Bio-Lebensmittel: Weitgehend frei von Pestiziden
Laut einer Untersuchung enthalten Bioprodukte deutlich weniger Spritzmittel als konventionelle Lebensmittel. Die Europäische Kommission hatte das bezweifelt.
Biolebensmittel sind auch EU-weit bedeutend weniger mit Pestiziden belastet als konventionelle Ware. Während Pflanzenschutzmittel 2015 in rund 47 Prozent der herkömmlichen Nahrungsmittelproben aus der EU, Norwegen und Island gefunden wurden, betrug die Rate bei Ökoprodukten nur 14 Prozent. Die Dosen waren verschwindend gering: Lediglich 0,7 Prozent der Bioproben und 2,9 Prozent der konventionellen lagen über dem gesetzlich erlaubten Höchstwert.
Das geht aus dem vergangene Woche veröffentlichten Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hervor, für den insgesamt etwa 85.000 Proben – davon 5.300 Bioprodukte – untersucht worden sind. Zu ähnlichen Ergebnissen sind auch Auswertungen für Deutschland oder einzelne Bundesländer gekommen. Sie widersprechen Behauptungen der EU-Kommission, die für Ökolebensmittel einen eigenen, besonders niedrigen Pestizidgrenzwert einführen will.
Besonders groß ist der Unterschied zwischen Bio und Konventionell bei Früchten und Nüssen: In 14 Prozent der Öko- und 67 Prozent der konventionellen Proben wurden Pestizide festgestellt.
Nur 3 Prozent der Bioproben enthielten mehr als ein Pestizid, wie die Efsa auf Anfrage der taz ergänzte. Dieser Anteil ist weiter unter dem Durchschnitt für alle Lebensmittel, der bei 28 Prozent lag.
Laut Efsa rühren die Rückstände in Bioessen meistens von Pestiziden her, die im Ökolandbau zugelassen sind: Kupfer, Spinosad, Azadirachtin und Pyrethrine. Betrug spielt also nur eine sehr kleine Rolle. Spuren von Mitteln wie dem mittlerweile verbotenen DDT seien auf die Verseuchung des Bodens in der Vergangenheit zurückzuführen. Die Funde anderer Wirkstoffe erklärt die Efsa damit, dass die Chemikalien von konventionellen Nachbarfeldern herüberwehen – oder dass herkömmliche Ware fälschlicherweise als „Bio“ deklariert wird.
Die EU-Kommission hat in ihrem Entwurf für eine neue Ökoverordnung einen Grenzwert für unerwünschte Stoffe in Biolebensmitteln gefordert, der so niedrig wie bei Babynahrung sein soll. Schließlich würden Ökokäufer pestizidfreie Ware erwarten.
„Bio-Bauern wirtschaften nicht auf einer Insel“
Den Einwand, dass staatliche Untersuchungen fast keine Ackerchemierückstände in Biolebensmitteln ergäben, bezeichnete Agrarkommissar Phil Hogan im Januar in der taz als „Fake News“. In einigen Bioprodukten gebe es „ganze Cocktails von Pestiziden“. Er stellte auch infrage, dass die Mengen im Vergleich zu konventionellen Produkten sehr klein seien.
„Bioprodukte weisen signifikant geringere Belastungen mit Pestiziden auf, wie der Efsa-Bericht zeigt“, sagte der taz Joyce Moewius, Sprecherin des deutschen Biodachverbands Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). „Dass Ökoprodukte trotzdem mit Pestiziden kontaminiert werden, obwohl Biobauern chemisch-synthetische Pestizide gar nicht einsetzen, liegt daran, dass sie nicht auf einer Insel wirtschaften. Biobauern haben Nachbarn, die solche Mittel benutzen dürfen.“ Wolle Hogan weniger Pestizide in der Umwelt und in den Produkten, müsse er die Anwendung der Chemikalien beschränken.
Die EU-Kommission ließ eine Bitte der taz um Stellungnahme unbeantwortet.
Leser*innenkommentare
Pink
Die Lügen der Macher innerhalb der WHO hatten diese Woche gesegnete Mahlzeiten. An der Börse.
Waage69
Der konventionelle Bauer auf der Abbildung benutzt augenscheinlich immerhin schon mal kein Glyphosat, da er "clear screen" für die Neuaussaat effektiv aber nicht gerade spritsparend durch Pflügen schafft. Eventuell ist es ja auch ein Biobauer, gibt ja auch welche mit großen Traktoren...
81331 (Profil gelöscht)
Gast
@Waage69 "Der konventionelle Bauer auf der Abbildung benutzt augenscheinlich immerhin schon mal kein Glyphosat...", dafür aber möglicherweise 4 - 5 andere, hochgiftige Mittelchen.
yohak yohak
Wenn Bio-Lebensmittel ohnehin weitgehend frei von Pestiziden sind, dann ist ja wohl auch unproblematisch, für Biolebensmittel einen "eigenen, besonders niedrigen Pestizidgrenzwert" einzuführen, wie das die EU-Kommission vorschlägt.
Wozu also die Aufregung, um nicht zu sagen "Stimmungsmache" gegen die EU-Kommission? Grenzwerte, die sowieso eingehalten werden, weil Biolebensmittel bereits jetzt in Sachen Pestizidbelastung vorbildlich sind, können logischerweise Gedeihen, Wachstum und Profite der Biolebensmittelbranche nicht behindern.
Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt, Autor des Artikels
Darüber ließe sich diskutieren.
Hier geht es aber erst einmal um bestimmte, zentrale Argumente pro Grenzwert. Und die scheinen nicht zu stimmen.
Möglicherweise wäre es so, dass wenn es einen neuen Grenzwert gäbe, seine Einhaltung mit einem hohen Aufwand kontrolliert werden müsste. Da Pestizide kein großes Problem sind, wäre dieser Aufwand evtl. nicht angemessen.
Susanne Günther
@Jost Maurin Aber die Produkte werden doch eh stichprobenartig kontrolliert - egal, welche Grenzwerte gelten. Der Grenzwert ist das eine und die geforderte Kontrollroutine das andere. Wenn ich Grenzwerte senke, heißt das ja nicht, dass ich automatisch die Kontrollroutine ändere, oder? Die landwirtschaftlichen Betriebe selbst müssen ja auch keine Kontrollen durchführen. Auch in Sachen Bürokratie würde sich für den Betrieb erst einmal nichts ändern - es sei denn, seine Produkte fallen irgendwann einmal negativ auf. Der Aufwand für Kontrollen ändert sich doch nicht, wenn ich die Werte ändere.
36855 (Profil gelöscht)
Gast
@Jost Maurin Der Aufwand wäre nicht angemessen, er wäre auch für kleinere Betriebe finanziell nicht zu stemmen.
Waage69
@36855 (Profil gelöscht) Sehe ich auch so.