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EU-VerteidigungspolitikLahme „schnelle Eingreiftruppe“

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Die sicherheitspolitische Neuaufstellung der EU erscheint unentschlossen und bleibt unausgegoren. Für die aktuelle Krisenlage ist es ohnehin zu spät.

Bundeswehrsoldaten sollen zu Beginn das militärische Herzstück der neuen EU-Eingreiftruppe stellen Foto: Thilo Schmuelgen/reuters

E inen „Strategischen Kompass“ haben die EU-Außenminister beschlossen, eine „Schnelle Eingreiftruppe“ wollen sie aufstellen. Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine klingt das vielversprechend. Endlich, so scheint es, haben die EU-Politiker eine Strategie, um den Frieden in Europa wiederherzustellen. Nach langem Zögern wollen sie eingreifen und Russland in die Schranken weisen.

Doch der Eindruck täuscht. Die „schnelle“ EU-Truppe kommt ganz langsam und letztlich viel zu spät – erst 2025 dürfte sie einsatzfähig sein. In der Ukraine wird sie wohl nicht mehr eingreifen. Und der „Strategische Kompass“ ist gar keine Strategie. Er zählt auf, welche neuen militärischen Fähigkeiten die EU braucht – doch er sagt nicht, was geschehen muss, damit der Krieg in Osteuropa endet.

Dabei ist das die entscheidende Frage. Brauchen wir noch mehr Waffen, um Frieden zu schaffen? Müssen noch mehr Sanktionen her, damit Wladimir Putin zur Vernunft kommt? Die Europäer drücken sich um Antworten. Unklar bleibt auch, was die EU eigentlich will. Sind wir auf dem Weg zu einer europäischen Armee? Nein, sagt der Außenbeauftragte Josep Borrell. Für die Verteidigung soll auch künftig die Nato zuständig sein.

Ist das das Ende der Friedensunion? Auch das wird in Brüssel verneint. Die EU wolle sich zum „Security Provider“ weiterentwickeln, sagt Borrell. Dabei liegt die europäische Sicherheitsordnung längst am Boden. Die Europäer wollen ein bisschen Krieg führen – aber keine Kriegspartei sein. Sie wollen Waffen in die Ukraine liefern – aber kämpfen möchten sie nicht. Und einen Plan für eine neue Nachkriegsordnung haben sie auch nicht.

Letztlich kommt der „Strategische Kompass“ und die Eingreiftruppe zur Unzeit. Es macht einfach keinen Sinn, mitten im Krieg eine Strategie für den Frieden in den nächsten zehn Jahren zu entwerfen. Dass Deutschland sich nun bereit erklärt, die Leitung der ersten Eingreiftruppe zu übernehmen, macht die Sache auch nicht besser. Zumal sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht auch noch vergaloppiert hat.

Erst erweckte sie den Eindruck, die Bundeswehr wolle das gesamte erste Kontingent – bis zu 5.000 Soldaten – stellen. Dann hieß es, Berlin wolle nur das „Herzstück“ liefern. Dabei gehe es um den Gefechtsverband. Ja, was denn nun? Lambrecht fehlt genau das, was die EU nun stolz verkündet hat: ein strategischer Kompass.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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3 Kommentare

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  • Da sind wir wieder mitten in der Debatte, jetzt mit vertauschten Rollen. Die derzeitigen Regierungsparteien haben ihre Verantwortung bereits erkannt und sich bekannt: Zu 100 Milliarden als "Sondervermögen". Euphemismus für die Investitionen, die das Gleichgewicht des Schreckens physisch wieder direkt vor unserer Haustür etablieren. Wie fern ist die Aussicht, dass wir unsere Rolle in der Welt wirklich neu definieren können, in einer neuen Sicherheitsarchitektur, vielleicht im Sicherheitsrat?



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    taz.de/Auslandsein...ndeswehr/!5049593/



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    taz.de/Bundeswehr-im-Ausland/!5235470/



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    taz.de/Debatte-Bun...-Ausland/!5520203/



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    taz.de/Ende-einer-...aerreich/!1570663/



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    taz.de/!1638925/



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  • Wenn für die Verteidigung der EU-Länder laut Borell die NATO zuständig ist:



    Gilt das auch für EU-Länder, die nicht in der NATO sind? Was passiert, wenn sich Türkei (NATO) und Griechenland (EU+NATO) mal wieder beschießen müssen?

    Die NATO hat bisher noch nie ein Mitgliedsland verteidigt, sondern hat stets in anderen Ländern Krieg geführt.



    Für die Verteidigung der EU bräuchte es eine EU-Armee, gerne als Ersatz für die nationalen Armeen.



    Bei Nationalisten mit Größenwahn wie Orban oder Duda weiß man nie ob die nicht selbst einen Krieg anzetteln wollen um in die Geschichte einzugehen.

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Da die Länder der EU derzeit noch nicht von Putin kommandiert werden, findet derzeit eine politisch-strategische Diskussion mit einem gemeinsamen Blick auf die sicherheitspolitischen Herausforderunge statt, denen die EU in den kommenden Jahren gegenüberstehen wird.

    1.. Daher hat die EU während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zum ersten Mal eine Bedrohungsanalyse erarbeitet - das ist die Grundlage und der notwendige Schritt Nr. 1.

    2..Mit Zuarbeit der nationalen zivilen und militärischen Nachrichtendienste hat die Single Intelligence Analysis Capacity des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) eine sehr umfassende Betrachtung politischer, wirtschaftlicher und militärischer sowie auch komplexer hybrider Risiken und Bedrohungen für die EU vorgelegt.

    Wichtig ist, dass sich alle EU-Mitgliedstaaten mit ihren jeweiligen Bedrohungswahrnehmungen und nationalen Analysen in diesem Konzept wiederfinden - darum geht es - weil bislang die Bedrohungslage zum Beispiel im Baltikum und in der Bundesrepublik unterschiedlich bewertet wurde.

    Putin regelt die Probleme schneller - das ist richtig, in der verteidigungspolitischen Koordination von 27 souveränen Nationalstaaten der EU dauert es naturgemäss etwas länger. Das muß nicht unbedingt ein Nachteil sein.

    Das was aus diesen zurzeit andauernden Koordinationsbemühungen zwischen Nato und EU herauskommen wird: Es wird ein Hybrid der Verteidigungsanstrengungen getragen von beiden Organisationen sein - soviel lässt sich schon jetzt mit Bestimmtheit sagen.