piwik no script img
taz logo

E-Scooter-Unfälle nehmen zuPraktisches Teufelszeug

Klaudia Lagozinski
Kommentar von Klaudia Lagozinski

Die Zahl der verletzten und verunglückten E-Rollerfahrer steigt. Sie wirken zu harmlos und sind zu unbedacht verfügbar. Und das ist ein Problem.

Besser auf den Müll statt auf die Straße mit den E-Scootern Foto: Britta Pedersen/dpa

D as Hauptproblem von E-Rollern: Das Risiko wird nicht richtig eingeschätzt. Sie wirken simpel und harmlos. Und werden bedenkenlos und spontan genutzt. Kein Helm dabei? Kein Problem!

Die Zahl Unfälle ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent gestiegen: über 9.400 Menschen wurden bei E-Rollerfahrten verletzt. Die Zahl der Toten bei diesen Unfällen verdoppelte sich erneut in einem Jahr: von 11 auf 22. Im Jahr 2021 waren es laut ADAC fünf Todesopfer. Von den Verletzten waren 2023 41,6 Prozent jünger als 25 Jahre.

E-Roller sind in vielen Städten verfügbar und verleiten dazu, viele Wege schneller zu bewältigen. „Was soll schon passieren?“, und „Macht doch jeder!“, denken sich viele, öffnen die App, scannen den QR-Code und düsen los. Ähnliche Gedanken hatte wahrscheinlich der CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann nach einem Abend mit Freunden. Seine Fahrt endete mit Polizeikontrolle und der Feststellung von 1,3 Promille im Blut. Er gab freiwillig seinen Führerschein ab. Wenigstens blieb er körperlich unversehrt.

Fürs Klima unerheblich

Mitte Juni 2019 wurden die schweren Wegverkürzer auf Deutschlands Straßen losgelassen. Ein Argument damals: Sie seien gut fürs Klima. So viel für das Klima bringen sie aber gar nicht. Eine Studie zeigte, dass lediglich 5,5 Prozent der E-Roller-Fahrten eine Fahrt mit dem Auto ersetzen. Ganz abgesehen davon, dass sie oft zerstört werden. Oder in Flüssen landen und ersetzt werden müssen.

Einen Führerschein brauchen Fahrer nicht, müssen aber mindestens 14 Jahre alt sein. Um einen Scooter zu mieten, muss man volljährig sein. Nur 15 Jahre war alt wurde eine Fahrerin in Meckenheim, die von einem Bus erfasst wurde und noch am Unfallort starb.

Auch ich nutzte einen Sommer lang oft Leihroller. Der Herbst kam, ich cruiste weiter. Bis zum November, als ich eines Abends nicht merkte, dass die Temperaturen unter null gefallen waren, eine unsichtbare, dünne Schicht Eis auf der Straße lag, der Roller ins Rutschen kam und ich frontal mit dem Gesicht auf den Asphalt knallte.

Wahrscheinlich war es Glück, dass meine Nase und Zähne den Sturz abfederten und beim Aufprall brachen – und nicht mein Schädel. Sonst wäre ich möglicherweise nicht in der Statistik der Verletzten, sondern in der, die sich im letzten Jahr verdoppelt hat, gelandet. Und nicht nach 11 Stunden in der Notaufnahme vergipst und genäht nach Hause gegangen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Klaudia Lagozinski
Nachrichtenchefin & CvD
Immer unterwegs. Schreibt meistens über Kultur, Reisen, Wirtschaft und Skandinavien. Meistens auf Deutsch, manchmal auf Englisch und Schwedisch. Seit 2020 bei der taz. Master in Kulturjournalismus, in Berlin und Uppsala studiert. IJP (2023) bei Dagens ETC in Stockholm.
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Naja, wer das Wetter nicht im Blick hat und einfach so unbedacht draufloslosdüst, noch dazu im November mit 'nem Zweirad, dem ist irgendwie nicht mehr zu helfen, und der/die muss wohl auch mal auf unsafte wieder Weise geerdet werden. Hauptsache es kommt dadurch niemand anderes zu Schaden. Bei Kfz-Unfällen heißt es dann immer, Grund war eine unangepasste Fahrweise.

