Ende einer Expedition ins globale Militärreich

Melde gehorsamst, Herr Minister, letzter Blauhelm durstig aus der Wüste zurück. Brunnen fertiggestellt, Grundgesetz verabredungsgemäß hineingefallen. Bürger in Uniform bereit, Deutschland den ständigen Sitz im Sicherheitsrat freizuschießen.

Volker Rühe darf die Fanfaren blasen: Seine Wüstentruppe kehrt heute – im Felde unbesiegt – vom Afrikaeinsatz zurück. Und so, wie vor elf Monaten der erste „Engel von Belet Huen“ gen somalischen Wüstensand entschwebte, so wird heute der letzte Rühianer mit Pauken und Trompeten auf dem Flughafen Köln- Bonn von der heimischen Truppe zurückgenommen werden.

Vollzählig und gänzlich unversehrt erhält der Verteidigungsminister seine UNO-Leihgaben zurück. Der einzige, der in Ausübung seines Amtes fiel, war der Dienstherr selbst. Bei einer kurzen Stippvisite verlor er kurz die Ausgewogenheit, plumpste wie ein Sandsack auf den Wüstenboden und schürfte Arm und Knöchel. „Macht nichts“, sprach er tapfer – und legte damit die deutsche Grundhaltung für den ersten bewaffneten Out-of-area-Einsatz fest. Kein Problem gab es fortan, das nicht mit der Rüheschen Zauberformel in den Griff zu bekommen war: Macht nichts, daß die Inder nicht kamen, für deren Versorgung die UNO-Deutschen nach Somalia geschickt wurden. Macht nichts, daß das Waffenarsenal der Deutschen größer war als das ihrer namibischen Bewacher. Macht nichts, daß das deutsche Lager größer war als die Stadt Belet Huen. Macht nichts, daß die Logistik nicht stimmte, die Paletten nicht in die Flieger paßten und die Gabelstapler zum Ausladen erst mit der zweiten Fuhre geliefert wurden. Macht nichts, daß ein Somalier beim Eindringen ins Camp erschossen wurde. Vor allem aber macht es gar nichts, daß Entwicklungshelfer billiger und effizienter hätten helfen können: 310 Millionen Mark haben die Soldaten im Wüstensand verbraten, 2,3 Millionen davon für humanitäre Hilfe. Man läßt es sich etwas kosten, daß sich die Deutschen an den Einsatz ihrer Armee im Ausland gewöhnen, Grundgesetz hin oder her.

„Macht nichts“ wurde zur Formel zur Macht, und um eben jene ging es bei der Expedition ins Militärreich. Nur wenn sich die Deutschen nicht vor ihrer Friedensarbeit drücken, können die Deutschen einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat einfordern. Und haben sich die deutschen Bürger erst einmal an den Auslandsaktivismus ihrer Berufsdiener gewöhnt, wird sich das Grundgesetz schon fügen: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird mit Spannung erwartet.

Damit dies nicht allzu zufällig ausfällt, mußte der erste Testlauf klappen. Erfolgreich wollte sich Rühe – noch bar jeglicher rechtlicher Legitimation – im Kreis der weltweit militärisch agierenden Großmächte zurückmelden. „Wir sind wieder in der Familie“, hatte Generalmajor Georg Bernhardt gestrahlt, als am 15. Mai die ersten Bundeswehrsoldaten in Belet Huen ankamen.

Zu dumm nur, daß außer ihnen niemand zum Familienfest erschien: Die Inder entzogen sich der deutschen Fürsorge durch Nichterscheinen. Eigentlich hätten die Deutschen zurückfahren müssen, was eine Niederlage Rühes bedeutet hätte, welche dieser nicht sehr schätzt. So propagierte der Verteidigungsminister kurzerhand die humanitäre Lösung. Aus den „Engeln von Belet Huen“ wurden die „Handbagger Somalias“. Die Soldaten bauten Schulen wieder auf, reparierten Straßen, bohrten Brunnen und konstruierten einen Staudamm. Das machte Durst, doch das Wasser der örtlichen Aufbereitungsanlage entsprach offenbar nicht dem deutschen Reinheitsgebot. Das Trinkwasser wurde in Plastikflaschen eingeflogen. Verkommen ist wenigstens nichts von den deutschen Edelvorräten: Reporter beobachteten, wie nach dem Abzug von Deutschen und Italienern hinterlassene Lebensmittellager geplündert wurden.

Dem glücklich trompetenden Rühe wird allerdings nicht von allen Seiten applaudiert. Als „katastrophal“ bezeichnete Manfred Stemmer von der Friedenskooperative gestern den Somaliaeinsatz. Stemmer verwies dabei auf die Einschätzung der Welthungerhilfe, daß „Rühes Show in der Savanne“ mehr geschadet als genutzt habe, weil die Buben zwar artig gebaggert hätten, von Hilfe zur Selbsthilfe aber keine Rede war.

Solche Kritik jedoch läßt Rühe kalt. Nur der Abzug der Amerikaner zwingt die deutschen Entwicklungssoldaten aus dem ostafrikanischen Land heraus. Ein echter Rückschlag, doch Rühe denkt bereits weiter. In seinem Weißbuch liest man von Krisen-Reaktionskräften (KRK) – eine kleine Spezialtruppe, extra ausgebildet für alle Krisenfälle außerhalb des Landes. Michaela Schießl