anscheinend so, dass es bei Vorhandensein eines Bundesgesetzes dieses das Recht des Bundesstaates bricht. Ein solches Bundesgesetz wäre auch nicht Verfassungswidrig.

      • @WirdSchonWerden:

        "Es ist anscheinend so, dass es bei Vorhandensein eines Bundesgesetzes dieses das Recht des Bundesstaates bricht."



        Das ist ja dann wie in Deutschland. Verstehe ich ja noch.



        "Ein solches Bundesgesetz wäre auch nicht Verfassungswidrig."



        Den Zusammenhang indes verstehe ich nicht. Klar, die Existenz eines solchen Gesetzes wäre verfassungskonform. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass der Supreme Court es nicht kippen kann wie behauptet? Denn wenn er inhaltlich eine Verfassungswidrigkeit feststellt, ist ein solches Gesetz Altpapier. Oder nicht?

  • 8G
    82286 (Profil gelöscht)

    Jeder Bundesstaat entsendet 2 Senatoren. Unabhängig der Größe bzw. Bevölkerungszahl. Interessant wäre zu wissen, welche Bevölkerungszahlen sich hinter den DEM'S oder REP's Senatoren verbergen. Und noch interessanter wäre, wieviel nicht beachtete Wählerstimmen es jeweils gibt (also die der unterlegenen Partei).