  • Die Verkehrswende: Wasch mich, aber mach mich nicht naß!



    Ich verwende die Dinger öfter, weil sie einfach praktisch sind. Während der EM war die ganze Innenstadt für die Roller gesperrt. Dann haben die keinen Sinn mehr und ich bin wieder mit dem Auto anstatt 2 km quer durch, 5 km um die Stadt herum gefahren.



    Das Argument, nur 5% der Autofahrten würden durch die Roller ersetzt verfängt nicht, denn daran gemessen dürfte Deutschland - gemessen an der Welt-CO2-Produktion, auf jegliche Reduktionsmaßnahmen sofort verzichten! Es gibt keinen einzigen Ersatz für den PKW, es wird immer ein Mix aus verschiedenen Lösungen sein müssen, wovon E-Roller eine sein könnte.

    • @Jäger Meister:

      "...anstatt 2 km quer durch..."

      Die langen Dinger unten am Körper nennen sich Beine und sind hervorragend zum laufen geeignet 😉

  • Es amüsiert mich immer etwas, erwachsene Menschen auf Rollern zu sehen.

    Ich kann mich noch erinnern, wie stolz ich war, als ich endlich vom Roller aufs Fahrrad umsteigen durfte. Ich war kein Kleinkind mehr...

  • Die Dinger werden 20 km/h schnell, warum keine Helmpflicht besteht werden die wissen, die auch beim Fahrrad keine Helmpflicht und bei Motorradfahrer keine verpflichtende Schutzkleidung wollen. Der verantwortungsbewusste Fahrer steht im FDP-Parteiprogramm, hat mit der Realität aber nichts zu tun.

    • @Bambus05:

      Die Helmpflicht will man nicht, weil das Praktikabilität und Attraktivität und damit die Nutzung senkt.

      Hier lohnt der Vergleich mit den Niederlanden. Dort fährt auch fast niemand mit Helm, weil man die Gefahrenquellen – hier sind in erster Linie PKW zu nennen – in den Griff bekommen hat.

    • @Bambus05:

      Nennt sich Eigenverantwortung. Noch mehr Nanny-Staat brauchen wir nicht. Wie konnte ich 54 Jahre Fahrrad ohne Helm überleben? By the way, beim 100 Meter Lauf komme ich auch auf 20 km/h. Nach Ihrer Denke mit Helm?

  • Nach der Zahl der auf dem Radweg vor den Deutschen Fußballmuseum abgestellten Vehikel waren sie in größerer Anzahl offenbar für die beliebten Kurzstrecken bei der EM (Bahnhof, Museum, Stadion oder Public Viewing) sehr nützlich. Mich wundert es bei der katastrophalen Situation des (Wild-)Parkens der Gefährte, dass nicht mehr RadfahrerInnen in der Notaufnahme landen bzw gelandet sind. Eine besondere Unsitte: Den Radweg auf der Gegenseite mit Scootern nutzen und nicht im mindesten ausweichen als/bei Gegenverkehr, egal was oder wer kommt. Die sonst sehr agile Dortmunder Fahrradstaffel der Polizei könnte vielleicht mal ins Auge fassen, hier "einzuschreiten".

  • Es sind nicht die Roller, sondern die fehlenden bzw. nicht eingehaltenden Regeln, die das Problem sind. Würden die brav alleine, nüchtern, mit Helm auf den Radwegen fahren und am Ende das Ding an einer Stelle parken, wo es nicht im Weg ist....niemand würde sich darüber aufregen.



    Man hat nur leider das Gefühl, dass weder der Gesetzgeber noch die Betreiber Interesse daran haben, das zu erreichen. Helm hab ich auf den Dingern noch nie gesehen, Besatzung 2+. Wenn dann Touri-Papa mit Tochter (10) hinten und Sohn (6) vorn dahinprescht, während Mutti von hinten einhändig film-fährt...dann möchte man schreien.

