EU-Rat für strengere Umweltregeln: Weniger Schmutz aus großen Höfen

Die EU-Länder einigen sich auf schärfere Regeln gegen Schadstoffe aus großen Industrie- und Agrarbetrieben. Doch die Kommission in Brüssel will mehr.

Bullenaufzucht in einem Offenstall

Die Rinderhaltung war bisher gar nicht von der Richtlinie betroffen Foto: imago

BERLIN taz | Der Rat der EU-Staaten will die Vorschriften gegen Schadstoffe aus großen Industrie- und Landwirtschaftsbetrieben weniger stark verschärfen als die Europäische Kommission. Die Umweltminister verständigten sich am Donnerstag darauf, dass strenge Emissionsregeln nur für Agrarbetriebe mit höheren Tierzahlen gelten sollen als von der Behörde vorgeschlagen. Höfe jeglicher Größe, die besonders wenige Tiere pro Hektar halten, würden nach der Einigung von den Vorschriften nicht erfasst. Zwar wollten die Minister auch den Bergbau reguliert wissen, nahmen aber mehrere Ausnahmen etwa bei Versorgungsengpässen in Krisen auf.

„Die Richtlinie über Industrieemissionen ist das wichtigste EU-Instrument zur Regelung der Umweltverschmutzung durch Industrieanlagen und Intensivtierhaltungsbetriebe, zum Beispiel durch Stickoxide, Ammoniak, Quecksilber, Methan und Kohlendioxid“, teilte der Rat mit. Industrieanlagen und landwirtschaftliche Betriebe benötigen der Richtlinie zufolge eine Genehmigung, die nur erteilt werden soll, wenn diese die besten verfügbaren Techniken zur Reduzierung der Emissionen nutzen. Das können beispielsweise Filter sein.

Umweltverschmutzung schädige nicht nur Flora und Fauna, sondern verursache auch schwere Krankheiten, sagte Schwedens Umweltministerin Romina Pourmokhtari. Schweden hat derzeit die Ratspräsidentschaft inne. Ziel der EU für 2050 sei es, „die Umweltverschmutzung auf ein Niveau zu senken, das für die menschliche Gesundheit nicht mehr schädlich ist“. Die im Rat erzielte Einigung lege „strengere Regeln fest, um die Verschmutzung an der Quelle zu bekämpfen.“

Doch die Kommission wollte hier viel weitergehen und die Genehmigungspflicht auf Rinder-, Schweine- und Geflügelbetriebe mit mindestens 150 Großvieheinheiten ausweiten. Der Rat hat sich nun für einen Grenzwert von 350 Großvieheinheiten bei Rindern und Schweinen sowie 280 bei Geflügel ausgesprochen. Das entspricht nach dem Vorschlag der Mitgliedstaaten zum Beispiel 350 Milchkühen, rund 1.200 Mastschweinen und 40.000 Masthähnchen. Die Rinderhaltung war bisher gar nicht von der Richtlinie betroffen.

Ausnahmen für Höfe mit weniger Tieren pro Hektar

Für „extensive“ Schweine- und Rinderbetriebe verlangt der Rat eine Ausnahme. Bedingung ist, dass sie weniger als 2 Großvieheinheiten pro Hektar Land zum Weiden oder für die Futterproduktion halten. Das entspricht ungefähr dem Limit im Bio-Landbau. Die Grenzwerte sollen je nach Betriebsgröße erst 4 bis 6 Jahre nach Umsetzung einer Durchführungsverordnung gelten, die technische Details regelt.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke unterstützte den Beschluss im Rat. „Klimakrise und Umweltverschmutzung machen konsequentes Handeln in allen Sektoren dringend nötig. Für gesunde Luft und Wasser ohne Schadstoffe müssen auch Industrie und Tierhaltung ihren Beitrag leisten“, sagte die Grünen-Politikerin.

Ihr Parteifreund Agrarminister Cem Özdemir hatte sich dafür eingesetzt, den Schwellenwert in der Rinderhaltung auf 300 Großvieheinheiten anzuheben – also doppelt so viel wie von der Kommission verlangt. „Damit verhindern wir zusätzliche Belastungen insbesondere für kleinere landwirtschaftliche Betriebe, die den Umbau der Tierhaltung beeinträchtigen und negative Folgen für den ländlichen Raum haben könnten“, teilte Özdemir im Januar mit. Hintergrund ist auch, dass die aus Tierschutzgründen geförderten offenen Ställe Emissionen nicht so leicht senken können wie hermetisch abgeschlossene Anlagen.

Dem EU-Bauernverband Copa-Cogeca reicht allerdings auch der im Vergleich zum Kommissionsvorschlag laxere Ratsbeschluss nicht. Immer noch würden zu viele Familienbetriebe wie Industrieanlagen behandelt, kritisierte die Organisation. Der Umweltverband Compassion in World Farming dagegen klagte, dass der Rat „Agrarfabriken“ von den Emissionsregeln ausnehmen wolle. Dabei seien Tierhaltungsbetriebe in der EU für 53 Prozent aller Methanemissionen und den größten Teil der Ammoniakemissionen verantwortlich.

Bevor die neue Richtlinie in Kraft treten kann, müssen die EU-Staaten sich mit dem Parlament einigen. Die Abgeordneten haben bislang kein Verhandlungsmandat beschlossen.

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