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EU-GipfelKaterstimmung in Brüssel

Nach dem NATO-Treffen wissen viele EU-Länder nicht, wie sie die dort beschlossenen Rüstungsausgaben zahlen sollen. Kanzler Merz verbreitete Frohsinn.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hat beim Nato-Gipfel eine Ausnahme für sein Land erstritten Foto: Yves Herman/reuters

Brüssel taz | Katerstimmung beim EU-Gipfel in Brüssel: Einen Tag nach dem „historischen“ Nato-Treffen in Den Haag, bei dem eine massive Aufrüstung vereinbart worden war, fragten sich viele europäische Staats- und Regierungschefs, wo sie nun das viele Geld für Waffen und Munition hernehmen sollen. Für Ärger sorgten zu Beginn der europäischen Chefrunde auch die ungelösten Streitthemen Gaza und Migration.

Demonstrativ gute Laune verbreitete bei seiner Ankunft in Brüssel nur Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Nach seinem vermeintlichen Erfolg beim Nato-Gipfel – Deutschland war beim von US-Präsident Donald Trump diktierten Fünf-Prozent-Ziel für die Rüstung vorangegangen – begrüßte er die wartenden Journalisten strahlend: „Ich freue mich auf meinen ersten Europäischen Rat!“

Kurz darauf nahm Merz an seiner ersten Gipfelrunde teil – einem informellen Treffen der Hardliner in der Asyl- und Migrationspolitik. Seine Amtsvorgänger Olaf Scholz und Angela Merkel waren dieser rechtslastigen Runde, die von Italiens Postfaschistin Giorgia Meloni geführt wird, demonstrativ fern geblieben. Merz hingegen wurde herzlich begrüßt, trotz der umstrittenen deutschen Grenzkontrollen.

„Wir freuen uns, dass Deutschland zum ersten Mal dabei ist“, sagte der niederländische Regierungschef Bart De Wever, ein rechtslastiger flämischer Nationalist. De Wever hat selbst gerade verschärfte Grenzkontrollen in Belgien angekündigt – offenbar als Reaktion auf die deutsche Praxis. Wegweisende neue Beschlüsse zur Migration wurden beim EU-Gipfel aber nicht erwartet.

Finanzierung der Aufrüstung in vielen Ländern unklar

Auch über Rüstung und Verteidigung – Merz’ zweites Lieblingsthema – wollten die EU-Chefs nicht mehr lange beraten. Beim Nato-Gipfel sei alles gesagt worden, hieß es. Dabei wissen die meisten EU-Länder nicht, wie sie die Hochrüstung bezahlen sollen. Der niederländische Regierungschef Dick Schoof sagte, dass er keine neuen Schulden machen wolle – dabei wird es ohne kaum gehen.

Die EU hat ihren Mitgliedern empfohlen, die so genannte nationale Ausweichklausel zu nutzen, um die steigenden Verteidigungsausgaben zu finanzieren. Damit können sie die strikten Schuldenregeln umgehen. Außerdem hat Brüssel einen 150 Milliarden Euro schweren Rüstungsfonds aufgelegt, der Darlehen zu günstigen Konditionen vergibt. Schoof will jedoch keine dieser Möglichkeiten nutzen.

Für Wirbel sorgte auch Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez. Er hat beim Nato-Gipfel eine Ausnahme für sein Land erstritten. Bei der EU setzte er sich nun für eine klare Verurteilung Israels wegen der Lage in Gaza ein. Sánchez sprach von einer „katastrophalen Völkermordsituation“ und forderte, das Assoziierungsabkommen mit Israel umgehend auszusetzen. Dies lehnt jedoch Merz strikt ab.

Sánchez verwies auf einen Bericht des Auswärtigen Dienstes der EU zur Krise im Gazastreifen. Demnach gibt es zahlreiche Hinweise darauf, „dass Israel seine Menschenrechtsverpflichtungen verletzt“ haben könnte. Außenminister Johann Wadephul hat jedoch bereits am Montag eine Aussetzung der Kooperation mit Israel blockiert. Merz wollte diese Haltung beim EU-Gipfel bekräftigen.

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7 Kommentare

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  • Vielleicht einfach ein wenig kreative Buchführung? zB könnten die Länder doch gegenseitig irgendwelches Armeezubehör bei einander leasen. Dann hat man die Verteidigungsausgeban, aber das Geld kommt hintenrum wieder rein.

  • Sieh einer an, Sanches der an allen Seiten unter Druck steht, zeigt Rückgrat.



    Merz kennt weder das Wort, noch die Haltung.

  • Dann machen wir es halt anders! 5%, aber wir kaufen nicht eine Patrone in USA! Machen wir selber, obwohl wir etwas länger brauchen! So wie der Trump gestrickt ist, wacht er garantiert auf! Nur leider sind unsere Politiker komplett unfähigbund wollen jedem Streit aus dem Weg gehen! Meinen die ernsthaft, so wird man ernst genommen???

  • "der niederländische Regierungschef Bart De Wever, ein rechtslastiger flämischer Nationalist" und natürlich Ministerpräsident von Belgien.

  • Man kann doch nicht 5% des BIP für Militärausgaben beschließen, um sich dann umzuwenden und nicht zu wissen, wie man derartige Ausgaben zukünftig finanzieren kann.

  • Erwartbar.

  • „Wir freuen uns, dass Deutschland zum ersten Mal dabei ist“, sagte der niederländische Regierungschef Bart De Wever



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