    Ja, Verletzungen und Todesfälle werden zunehmen, solange die Dummheit nicht abnimmt. Und da sehe ich keinen Anhalt für.

  • Ich war drei Tage auf einem Kongress in Kassel und musste, weil meine Airbnb Unterkunft nicht zur Verfügung stand, in einem Hotel etwas außerhalb wohnen. Ich bin dann jeden Tag mit einem E-Scooter ungefähr 3 km zum kongresszentrum gefahren und abends diese drei Kilometer zurück. Da ich diese E-Scooter aus meinem Heimatort nicht kenne, ich wohne auf dem Dorf, war das trotzdem irgendwie lustig für mich. Ich hatte ziemlichen Respekt und Angst mich hinzulegen, hatte aber trotzdem Spaß bei der Fahrt. Ich finde die Dinger daher eher lustig und praktisch. Ich sehe aber auch das Problem das Missbrauchs Punkt und ich finde es auch scheiße dass in Köln viele dieser Roller im Rhein gelandet sind.

  • Praktisches Teufelszeug.

    Mir hat sich die Praktikabilität noch nicht erschlosssen. Kurze Strecken (ohne Gepäck) bis 3 km gehe ich immer zu Fuß, längere Strecken bis 10 Km nach Zeit, Lust und Wetter. Ansonsten bin ich wenig geneigt im deutschen Regen durchnässst auf eeinem E-Scooter an meinem Ziel anzukommen.

  • Ganz ehrlich, wer nicht beim Anblick der Roller verbunden mit der zu erreichenden Geschwindigkeit vor dem Gebrauch zurückschreckt, sollte sich generell mal Gedanken machen, wie das Verhältnis zur eigenen Gesundheit so ist.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Die Dinger fahren 20 km/h. Als ich noch jünger war, lag mein Tempo beim 100m Sprint bei ca. 27km/h und einen Helm hatte ich beim Laufen auch nicht auf.

  • Wenn der eigentliche optimistische Zweck, Auto- durch E-Scotter-Fahrten zu ersetzen, nicht erfüllt wird, können diese offensichtlich gefährlichen Fahrzeuge auch verboten werden. Zumeist werden sie nur zu Spaßfahrten verwendet. Und auch dort sind viele Nutzer offenbar nicht in der Lage, sich an die grundsätzlichsten Regeln zu halten: nicht auf dem Fußweg, nicht zu zweit.

    • @Vigoleis:

      Fahrrad, Skateboard, Rollschuhe dann bitte auch verbieten.

    • @Vigoleis:

      Im Regionalverkehr mit den Öffis gibt's doch einige und nicht wenige KundInnen, die einen Roller - zusammengeklappt als Gepäckstück - mitführen, weil sie sicher nicht neben dem Bahnhof wohnen oder arbeiten, auch nicht in Fußweite. Die entlasten im Ballungsraum Rhein-Ruhr tatsächlich die Situation auf den Straßen zur Rush Hour. Und im Fahrradsektor der Züge sind die Scooter in Lücken gut zu verstauen, manche unter den Sitzen.

  • Das Problem steht auf dem Scooter. Falsche Kleidung (Helm, Handschuhe), Unvernunft (Fahrstil, Alkohol), Unerfahrenheit, Unbesorgtheit und Rücksichtlosigkeit führen meist zu diesen Unfällen. Der Scooter kann da nichts dafür. Er kann auch nichts dafür, dass man ihn einfach mitten im Weg stehen lässt, oder ein paar Idioten in ins Wasser werfen. Zudem sind die kleinen Rollen bei Nässe und Laub auf der Fahrbahn viel zu rutschig. Theoretisch könnten sie zur CO2-Reduzierung beitragen, praktisch sind sie eher ein Fanartikel geworden.