Drittes TV-Triell vor der Wahl: Weder Kennedy noch Nixon

In der Klimafrage ließ Annalena Baerbock sowohl Armin Laschet als auch Olaf Scholz verdammt alt aussehen. Eine Wende im Wahlkampf bringt das nicht.

Scholz, Baerbock und Laschet auf dem Fernsehbildschirm

Besser als nur Scholz und Laschet. Aber schade, dass nicht auch Lindner und Wissler dabei waren Foto: Kay Nietfeld/dpa

Auch dieses Triell wird keine größeren Auswirkungen auf den Wahlausgang haben. Dabei war das dritte nicht das schlechteste. Denn es ist erfreulich, dass nicht über aufgehübschte Lebensläufe, Plagiatsvorwürfe oder verunglückte Lacher gesprochen wurde, sondern über die Klimafrage, Corona, die innere Sicherheit, Digitalisierung – und endlich etwas ausführlicher über soziale Gerechtigkeit.

Aber weder gelang Armin Laschet der große Befreiungsschlag noch unterlief Olaf Scholz ein gravierender Patzer. Das war allerdings auch nicht zu erwarten. Schließlich hat der eine so wenig mit John F. Kennedy gemein wie der andere mit Richard Nixon. Beide sind vielmehr im Guten wie im Schlechten zwei durchschnittliche Biedermeierpolitiker, die sich inhaltlich näherstehen, als es im Wahlkampf erscheinen soll. Und die Dritte im Bunde spielt ohnehin nur auf Platz.

Dass Annalena Baerbock in dieser wie auch bei den beiden vorherigen Runden dabei war, nicht aber Christian Lindner und Janine Wissler, gehört zu den Absurditäten dieses Wahlkampfs. Was wohl die Fernsehsender gemacht hätten, wenn die FDP und die Linkspartei auch einfach behauptet hätten, mit einem Kanzlerkandidaten oder einer Kanzlerkandidatin anzutreten?

Mit Erfolgsaussichten aufs Kanzleramt lässt sich die Teilnahme Baerbocks jedenfalls nicht begründen. Trotzdem war es gut, dass sie da war. Schließlich ist es schon ein Fortschritt, wenn sich nicht nur zwei Koalitionspartner miteinander unterhalten wie noch beim letzten Mal Angela Merkel mit Martin Schulz.

Wie sinnvoll die Teilnahme Baerbocks war, zeigte sich auch beim Megathema Klimaschutz, wo sie die beiden Herren verdammt alt aussehen ließ. Denn Scholz und Laschet fiel nicht viel mehr ein, als stur den bisherigen großkoalitionären Kurs zu verteidigen, wozu auch die Ablehnung eines früheren Kohleausstiegs gehört – obwohl ihnen Baerbock zu Recht vorwarf, dass sich so das Pariser Klimaziel nicht wird erreichen lassen.

Die Sache mit der Klimaregierung

Da beschleicht einen schon ein Unbehagen, dass es keinen realen Dreikampf um das Kanzleramt gibt. „Die nächste Regierung muss eine Klimaregierung sein“, forderte Baerbock. Eine solche Regierung ist sowohl mit dem einen als auch dem anderen an der Spitze nur schwer vorstellbar.

Zur Wahrheit gehört allerdings ebenso, dass es auch die Grünen trotz aller Beteuerungen offenkundig nicht ganz so ernst mit dem Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel meinen. Denn sonst würde Baerbock nicht ausgerechnet gegen jene Partei immer wieder Front machen, die eine Verbündete in der Klimafrage sein könnte. Doch die Spitzen-Grüne lässt keinen Zweifel daran, dass sie mit der Linkspartei nicht gemeinsam regieren will.

Kann es wirklich sein, dass ihr trotz des Afghanistan-Desasters deutsche Militäreinsätze und eine Steigerung der Militärausgaben wichtiger sind als eine entschlossene Klimaschutzpolitik? Es scheint leider so.

Vertrauensvorschuss für Scholz

Wie Scholz setzt Baerbock stattdessen auf eine Ampel-Koalition mit der FDP. Falls es dazu kommen sollte, wäre das ein Wähler:innenbetrug. Denn weder lässt sich mit der Lindner-Truppe ein wirksamer Klimaschutz noch eine Politik der sozialen Gerechtigkeit betreiben.

Der einstige Hartz-IV-Propagandist Scholz redet in diesem Wahlkampf viel von „Solidarität“, von „Würde“ und „Respekt“. Damit hat er es geschafft, verlorengegangenes Terrain zurückzugewinnen. Es ist ein Vertrauensvorschuss. Die SPD erhält noch mal die unverhoffte Chance, zu beweisen, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.

Desto größer würde die Enttäuschung nach der Wahl sein, wenn Scholz nicht hält, was er verspricht. Mit der FDP an seiner Seite wird er sein Versprechen einer sozial gerechteren Politik nicht halten können. Und das weiß Scholz auch. Aber möglicherweise bleibt ihm ja auch die Probe aufs Exempel erspart – und es kommt doch zu einer Jamaika-Koalition. Dann jedoch haben die Grünen ein noch größeres Glaubwürdigkeitsproblem.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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