Dopingfall beim Hamburger SV: Kann nicht wahr sein
Nach der positiven Dopingprobe von Verteidiger Mario Vušković bedauern die Verantwortlichen vom HSV ihren Spieler. Zugleich attackieren sie die Nada.
Das Schicksal meint es nicht gut mit dem Hamburger SV. Davon sind jedenfalls die Fans des Fußball-Zweitligisten fest überzeugt. Seit vier Jahren schon ist der Aufstieg am Ende stets greifbar nahe gewesen und doch nie Wirklichkeit geworden. Und jetzt auch noch das: ein Dopingfall! Im Fußball! HSV-Trainer Tim Walter sprach Anfang des Jahres gegenüber der Bild-Zeitung von einer schwierigen Situation, die er so noch nie erlebt habe. „Die Seelenlage“ seines gesperrten Innenverteidigers Mario Vušković sei natürlich nicht gut. Aber sie hätten ein so gutes Verhältnis zueinander, dass sie über alles sprechen könnten.
Ein Urteil ist über Vušković noch nicht gesprochen worden. An diesem Dienstag hat der Deutsche Fußball-Bund dem Wunsch des Kroaten entsprochen und die Abgabefrist für seine Stellungnahme bis zum 17. Januar verlängert. DFB-Kontrollausschuss und DFB-Sportgericht entscheiden dann über den Fortgang des Verfahrens.
Bei einer im September genommenen Trainingsprobe wurde im Blut des 21-jährigen Kroaten nichtkörpereigenes Erythropoetin, besser unter dem Kurznamen Epo bekannt, entdeckt. Im November wurde es öffentlich gemacht, die daraufhin beantragte B-Probe bestätigte das Ergebnis.
Wenn man Walter nun reden hört, könnte man glauben, Vušković sei Opfer eines unvorhersehbaren Schicksalsschlags geworden und in den Händen dunkler Mächte wie der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada). Er sagte: „Die Nada hat ihr Monopol. Man erhält keine Informationen. Man weiß nicht, was da abgeht. Da ist es für mich und uns schwer zu handeln.“
Kritik an der Anti-Doping-Agentur
Und auch der HSV-Sportvorstand sieht derzeit vor allem in der Nada den Übeltäter. Deren Procedere, erklärte er am Wochenende, werfe viele Fragen auf. Man fühle sich alleingelassen. „Wir sind bereit, das alles aufzuklären, aber die Kooperation von der anderen Seite lässt doch zu wünschen übrig.“ Vušković sei bereit gewesen, einen DNA-Test machen zu lassen, um sicherzustellen, dass die positiven Proben tatsächlich von ihm seien. Die Nada, sagte Boldt, habe das „irgendwie“ abgelehnt.
Die Replik kam umgehend. Die Nada klärte in einer Stellungnahme auf, der DFB und nicht die Nada führe das Verfahren. Sie begleite dieses nur. Anträge müssten demnach also an den DFB gestellt werden. Man sollte eigentlich davon ausgehen, dass ein Vorstand eines Profifußballvereins um diese Regeln weiß. Möglicherweise hat der DFB gegenüber dem HSV der beratenden Nada den schwarzen Peter zugeschoben. Klärte doch die Nada in demselben Schreiben auf, ihr Regelwerk sehe keine DNA-Tests vor.
Das Verhalten der HSV-Verantwortlichen steht exemplarisch für das Verhältnis des Fußballs zum Doping. Lieber klammert man sich an die unwahrscheinlicheren Theorien von verwechselten oder manipulierten Proben, als sich seriös mit der Möglichkeit auseinanderzusetzen, dass Fußballprofis sich unerlaubte Vorteile verschaffen könnten.
Beispiele dafür gibt es in der Vergangenheit zur Genüge. Die Staatsanwaltschaft in Italien sah Epo-Doping bei Juventus Turin in den 90er Jahren durch ein Gutachten belegt, das extrem schwankende Hämatokritwerte von zehn Spielern auf den Einsatz des Dopingmittels zurückführte. Der ehemalige Fußballprofi Lotfi El Bousidi kam bei seiner Diplomarbeit im Jahr 2016 zu dem Ergebnis, dass mindestens 10 Prozent der deutschen Profifußballer schon einmal gedopt haben. Er hatte 150 Profifußballer anonym befragt.
Mario Vušković drohen bis zu vier Jahre Sperre. Seit November kann er nicht mehr mit der Mannschaft trainieren. Es ist gewiss nicht nur die Fürsorge, die den HSV gegen die Nada in die Offensive treibt. Der Marktwert von Vušković ist laut dem Portal Transfermarkt mit 5 Millionen Euro der höchste im HSV-Kader. 3 Millionen Euro haben die Hamburger erst im Frühjahr 2022 für ihn ausgegeben. Sollte die Strafe vom DFB nicht zu hart ausfallen, dürfte der Verlust sich noch begrenzen lassen. Ein Ersatz für Vušković soll möglichst in den nächsten Tagen verpflichtet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen