EU-Gipfel: Katerstimmung in Brüssel
Nach dem NATO-Treffen wissen viele EU-Länder nicht, wie sie die dort beschlossenen Rüstungsausgaben zahlen sollen. Kanzler Merz verbreitete Frohsinn.

Demonstrativ gute Laune verbreitete bei seiner Ankunft in Brüssel nur Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Nach seinem vermeintlichen Erfolg beim Nato-Gipfel – Deutschland war beim von US-Präsident Donald Trump diktierten Fünf-Prozent-Ziel für die Rüstung vorangegangen – begrüßte er die wartenden Journalisten strahlend: „Ich freue mich auf meinen ersten Europäischen Rat!“
Kurz darauf nahm Merz an seiner ersten Gipfelrunde teil – einem informellen Treffen der Hardliner in der Asyl- und Migrationspolitik. Seine Amtsvorgänger Olaf Scholz und Angela Merkel waren dieser rechtslastigen Runde, die von Italiens Postfaschistin Giorgia Meloni geführt wird, demonstrativ fern geblieben. Merz hingegen wurde herzlich begrüßt, trotz der umstrittenen deutschen Grenzkontrollen.
„Wir freuen uns, dass Deutschland zum ersten Mal dabei ist“, sagte der niederländische Regierungschef Bart De Wever, ein rechtslastiger flämischer Nationalist. De Wever hat selbst gerade verschärfte Grenzkontrollen in Belgien angekündigt – offenbar als Reaktion auf die deutsche Praxis. Wegweisende neue Beschlüsse zur Migration wurden beim EU-Gipfel aber nicht erwartet.
Finanzierung der Aufrüstung in vielen Ländern unklar
Auch über Rüstung und Verteidigung – Merz’ zweites Lieblingsthema – wollten die EU-Chefs nicht mehr lange beraten. Beim Nato-Gipfel sei alles gesagt worden, hieß es. Dabei wissen die meisten EU-Länder nicht, wie sie die Hochrüstung bezahlen sollen. Der niederländische Regierungschef Dick Schoof sagte, dass er keine neuen Schulden machen wolle – dabei wird es ohne kaum gehen.
Die EU hat ihren Mitgliedern empfohlen, die so genannte nationale Ausweichklausel zu nutzen, um die steigenden Verteidigungsausgaben zu finanzieren. Damit können sie die strikten Schuldenregeln umgehen. Außerdem hat Brüssel einen 150 Milliarden Euro schweren Rüstungsfonds aufgelegt, der Darlehen zu günstigen Konditionen vergibt. Schoof will jedoch keine dieser Möglichkeiten nutzen.
Für Wirbel sorgte auch Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez. Er hat beim Nato-Gipfel eine Ausnahme für sein Land erstritten. Bei der EU setzte er sich nun für eine klare Verurteilung Israels wegen der Lage in Gaza ein. Sánchez sprach von einer „katastrophalen Völkermordsituation“ und forderte, das Assoziierungsabkommen mit Israel umgehend auszusetzen. Dies lehnt jedoch Merz strikt ab.
Sánchez verwies auf einen Bericht des Auswärtigen Dienstes der EU zur Krise im Gazastreifen. Demnach gibt es zahlreiche Hinweise darauf, „dass Israel seine Menschenrechtsverpflichtungen verletzt“ haben könnte. Außenminister Johann Wadephul hat jedoch bereits am Montag eine Aussetzung der Kooperation mit Israel blockiert. Merz wollte diese Haltung beim EU-Gipfel bekräftigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nato-Gipfel
Europäischer Kniefall vor Trump
Wirtschaftsministerin gegen Klimaziele
Reiche opfert uns den Reichen
Psychisch kranke Flüchtende
Konsequente Hilfeverweigerung
Geheimdienst-Gremium ohne Linke und AfD
Heidi Reichinnek fällt durch
Spahns Maskenaffäre
Erfolgreich versenkt
Grenzen der DNA-Analyse
Mehr Informationen oder mehr Rassismus?