EU-Gipfel in Brüssel: Sackgasse Aleppo
Der Bürgermeister von Ost-Aleppo berichtet von Gräueln. Merkel wirft Iran und Russland Vergehen in Syrien und dem UN-Sicherheitsrat Versagen vor.
Das Drama um Aleppo überschattete den EU-Gipfel, bei dem unter anderem auch Beschlüsse zur Steigerung der Verteidigungsausgaben und längere Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise fielen. Während Merkel dem UN-Sicherheitsrat Versagen vorwarf, forderte Frankreichs Präsident François Hollande: „Die Zivilbevölkerung muss Aleppo verlassen können, ohne um ihr Leben fürchten zu müssen. Es sind noch 50.000 eingeschlossen.“
Hollande machte auch deutlich, dass für ihn auch Sanktionen gegen Russland wegen seiner Rolle im Syrien-Konflikt denkbar sind. Der Bürgermeister des umkämpften Ostteils der Stadt, Brita Hagi Hasan, warnte die Staats- und Regierungschefs vor den Folgen unterlassener Hilfe für die eingeschlossenen Menschen: „Sie sind kurz davor massakriert zu werden.“
Angesichts der Kriegsgräuel will die EU nach eigenem Bekunden alle verfügbaren diplomatischen Kanäle nutzen, um die Not der Menschen zu lindern. „Uns ist das Leiden nicht egal“, sagte Ratspräsident Donald Tusk. Ziel seien humanitäre Korridore nach Ost-Aleppo, freier Zugang für Helfer und eine Evakuierung unter internationaler Aufsicht. Tusk gestand allerdings ein, dass „wir nicht so effektiv sind, wie wir es gerne wären“. Er hatte den Bürgermeister von Ost-Aleppo zum Gipfel geladen, um „die Stimme der Menschen von Aleppo zu hören, zumindest auf diese symbolische Weise“. Merkel nannte dessen Bericht sehr deprimierend.
Laut der Leiterin der Mission des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Marianne Gasser, wurden bis zum späten Donnerstagabend trotz Verzögerungen durch Schüsse etwa 3000 Zivilisten und einige Verletzte aus der Stadt herausgebracht. Auch bei Dunkelheit lief die Mission demnach zunächst weiter, die Busse brachen erneut in die Rebellengebiete auf. Bis zuletzt sei nicht klar gewesen, ob die internationalen Helfer ihre Mission durchführen konnten. Mit tagelangen Verzögerungen bei der Evakuierung sei zu rechnen.
Wie die Nachrichtenagentur reuters berichtet, haben die Weißhelme und andere Bürgerrechtsgruppierungen ein 39-seitiges Schreiben an einen Untersuchungsausschuss der Vereinten Nationen geschickt, in dem sie Russland Kriegsverbrechen vorwerfen. Durch Luftangriffe russischer Kampfflugzeuge seien 1207 Zivilisten, darunter 380 Kinder ums Leben gekommen. Demzufolge gab es zwischen Juli und Dezember in der Region Aleppo etwa 304 Angriffe, für die mit großer Wahrscheinlichkeit Russland verantwortlich ist.
Dauerstreit Asylpolitik
Kaum voran kamen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel auch im Dauerstreit über die EU-Asylpolitik. Tusk räumte ein: „Wir wissen, dass noch mehr zu tun ist.“ Merkel hatte schon zu Beginn klargestellt, dass sie verstärkt auf den Kampf gegen Menschenschlepper und Fluchtursachen setzt. Die Debatte soll nach Tusks Worten beim informellen EU-Gipfel auf Malta im Februar fortgesetzt werden.
Die Kanzlerin traf gemeinsam mit Hollande und den Regierungschefs aus Italien und Spanien, Paolo Gentiloni und Manuel Rajoy, Mahamadou Issoufou, den Präsidenten des westafrikanischen Staates Niger. Dieser steht als Beispiel für die von der EU angestrebte „Migrationspartnerschaft“ mit Ländern Afrikas. Flüchtlingsströme möglichst dauerhaft zu reduzieren, das ist Merkels großes Ziel, es wird auch über ihren Erfolg oder Misserfolg bei der Bundestagswahl 2017 entscheiden.
Die Staats- und Regierungschefs bekannten sich aber erneut zum Flüchtlingspakt mit der Türkei. Tusk stellte dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan einen Gipfel Anfang 2017 in Aussicht. Dann könnte es auch um die Vertiefung der Zollunion mit Ankara gehen, sagte Tusk.
Verteidigung ausweiten
Ferner sind sich die 28 EU-Staaten nun auch grundsätzlich einig über den Ausbau ihrer Zusammenarbeit bei der Verteidigung. Sie bekannten sich dazu, zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen – also mehr für das Militär auszugeben.
Trotz Milliardenverlusten für die eigene Wirtschaft sprachen sie sich auch für die Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland bis mindestens 31. Juli 2017 aus. Verhängt worden waren sie 2014 wegen der Ukraine-Krise. Verlängert werden die Handels- und Investitionsbeschränkungen nun, weil das Minsker Waffenstillstandsabkommen nach wie vor nicht umgesetzt ist.
Auch mit einer weiteren Entscheidung stellten sich die 28 Staats- und Regierungschefs gegen Russland: Mit einer Zusatzerklärung wollen sie den Weg zur Ratifizierung des von Moskau scharf kritisierten Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine ebnen.
Das Abkommen lag auf Eis, weil niederländische Wähler im Frühjahr bei einem Referendum mehrheitlich dagegen gestimmt hatten. Die rechtsverbindliche Erklärung soll die Bedenken ausräumen. Sie hält vor allem fest, dass das Abkommen der Ukraine nicht die Tür zur EU-Mitgliedschaft öffnet. Es sieht deutlich engere Beziehungen sowie Zollfreiheit zwischen der Ukraine und der EU vor. Russland sieht die Westbindung der Ukraine grundsätzlich kritisch.
Ohne Großbritannien vereinbarten die 27 bleibenden Mitglieder auch einige Grundsätze für die Verhandlungen über den Brexit, die nächstes Jahr beginnen sollen.
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