Doping während Corona: Prima Zeit zum Körper-Tuning

Die Anti-Doping-Agenturen haben während der Pandemie deutlich weniger getestet als sonst. Das öffnet Türen für Betrug.

Eine Han hält ein Fläschchen mit einer Substanz, die auf Doping getestet werden soll

Fanden in letzter Zeit nicht ganz so oft statt: Dopingkontrollen Foto: Felipe Dana/ap/picture alliance

Am Dienstag sagte die deutsche Boxerin Nadine Apetz anlässlich eines sogenannten Journalisten-Workshops der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada): „Ich persönlich war schon sehr verunsichert durch die fehlenden Tests.“ Die Athletensprecherin der Boxer vermisste die regelmäßigen Dopingkontrollen, war aber vor allem besorgt, weil sie sich ausmalen konnte, wie andere Athleten mit der coronabedingten Testpause umgehen: Womöglich nutzten sie den Freiraum, um sich straffrei unerlaubte Medikamente zuzuführen.

In der Hochphase der Viruspandemie war das problemlos möglich. Die Nada stellte das Testen zwischen dem 23. März und dem 16. Mai komplett ein, wie sie am Dienstag bestätigte. In diesen gut sieben Wochen war es für Ausdauersportler durchaus machbar, eine Epo- oder Anabolikakur einzulegen, deren Nutzen noch Monate später spürbar ist. So gesehen sollte bei der diesjährigen Tour de France die Skepsis im doppelten Sinne mitfahren. „Mittlerweile sind wir, was die Trainingskontrollen anbelangt, wieder auf Vorjahresniveau“, sagte Andrea Gotzmann, Vorsitzende der Nada.

Das liegt vor allem daran, dass seit Ende Juni über dem Niveau des Vorjahres getestet wird. Das betrifft allerdings nicht die Zahl der Wettkampfkontrollen, die noch immer recht niedrig ist. Noch eindrücklicher sind die Zahlen, die Tom May, Mitarbeiter der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, präsentierte: Während im April des Vorjahres etwa 25.000 Dopingtests von 180 Testagenturen weltweit durchgeführt worden sind, waren es im selben Monat dieses Jahres gerade mal 576 Tests – und nur 33 Test-Agenturen waren beteiligt.

Zwei neue Problemstoffe

Es wurden also in diesem Zeitraum 97 Prozent weniger Tests vorgenommen. Im Juli erreichte die Wada immerhin wieder zu 62 Prozent das Niveau des Vorjahres – mit 11.000 Tests von 110 Dopingtest-Agenturen. „Das System erholt sich, wir bewegen uns langsam wieder in Richtung Normalität“, sagte May.

So eine Gelegenheit bietet sich wohl nur einmal in der Sportlerkarriere

Gotzmann wollte angesichts der Zahlen, die natürlich Tür und Tor für Spekulationen öffnen, „Sportler vor unberechtigten Dopingvorwürfen schützen“. Schlagzeilen wie „Paradies für Doper“ halte sie für verfehlt, sagte sie, allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass jene Sportler, die nicht nur Graubereiche des Dopings auszuloten bereit sind, sondern die Grenze zum Betrug auch überschreiten, die Zeit prima zum Stoffwechsel-Tuning nutzen konnten.

So eine Gelegenheit bietet sich wohl nur einmal in einer Sportlerkarriere, es wäre also angemessen, das Betrugspotenzial im Sport realistisch einzuschätzen und nicht allzu blumig den moralischen Mehrwert von Präventionsmaßnahmen zu preisen, die wegen Corona nun auch zu einem erheblichen Teil (über 170 Veranstaltungen) von der Nada abgesagt werden mussten.

Die Medizin-Chefin der Nada, Anja Scheiff, äußerte sich derweil über zwei Problemstoffe, die (noch) nicht auf der Verbotsliste der Wada stehen. Zum einen: Cannabidiol, das in der Sportszene immer größere Verbreitung findet. Zum anderen: Ketone, die laut einem Bericht der Boulevardzeitung Mail on Sunday im britischen Sport zum Einsatz gekommen sein sollen; angeblich steigern Keton-Ester das Leistungsvermögen um 1 bis 2 Prozent.

Seit 2012 sollen Ketone im Leistungssport verbreitet sein. „Die Wada bekommt das auch mit“, sagte Scheiff, „manchmal dauert diese Beobachtung aber Jahre.“ Dann ist meist schon wieder ein neuer Stoff im Umlauf.

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