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EU-Lateinamerika-GipfelBitte kein Wellengang

Jürgen Vogt

Kommentar von

Jürgen Vogt

Der EU-Lateinamerika-Gipfel wäre ideal gewesen, das Vorgehen der USA in der Karibik zu thematisieren. Doch viele Europäer kuschten vor Donald Trump.

Der Flugzeugträger „USS Gerald R. Ford“ Foto: Federico Gambarini/dpa

D ie Unterwürfigkeit gegenüber Donald Trump kennt keine Grenzen. „Die USA haben versucht, das Treffen zu sabotieren“, sagte der kolumbianische Gastgeberpräsident Gustavo Petro vor dem Gipfeltreffen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (Celac) im Badeort Santa Marta. Und der Druck zeigte Wirkung: Wie Dominosteine fielen die Staats- und Regierungschefs um und sagten ihr Kommen reihenweise ab. Von den erwarteten 60 Staatsoberhäuptern erschienen am Sonntag nur 9.

Die Begründung für die Absage von Bundeskanzler Friedrich Merz wirkt absurd. Merz bleibe fern, weil auch viele andere Staats- und Regierungschefs nicht kämen, ließ ein Regierungssprecher verlauten. Als wäre das nicht schon peinlich genug, übernahm EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diese Ausrede für ihre eigene Absage. „Angesichts der aktuellen politischen Agenda in Europa und der geringen Teilnahme anderer Staats- und Regierungschefs wird Präsidentin von der Leyen nicht an dem Gipfel teilnehmen“, hieß es aus Brüssel.

Demonstrativ war dagegen Brasiliens Präsident Lula da Silva angereist. Lula, gerade eigentlich im heimischen Belém mit der Eröffnung der Weltklimakonferenz COP30 beschäftigt, ist damit der einzige gewichtige Präsident, der sich nicht von Trump einschüchtern ließ. Das Treffen „macht nur Sinn, wenn wir über die Präsenz US-amerikanischer Kriegsschiffe in lateinamerikanischen Gewässern sprechen“, hatte Lula im Vorfeld gefordert. Damit lieferte er zugleich die Erklärung für den Druck der US-Regierung und das Einknicken seiner Amtskolleg*innen.

Dabei wäre Santa Marta der richtige Ort für eine hochrangig besetzte Debatte unter den direkt betroffenen lateinamerikanischen Staaten und den auf ihrem Kontinent auf Frieden drängenden EU-Staaten. Das Küstenstädtchen liegt nur etwa 100 Kilometer von jenem Gebiet in der Karibik entfernt, wo die US-Marine Boote versenkt, die laut Trump Drogen von Venezuela und Kolumbien in die USA schmuggeln. Die vorläufige Bilanz des völkerrechtlich umstrittenen militärischen Vorgehens der US-Regierung: mindestens 70 Tote und 18 versenkte Boote in der Karibik und im Atlantik.

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Ganz anders war die Situation beim letzten Gipfeltreffen vor zwei Jahren in Brüssel, als die europäischen Regierungen die Celac-Staaten dazu drängten, sich eindeutig gegen den Krieg Russlands gegen die Ukraine auszusprechen. Doch seit Donald Trump im Amt ist, hat sich die Welt verändert.

Die Europäer scheinen Trumps aggressivem Kurs im neu entdeckten „Hinterhof“ der USA nicht im Weg stehen zu wollen. Und sich mit einer Erklärung bei dem Gipfeltreffen positionieren möchten sie schon gar nicht. Die Furcht vor Strafzöllen oder einer Reduzierung der militärischen Unterstützung im Ukrainekrieg lässt sie zu fadenscheinigen Ausreden greifen und zweit- und drittrangige Vertretungen schicken.

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Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2026, Reise Know-How Verlag.
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