HSV schlägt St. Pauli im Aufstiegskampf: Es kann nur einen geben

Mit einem 3:4 im Hamburger Derby verabschiedet sich der FC St. Pauli aus dem Aufstiegsrennen. Der HSV dagegen untermauert seine Ambitionen.

HSV-Trainer Tim Walter in grauen Kapuzenpulli vor der HSV-Fantribüne, von der blauer Rauch aufsteigt

Zum Aufsteigen verdammt: HSV-Trainer Tim Walter Foto: Marcus Brandt/dpa

Hamburg taz | Es ist die Nachspielzeit im Hamburger Volksparkstadion. HSV-Verteidiger Miro Muheim grätscht den Ball mit letzter Kraft ins Seitenaus. Er bleibt liegen, hat offensichtlich Krämpfe in den Beinen. Es ist seine zweitbeste Aktion an diesem Abend, nach dem effektvollen Zu-Boden-Fallen, weswegen der Schiedsrichter St. Paulis 1:0 durch Oladapo Afolayan abgepfiffen hatte.

Die HSV-Fans jubeln über diese letzte Grätsche, als bedeute sie den Sieg. Ein bisschen tut sie das auch. Augenblicke später ertönt der Schlusspfiff. Und der ist verdammt wichtig für den HSV.

Denn der Stadtrivale hat beim Tor- und Pyrofestival im Volksparkstadion bis zum Schluss stark dagegengehalten, ist zweimal nach zwei Toren Rückstand wieder herangekommen. Gewonnen hat am Ende doch der HSV.

Rivalen auf Augenhöhe

Die beiden Hamburger Teams waren selten so sehr auf Augenhöhe wie in diesem Jahr: Nicht nur das Derby war bis zum Ende völlig offen. Auch die inoffizielle Stadtmeisterschaft ist nach St. Paulis 3:0-Sieg im Hinspiel unentschieden. Und vor dem Rückspiel schien es denkbar, dass der Stadtteilclub den großen Nachbarn im Kampf um den Aufstieg in die erste Bundesliga noch abfängt.

Das dürfte sich nun erledigt haben. Neun Punkte Rückstand bei nur noch fünf ausstehenden Spieltagen sind kaum aufholbar. Ohnehin war es eine dicke Überraschung, dass St. Pauli noch mal oben angreifen konnte, nachdem der Club die Hinrunde nur einen Punkt vor dem Tabellenletzten beendet hatte.

Er beurlaubte seinen bei den Fans beliebten Trainer Timo Schultz, ersetzte ihn durch dessen Assistenten Fabian Hürzeler – und ab da begann eine fabelhafte Reise durch die Zweitliga-Tabelle mit zehn Siegen in Folge, so vielen, wie sie noch kein Team je geschafft hatte.

Es war eine Art Wunder von St. Pauli und wiederum auch keines: Zur Wahrheit gehört erstens, dass der Club sich im Winter vor allem mit dem extrem variablen englischen Stürmer Afolayan entscheidend verstärkt hat. Und zweitens, dass fast alle dieser Siege knapp und einige glücklich waren, genau spiegelverkehrt zur Hinrunde, als St. Pauli oft überlegen gespielt und dennoch nicht gewonnen hatte.

Psychologischer Vorteil im Aufstiegsrennen

Der HSV hat sich also mit diesem schwer errungenen Sieg einen Konkurrenten vom Hals geschafft – und gleichzeitig endlich den Nachweis erbracht, dass er auch gegen ein Top-Team, das beste der Rückrunde, gewinnen kann. Für die letzten Meter im Aufstiegsrennen könnte das ein psychologischer Vorteil sein.

Den können sie gut gebrauchen, denn der HSV ist im sechsten Zweitliga-Jahr wieder mal zum Aufsteigen verdammt. Von Jahr zu Jahr wird es schwieriger, einen aufstiegsfähigen Kader zu finanzieren. Und sicher würde es nach einem erneuten Scheitern eng werden für Trainer Tim Walter, der schon viel Kritik einstecken musste – wegen seiner offensiven Strategie ebenso wie wegen der Sturheit, mit der er darauf beharrt.

Dabei hat er keine Wahl. Er muss mit einer Defensive auskommen, die nicht aufstiegstauglich ist: Es fehlt an Stabilität und an geordnetem Aufbauspiel, seit Innenverteidiger Mario Vušković wegen Dopingvorwürfen vorläufig gesperrt ist. Sein erster Vertreter Jonas David hat gegen St. Pauli einmal mehr keine halbe Stunde ohne gelbe Karte überstanden, sich dann aber mit dem 1:1-Ausgleichstreffer genau in den Torwinkel selbst befreit. Noch so ein Mutmacher.

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