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EU-Reaktionen zum Fall NawalnyNur Orbán hält sich zurück

Nach der Verhaftung Nawalnys kritisieren alle EU-Staaten bis auf Ungarn das Vorgehen Russlands. Später veröffentlichen sie eine gemeinsame Erklärung.

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán äußerte sich nicht zur Verhaftung von Alexei Nawalny Foto: Francisco Seco/reuters

Brüssel taz | Die Reaktion war ungewöhnlich schnell und heftig: Nur wenige Minuten, nachdem die ersten Meldungen von der Festnahme Alexei Nawalnys aus Moskau kamen, forderte die EU in Brüssel bereits seine Freilassung. Es sei „inakzeptabel“, dass Nawalny direkt nach seiner Rückkehr nach Russland in Gewahrsam genommen worden sei, schrieb Ratspräsident Charles Michel bei Twitter. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell rief die russischen Behörden auf, Nawalnys „Rechte zu respektieren“.

Eine „Politisierung“ der Justiz sei nicht hinnehmbar. Ähnliche Forderungen kamen aus fast allen EU-Ländern – mal deutlicher, wie aus Polen, mal diplomatisch verklausuliert, wie aus Frankreich. Nur aus Ungarn kam keine Reaktion: Regierungschef Viktor Orbán pflegt gute Beziehungen zu Wladimir Putin und will sich offenbar nicht von seinem Schmusekurs abbringen lassen. Ungarn dürfte versuchen, neue Sanktionen gegen Russland zu verhindern.

Am Nachmittag dann veröffentlichten die EU-Staaten eine gemeinsame Erklärung, in der sie die russische Regierung vor weiteren Repressionen gegen die Opposition und die Zivilgesellschaft warnen. Die Inhaftierung Nawalnys bestätige das negative Bild, dass in Russland der Raum für die Opposition, die Zivilgesellschaft und unabhängige Stimmen schrumpfe.

Zuletzt hatte die EU Reiseverbote und Vermögenssperren gegen führende Vertreter der russischen Geheimdienste erlassen, um auf die Vergiftung Nawalnys mit der international geächteten Chemiewaffe Nowitschok zu reagieren. Die Strafen waren auf Druck aus Deutschland verhängt worden.

Vom Kreml heißt es, das Ausland solle sich nicht einmischen

Allerdings hatte sich die Bundesregierung in Berlin zuvor geweigert, die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 infrage zustellen. Das heiße Eisen der Sanktionen wurde nach Brüssel weitergereicht, der „Fall Nawalny“ sollte das Projekt nicht stören. Daran dürfte sich auch jetzt nichts ändern. Zwar wird in Osteuropa erneut der Ruf nach einem sofortigen Stopp der Pipeline laut. Auch FDP und Grüne in Berlin machen Druck. Doch in Brüssel spielt man nach der Blitzreaktion auf die Verhaftung schon wieder auf Zeit. Die EU-Kommission wich dem Thema Sanktionen am Montag aus. Nachfragen bleiben unbeantwortet.

Dafür gibt es mehrere Gründe. Für den Gebrauch von Chemiewaffen hat die EU ein eigenes Sanktionsinstrument – für die Verhaftung bei der Einreise jedoch nicht. Die Außenminister hatten zwar im Dezember einen neuen Rechtsrahmen für Strafmaßnahmen erlassen. Damit lassen sich aber nur individuelle Menschenrechtsverletzungen ahnden, kein Missbrauch der Justiz. Zudem ist der neue Rechtsrahmen bisher nicht eingesetzt worden. Die EU kann mit dem neuen Instrument also nicht aus der Hüfte schießen. Die Europäer können zwar laut protestieren – einen wirksamen Hebel haben sie nicht.

Schnelle Reaktionen kamen derweil auch aus den USA, wo US-Außenminister Mike Pompeo die Festnahme des Oppositionellen „nachdrücklich“ verurteilte. Sie sei der jüngste Versuch Russlands, „oppositionelle und unabhängige Stimmen, die kritisch gegenüber den russischen Behörden sind, zum Schweigen zu bringen“, so Pompeo, der Nawalnys „sofortige und bedingungslose Freilassung“ forderte. Der künftige Nationale Sicherheitsberater des designierten US-Präsidenten Joe Biden, Jake ­Sullivan, forderte ebenfalls die Freilassung Nawalnys.

Eine Sprecherin des russischen Außenministeriums rief die ausländischen Politiker indessen dazu auf, sich nicht einzumischen.

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