EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag: Dicke Luft schon vor Beginn
Die EU-Staaten streiten über Gaspreisdeckel und den deutschen „Doppelwumms“ zur Entlastung. Es droht eine folgenschwere Pleite.
Deutschland und Frankreich konnten sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen und sagten überraschend die für kommende Woche geplanten Regierungsgespräche ab. Sie sollen im Januar nachgeholt werden. Streit gibt es auch über den bis zu 200 Milliarden Euro teuren deutschen „Doppel-Wumms“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz sein Entlastungspaket genannt hatte. Und um den Gaspreisdeckel, den 15 EU-Staaten mit Nachdruck fordern, den Berlin aber ablehnt.
Eigentlich sollten diese Probleme schon im Vorfeld ausgeräumt werden. Mit eigenen Vorschlägen wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag das monatelange, nervenzehrende Tauziehen beenden und den Weg zu bezahlbaren Gas- und Strompreisen weisen. Doch ihre Vorschläge stellen niemand zufrieden.
Von der Leyen schlägt zwei Kompromisse vor: 40 Milliarden Euro aus dem EU-Budget sollen umgewidmet werden, um damit Entlastungen von den exorbitanten Energiepreisen zu finanzieren. Außerdem sollen gemeinsame Gaskäufe für niedrigere Preise sorgen. Der Vorschlag der EU-Kommission betrifft allerdings nur 15 Prozent des Gesamtvolumens.
Kein fester Preisdeckel
Das reicht vielen EU-Staaten nicht – genauso wenig wie der „Not-Deckel“, den von der Leyen im Gasmarkt plant. Statt eines festen Limits sieht sie vor, dass im Fall extremer Preise als letztes Mittel ein „beweglicher“ Preisdeckel kommen könnte. Er soll sich an die Entwicklung an den internationalen Märkten anpassen und so extreme Ausschläge verhindern, wie es sie im Sommer gab.
Die Kommissionschefin kommt damit Deutschland und den Niederlanden entgegen, die einen festen Preisdeckel ablehnen. Berlin fürchtet, dass ein fixes Limit die Versorgungssicherheit gefährden könnte, weil Schiffe mit Flüssiggas dann nicht mehr Europa ansteuern würden, sondern lukrativere Regionen etwa in Asien.
Um dies zu verhindern, hatte Belgien einen „dynamischen“ Deckel vorgeschlagen. Doch selbst dieser Kompromiss findet sich im Kommissionsentwurf nur verwässert wieder – als letztes Mittel im akuten Notfall. Zudem ist von der Leyen viele Details schuldig geblieben, die praktische Umsetzung bleibt unklar. Beim EU-Gipfel am Donnerstag werden deshalb lange und hitzige Diskussionen erwartet.
„Dies wird der wichtigste Gipfel seit langem“, warnt der belgische Premier Alexander De Croo, der bereits seit dem Frühjahr einen Gaspreisdeckel fordert. Von einer „entscheidenden Etappe“ spricht die belgische Energieministerin Tinne Van der Straeten. Alles hänge jetzt von der schnellen Umsetzung ab.
Ähnlich äußerte sich Spaniens Energieministerin Teresa Ribera. „Obwohl Fortschritte in einem noch nie dagewesenen Tempo erzielt werden, sind wir noch weit davon entfernt, Lösungen zu finden, die auf Dauer Bestand haben können“, sagte sie. Die Vorschläge aus Brüssel reichten nicht aus.
Ganz anders klingt es in Berlin. Man rechne am Donnerstag zwar mit intensiven und langen Diskussionen, die sich bis in den Abend ziehen könnten, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Die Vorschläge gingen jedoch in die richtige Richtung. „Wir sind optimistisch, dass wir einen guten Kompromiss finden“, sagte ein Insider in Berlin.
Inflation in manchen Ländern bei 20 Prozent
Es wird höchste Zeit. Über die Energiekrise diskutiert die EU bereits seit einem Jahr, ohne greifbaren Erfolg. Die Preise für Gas und Strom sind regelrecht explodiert – nicht zuletzt, weil sich Deutschland und andere Mitgliedsstaaten bei ihren Kauf-Angeboten auf den Märkten wechselseitig überboten haben, wie von der Leyen am Mittwoch lauthals beklagte.
Wenn die 27 EU-Chefs keine Lösung finden, droht eine schwere Energie- und Wirtschaftskrise, mit zahlungsunfähigen Bürgern und insolventen Unternehmen. Die von den Energiepreisen getriebene Inflation ist jetzt schon außer Kontrolle: Die EU-Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg meldete am Mittwoch eine EU-weite Teuerungsrate für den September von 10,9 Prozent.
In den baltischen Ländern und in Ungarn liegt sie teilweise schon über 20 Prozent. Die offizielle Zielmarke in der Eurozone liegt dagegen bei zwei Prozent. Sie wurde schon im vergangenen Jahr gerissen. Die wirtschaftlichen Folgen von Russlands Krieg gegen die Ukraine haben die Inflation also von einem bereits vergleichsweise hohem Niveau aus weiter verschärft.
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