Deutsch-französisches Verhältnis: Es knirscht

Die politische Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland steckt in einer Krise. Es muss darum gehen, inhaltliche Unterschiede offen auszusprechen.

Emmanuel Macron und Olaf Schloz lachen in die Kamera

Nach außen hin nicht abgekühlt: Emmanuel Macron und Olaf Scholz am 20. Oktober 2022 Foto: Olivier Hoslet/Pool EPA/AP/dpa

Abkühlung, Verstimmung, Entfremdung, schreiben Medien zum deutsch-französischen Verhältnis, das anscheinend wie ein in die Jahre gekommenes Paar in eine Beziehungskrise schlittert. Ist das so schlimm? War die Herzlichkeit vielleicht nicht doch bloß viel Routine und der Eindruck eines beschönigenden Rückblicks auf die Versöhnung und eine längst traditionell gewordene Freundschaft? Jetzt wurde auch noch die lange geplante deutsch-französische Kabinettssitzung auf Januar verschoben, offenbar wegen Unstimmigkeiten in der gemeinsamen Energie- und Rüstungspolitik.

Immer hielt man sich an das historische Bild der Paarbeziehung: Adenauer und De Gaulle, Kohl und Mitterrand, Merkel und Macron. Die deutsch-französische Zusammenarbeit, die in vielen Bereichen wie Städtepartnerschaften und Jugendaustausch sehr konkret funktioniert, ist so zum Klischee geworden.

Denn gerade in einer von Krieg, Energiekrise und Klimakatastrophen heimgesuchten Gegenwart wäre es sinnvoll, über die gemeinsame Werte, Ziele, aber auch unterschiedliche Interessen offen zu diskutieren, ohne sich in eine vermeintliche Idylle hinwegzutrösten, die dann dem realpolitischen Alltag bei der erstbesten Belastungsprobe – wie zum Beispiel einer banalen Beschaffung von Rüstungsgütern oder der Regulierung des Energiemarktes – nicht Stand hält.

Seien wir ehrlich, die Meinungsunterschiede wurden seit längerem diplomatisch unter den Tisch gewischt. Es gab sie aber schon zur Zeit von Angela Merkel, die unter anderem sehr wohl wusste, wie sehr es Macron wurmte, dass seine hochfliegende Vision für Europa in Berlin wie andere Initiativen nur lauwarm begrüßt wurde.

Vorgegaukelte Eintracht

Dem Publikum der EU-Bürger*innen wurde aber weiter vorgegaukelt, dass nichts diese einträchtige Nachbarschaft trüben könnte. Macron wiederum nahm bei seinen außenpolitischen Sololäufen oder bei seiner Ankündigung gigantischer Atomenergiepläne, die eine definitive Absage an den in Deutschland programmierten Ausstieg waren, keinerlei Rücksicht auf deutsche Empfindlichkeiten.

Es knirscht an diversen Reibungsflächen. Diese müssen benannt und besprochen werden, damit in diesem in der EU einzigartigen Duo die Abstimmung auf wirklich gemeinsame Aktionen besser funktioniert. Ohne eine glaubwürdige Basis der Zusammenarbeit von Paris und Berlin drohen die zentrifugalen Tendenzen in der EU unter der Belastung des Kriegs und der Energiekrise weiter zu verschärfen. Ein Auseinanderdriften ist nicht akzeptabel.

Was es jetzt braucht, sind keine Sonntagsreden im Stil der Erklärung von Macron, der jüngst erklärte: „Mein Wunsch ist es, die Einheit Europas und die Allianz zwischen Deutschland und Frankreich zu bewahren.“ Das deutsch-französische Paar kommt im Interesse der ganzen EU nicht darum herum, die Divergenzen beim Namen zu nennen und auf der Grundlage der echten Gemeinsamkeiten die Partnerschaft neu zu erfinden.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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