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Dramatischer Eisverlust in den AlpenGletscher schmelzen schnell wie nie

In der Schweiz und in Österreich war der Eisverlust in diesem Sommer extrem. Wegen der Schmelze bauen Glaziologen nun sogar ihre Messstationen ab.

Es wird immer weniger: Gletschermessung im Wallis Foto: dpa

Zürich/Berlin dpa | Der Eisverlust an kleineren Schweizer Gletschern war in diesem Sommer extrem. „Was wir sehen, war stärker als alles, was wir bislang für möglich gehalten haben“, sagt Glaziologe Matthias Huss. Am Corvatsch-Gletscher in der Südostschweiz seien Eisschichten geschmolzen, die dort teils seit rund 7.000 Jahren lagen, so der Leiter des Schweizer Gletschermessnetzes Glamos an der ETH Zürich. Die Datierung des Eises geht auf ältere Messungen der Universität Heidelberg zurück.

Das Messprogramm am Corvatsch könne nun nicht mehr weitergeführt werden, weil an den Messstellen schlicht das Eis fehle, betont Huss. „Es bleibt uns deshalb nur noch, alles Material einzusammeln und abzuräumen.“

Glaziologen vermessen mit dem Messnetz Glamos seit Jahrzehnten auf den Gletschern die Schneemenge im Winter und die Schneeschmelze im Sommer. Schon 2019 sei entschieden worden, die Messprogramme an drei kleineren Gletschern auslaufen zu lassen: Pizolgletscher, Vadret dal Corvatsch und Schwarzbachfirn. Mit dem Schmelzen des Eises habe sich auch die Landschaft dramatisch verändert, sagte Huss. „Das vorher schon dünne Eis verschwindet an vielen Stellen.“ Am Corvatsch sei ein Eisgrat mit dem jahrtausendealten Eis fast ganz verschwunden.

Auch aus Österreich gibt es dramatische Meldungen. So schmilzt ein seit Jahrzehnten unter genauer wissenschaftlicher Beobachtung stehender Gletscher in Tirol so schnell wie nie. Laut der Universität Innsbruck hat der Hintereisferner im Ötztal in diesem Jahr 5 Prozent seines Gesamtvolumens verloren.

„Das entspricht knapp 20 Millionen Kubikmeter Wasser, etwa so viel, wie die Stadt Innsbruck in 20 Monaten an Trinkwasser verbraucht“, sagte Rainer Prinz vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften am Freitag.

Im Winter habe sich dort nur zwei statt üblicherweise drei Meter Schnee angesammelt, im Sommer seien in dem Gebiet die zweithöchsten je gemessenen Temperaturen verzeichnet worden.

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5 Kommentare

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  • Bisher übertreffen die meisten oder alle Meldungen die schlechtestmöglichen Annahmen in den IPCC-Modellen.

    Wir sind also mindestens im worst-case-Szenario unterwegs und haben zusätzlich einen paranoiden Möchtegern-Weltenherrscher (und noch ein paar andere Idioten in anderen Ländern) vor der Tür, der alle schwer beschäftigt.

    Immerhin: vielleicht gibt das ja vielen den Kick, endlich von der Fossilverbrennung wegzukommen.

  • "Was wir sehen, war stärker als alles, was wir bislang für möglich gehalten haben“



    Das lässt aber auch Zweifel an der richtigen Vorhersage des Klimas aufkommen, wenn man derart daneben liegt. Vielleicht ist es eben nicht mehr 5 vor 12 sondern schon 5 nach12.

  • Wir haben es angerichtet und es gibt kein zurück. Ich war in diesem Jahr in vielen europäischen Länder mit vielen Gesprächen., auch zum Thema Klimawandel. Und irgendwie scheint es bei den Leuten angekommen zu sein, aber gehandelt wird. Die Masse möchte nicht auf Wohlstand, Energie und private Mobilität mit dem eigenen Auto verzichten. Und wenn es an die Finanzen geht werden die meisten Vorsätze dazu eh über Bord geworfen. Das gibt mir zu denken, warum soll ich dann in Deutschland im Winter verzichten sollen, auf auf private Vergnügen, Fleisch, Reisen, Autofahren, Heizen etc. und die Welt um mich herum, inkl. USA, Indien, Frankreich etc. feiert fröhlich weiter? Nee, entweder wir alle treten kürzer oder eben dann volle Pulle hinein....

  • Das muss schon beeindruckend sein, wenn man weiß, dass das geschmolzene Eis dort an dieser Stelle 7000 Jahre lang gefroren war!

  • Offenbar gehen frühere Gleichungen nicht auf. Was aber zusammengeht: Circulus vitiosus und Kipp-Punkte.



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    taz.de/!296017/



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    Ernsthaft spricht kaum noch jemand vom 1,5 Grad-Ziel. Mit der permanenten Selbsttäuschung sollten wir Schluss machen, es ist Zeit, die Enttäuschung über frustrane Rettungsversuche für einige Gletscher zu akzeptieren, denke ich. Ein globaler Gletscher-Kataster kann das ganze Ausmaß erfassen. Wo das viele Wasser bleibt, ist auch allen klar.