piwik no script img

EU-Entscheidung über HormongifteHendricks soll Stoffe stoppen

NGOs und Grüne fordern Umweltministerin Barbara Hendricks dazu auf, in Brüssel gegen Hormongifte zu stimmen.

Es könnte der geltende Verbotsgrundsatz bei Hormongiften in Pestiziden aufgehoben werden, warnen Fachpolitiker Foto: dpa

Berlin taz | Dürfen Gifte gegen Unkräuter und Insekten, Desinfektions- oder Holzschutzmittel weiterhin Hormongifte enthalten? Darüber will das zuständige Gremium in Brüssel am Dienstag wieder einmal abstimmen. Seit Jahren ringt die Europäische Union um Gesetze für die sogenannten Endokrinen Disruptoren (EDC), eine Gruppe ganz unterschiedlicher Chemikalien, die auf das Hormonsystem von Mensch und Tier wirken. Sie können Brust- und Hodenkrebs auslösen, zu Entwicklungsauffälligkeiten bei Kindern führen oder zu Fehlbildungen der Geschlechtsorgane und Unfruchtbarkeit.

Eigentlich sind EDCs in der EU schon seit acht Jahren verboten, doch ihre Institutionen schaffen es nicht, sich auf eine Definition für die Stoffe zu einigen. Mehrmals wurden Entscheidungen dazu verschoben. Nun gibt es einen neuen Kompromissvorschlag, nach dem eine Chemikalie dann als EDC eingeordnet wird, wenn sie eine „schädigende Wirkung für die menschliche Gesundheit“ hat, etwa die Entwicklung, Fortpflanzung oder die Widerstandskraft gegen Krankheiten mindert; wenn sie „endokrin“, also über den Blutkreislauf wirkt, und drittens „eine Kausalbeziehung zwischen der schädigenden Wirkung und der endokrinen Wirkungsweise besteht“.

Der Teufel steckt aber auch diesmal im Detail, warnen Umwelt- und Verbraucherorganisationen. Der bestehende Kommissionsvorschlag erfordere eine „unrealistisch hohe Beweislast“, schreiben sieben Organisationen, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), das Pestizidnetzwerk PAN und das Münchner Umwelt­institut in einem gemeinsamen Statement. So müsse nicht nur nachgewiesen werden, dass ein Stoff das Hormonsystem schädige, sondern auch noch, wie.

Außerdem habe die Bundesregierung in den Vorschlag hineinverhandelt, dass Pflanzenschutzmittel, die direkt das Hormonsystem von Schädlingen angreifen sollen, nicht als EDC behandelt werden. „So können Hersteller eine Regulierung umgehen, indem sie ihre Chemikalien entsprechend ausweisen“, sagt Alexandra Caterbow von der Organisation HEJSupport, die das NGO-Statement ebenfalls unterzeichnet hat.

Hendricks könnte eine Enthaltung erwirken

Ob der Vorschlag der Kommission eine Mehrheit im „Ständigen Ausschuss“ findet, hängt aufgrund des Abstimmungsverfahrens auch an der Position der bevölkerungsreichen Bundesrepublik. Die Konfliktlinien seien ähnlich wie bei der Entscheidung über das Ackergift Glyphosat, erklärt Caterbow, das Landwirtschaftsministerium sei für industriefreundliche Regelungen, das Umweltministerium setze sich eher für Umwelt- und Gesundheitsschutz ein. Im Falle der Glyphosatzulassung konnte Umweltministerin Barbara Hendricks eine Enthaltung erwirken. Bei den EDCs scheine die Ministerin einzuknicken, fürchtet Caterbow.

Die grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner, Nicole Maisch und Peter Meiwald fordern Hendricks daher in einem offenen Brief auf, die „Zustimmung zu den vorgeschlagenen Kriterien zurückzuziehen“. Mit der Vorlage der Kommission werde „der geltende Verbotsgrundsatz bei Hormongiften in Pestiziden und Bioziden aufgehoben“, warnen die Fachpolitiker. Aus dem Bundesumweltministerium heißt es, wie man abstimme, hänge davon ab, was die Kommission letztlich wirklich vorschlage.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Es kann ja nicht sein ,daß alle Ressourcen als Hornberger Schießerei für den Glyphosatwiderstand verbraucht wurden, weil die Hormone doch ungleich schädlicher sind ,als dieser Wirkstoff Glyphosat.