Durchbruch beim Corona-Impfstoff: Ein Robert-Koch-Moment
Die Unternehmen Biontech und Pfizer haben einen historischen Durchbruch geschafft: Mit einem neuen Impfstoff auf Basis der mRNA-Technologie.
Z um ersten Mal in der Geschichte der Menschheit erweist sich ein Impfstoff auf Basis der mRNA-Technologie als wirksam in der breiten klinischen Anwendung. Ist das ein historischer Moment, so wie Robert Kochs Entdeckung des Tuberkulose-Erregers – oder nur der Versuch, einen herbeizuschreiben?
Immerhin ist sicher, dass zum ersten Mal in der Geschichte der Coronapandemie zwei Unternehmen sehr gute Daten aus der entscheidenden dritten Stufe einer klinischen Studie veröffentlichen, die zeigen: Da wirkt ein Impfstoff gegen Sars-CoV-2. Die deutsche Biontech hält die Patente und hat es gemeinsam mit dem amerikanischen Partner Pfizer als Erste geschafft. Der ironische Nebeneffekt der Geschichte: Just in der Woche, in der Donald Trump, der Zerstörer des Multilateralismus, abgewählt ist, zeigen zwei Unternehmen, wie segensreich internationale Zusammenarbeit ist.
Es ist praktisch auszuschließen, dass die Angaben zur Wirksamkeit nur ein PR-Gag der Unternehmen ist, das würde sofort auffallen und wäre kapitaler Selbstmord: Zulassungsbehörden aus aller Welt werten die Ergebnisse der Impfstudien parallel aus, die erhalten sämtliche Rohdaten aus den Kliniken weltweit, die über 30.000 Proband*innen geimpft haben, direkt und ungefiltert. Dennoch sind entscheidende Fragen offen, vor allem zur Sicherheit des Impfstoffs. Daran könnte er noch scheitern.
Doch sollte er Erfolg haben, ist der 9. November 2020 eben der Tag, der zum Symbol des Durchbruchs einer Technologie wird. Nach fast 30 Jahren Forschung und Entwicklung könnten individuell angepasste Impfstoffe auf Basis der mRNA-Technologie bald auch gegen verschiedene Formen von Krebs wirken.
Doch zwei nicht unerhebliche Einschränkungen sind zu beachten: Es gibt derzeit zwar keinen Grund anzunehmen, dass Impfstoffe auf mRNA-Basis unerwartete Nebenwirkungen haben. Es gibt aber auch keinen Vergleichsfall. Dass ausgerechnet ein Impfstoff auf Basis einer neuen Technologie bald vorläufig zugelassen und millionenfach verabreicht wird: da braucht es sehr viel und verständliche Aufklärung zur Sicherheit und strenges Monitoring.
Der zweite Punkt: Massen von Impfstoff müssen bei minus 70 Grad gelagert werden. Das macht eine globale Verteilung umso komplizierter. In Ländern des Globalen Südens drohen Hunderte Millionen Menschen in extreme Armut zu fallen, wenn dort die Pandemie nicht schnell gestoppt wird. Doch ausgerechnet sie werden von dem Hightech-Impfstoff zunächst am wenigsten profitieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren