Bundeswehr im Ausland: Einsätze notfalls auch ohne Parlament
Karlsruhe schwächt den Bundestag, wenn es um heimliche Auslandseinsätze der Bundeswehr geht. Er muss später nicht zustimmen.
Konkret ging es um einen Vorfall während des Aufstands gegen das Gaddafi-Regime in Libyen. Im Februar 2011 baten Deutsche, die in einer Ölanlage arbeiteten, um Hilfe. Die Bundeswehr evakuierte darauf mit zwei Transall-Maschinen 132 Personen, darunter 22 Deutsche.
Seit einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1994 muss der Bundestag jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr zustimmen. Beim Libyen-Einsatz war die vorherige Zustimmung nicht möglich, da die Aktion aus Sicherheitsgründen geheim bleiben sollte. Bisher wurde in solchen Fällen die Zustimmung des Bundestags nachträglich eingeholt.
Der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hielt den Einsatz jedoch nicht für zustimmungsbedürftig. Es sei eine reine „Rettungsaktion“ gewesen, „fernab jeder militärischer Auseinandersetzung“. Das sahen die Grünen anders und klagten in Karlsruhe.
Nachträgliche Zustimmung
Im ersten Schritt erteilten die Richter der Bundesregierung eine klare Abfuhr. Auch Bundeswehreinsätze mit humanitärem Ziel seien grundsätzlich zustimmungsbedürftig. Entscheidend sei, ob die Soldaten dabei in „bewaffnete Auseinandersetzungen“ einbezogen werden können. Auch die Gefahr kleinerer militärischer Scharmützel genüge. Beim Einsatz während des libyschen Bürgerkriegs drohte nach Karlsruher Analyse eindeutig eine militärische Auseinandersetzung.
Karlsruhe kam der Bundesregierung aber an einem anderen Punkt weit entgegen. Bisher waren alle Fraktionen im Bundestag und selbst die Regierung davon ausgegangen, dass bei Eileinsätzen der Bundeswehr der Bundestag nachträglich zustimmen muss, sobald dies möglich ist.
Das Bundesverfassungsgericht hält dies aber nur dann für notwendig, solange noch Soldaten im Einsatz sind. Nur dann könne eine Verweigerung der Zustimmung dazu führen, dass die Soldaten zurückgeholt werden müssen.
Die Regierung stürzen
Damit hat Karlsruhe für heimliche Kommandoaktionen der Bundeswehr den Parlamentsvorbehalt faktisch ausgehebelt. Denn solche Aktionen können naturgemäß nicht vorab diskutiert werden. Die neue Einschränkung gilt nicht nur für Hilfseinsätze, sondern auch für militärische Kommandos. Immer wenn die Bundeswehr schnell und geheim handelt, ist künftig keine Zustimmung des Bundestags mehr nötig.
Die Richter trösteten die Abgeordneten, sie könnten ja Resolutionen beschließen oder die Regierung stürzen, wenn sie mit einem Einsatz nicht einverstanden sind. Zumindest, so Karlsruhe, müssen künftig alle Abgeordneten nach einem solchen Militäreinsatz umfassend und schriftlich informiert werden.
Die Grünen waren mit dem Urteil dennoch nicht unzufrieden. „Eine generelle Aushöhlung des Parlamentsvorbehalts ist künftig ausgeschlossen“, sagte Fraktionsvize Frithjof Schmidt. Auch könnten Kampfeinsätze der Bundeswehr wegen der nun betonten Informationspflicht nicht dauerhaft geheim bleiben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt