EU-Gipfel zum Brexit: Klare Kante gegen die Briten

Die erste Erklärung der 27 EU-Staaten zieht eine Grenze. Verhandlungen sollen aber erst starten, nachdem der britische Austrittsantrag eingereicht ist.

Zwei Menschen schütteln sich die Hand und gucken in die Kamera.

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon wird von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz begrüßt Foto: ap

BRÜSSEL taz | Kein neuer EU-Vertrag, kein Reformkonvent, auch keine Eile bei Reformen: Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt auch nach dem Brexit-Votum der Briten auf den Status quo. Zwar soll es im September einen „Reflexions“-Gipfel der Rest-EU in Bratislava geben. Doch auch davon werden keine neue Impulse erwartet.

Jetzt gehe es erst einmal darum, Einigkeit zu zeigen, sagte Merkel nach dem ersten Treffen der 27 verbleibenden EU-Staaten in Brüssel. Bei ihren Beratungen zum Brexit-Schock sollen sich die EU-Chefs an ihrer „Strategischen Agenda“ orientieren, sagte Merkel.

Diese Agenda war kurz nach der Europawahl 2014 verabschiedet worden. Sie war noch zusammen mit dem nun scheidenden britischen Premier David Cameron erarbeitet worden und setzt vor allem auf Wettbewerb und Bürokratieabbau – Cameron und Merkels Lieblingsthemen. Neu hinzugekommen ist nun die Sicherheit.

Keine Chance soll dagegen die Forderung nach einem „Aufbruch“ oder „Neustart“ in der EU erhalten. Dafür hatte sich das Europaparlament ausgesprochen – vergeblich. Auch Italiens Regierungschef Matteo Renzi und Griechenlands Premier Alexis Tsipras hatten ein wirtschaftspolitisches Umsteuern gefordert.

Eine Hintertür bleibt aber offen

Für Merkel ist dies jedoch nicht nötig. Der EU-Vertrag und die Leitlinien der EU-Kommission enthielten genügend Möglichkeiten für eine flexible Reaktion auf die neue Krise. Allerdings war der 2009 in Kraft getretene Lissabon-Vertrag nicht für den Austritt eines großen Staats wie Großbritannien konzipiert worden.

Selbst der Scheidungsparagraph 50 ist keine wirklich Hilfe, wie sich beim zweitägigen Krisengipfel in Brüssel zeigte. Er schreibt zwar vor, dass Großbritannien seinen Austritt beantragen muss – aber nicht, wann und wie. Ungeklärt ist auch, wer eigentlich mit London verhandeln soll. Dies führte beim EU-Gipfel zu merkwürdigen Verrenkungen.

So wurde der scheidende Premier Cameron betont herzlich empfangen, Kritik an seinem Crashkurs gab es keine. Merkel sagte zwar, dass Großbritannien seinen Austritts-Antrag so schnell wie möglich stellen sollte. Druck wird jedoch keiner gemacht.

In einem unverbindlichen „Statement“ betonen die 27 Rest-Europäer lediglich, dass man den Brexit „geordnet“ durchführen wolle. Es könne keinerlei Verhandlungen über die künftigen Beziehungen geben, solange London keinen Austritts-Antrag gestellt habe. Und einen Zugang zum Binnenmarkt, wie ihn die Briten wünschen, könne es nur geben, wenn alle Freizügigkeiten gewahrt werden, also auch die für die EU-Bürger.

Theoretisch könnte der Scheidungsantrag deshalb auch nicht schon im September kommen, sondern später – oder nie. Darauf hoffen den wohl auch einige EU-Chefs. Zwar bezeichnete Merkel den Brexit als „unumkehrbar“. Doch die vagen Gipfel-Beschlüsse sagen etwas anderes: Die EU lässt sich und den Briten eine Hintertür offen.

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