Doktorarbeit von Familienministerin Giffey: Objektiv getäuscht
Ein geheimes Gutachten zur Doktorarbeit der SPD-Politikerin Franziska Giffey ist öffentlich geworden. Sie plagiierte demnach an 27 Stellen.
Trotz der gefundenen Plagiatsfälle empfahl das Gremium nur eine Rüge für das Fehlverhalten, den Doktorgrad aber nicht zu entziehen. Die Stellen befänden sich hauptsächlich in einem Kapitel zur Begriffsklärung – Giffey arbeitete vor allem mit Forschungsinterviews, eine eigene wissenschaftliche Leistung sei durchaus erkennbar. Experten kritisierten das Vorgehen schon früh, für eine Aberkennung würden wenige plagiierte Textstellen ausreichen.
Die FU folgte allerdings der Empfehlung – und handelte sich damit deutliche Kritik ein. Im Hochschulrecht ist eine Rüge nicht vorgesehen, Doktortitel können nur zugestanden oder aberkannt werden. Vor einigen Tagen gab die FU nun bekannt, den Fall erneut zu prüfen. Dieses Mal geht es darum, ob eine Rüge rechtskonform ist. Damit wird der Jurist Ulrich Battis beauftragt, wie zuerst die FAZ berichtete.
„Das Präsidium muss jetzt erneut entscheiden und Giffeys Doktortitel entziehen, da die Rüge rechtswidrig war“, sagt Janik Besendorf, Asta-Referent an der FU. Sollte Giffey nicht nur das Amt der Bürgermeister*in Berlins von Michael Müller übernehmen, sondern auch das der Wissenschaftssenator*in, „wäre das eine Bankrotterklärung für den Wissenschaftsstandort Berlin“.
„Systematischer Charakter“ der Mängel
Grundlage für die Prüfung waren 119 Textstellen, die auf der Plattform Vroniplag entdeckt wurden. Das Gremium prüfte aber nur 80, da es sich zum Teil um Mehrfachnennungen gehandelt habe. Das Ergebnis ist trotzdem beachtlich: Fünf Plagiate „im eigentlichen Sinne“ lägen vor – dort übernahm Giffey ganze Sätze oder Passagen wörtlich, ohne eine Quelle zu nennen.
In 22 Fällen paraphrasierte Giffey Textteile ohne Quellenangabe, wodurch diese nicht als Zitat erkennbar waren. Diese 27 Stellen entsprechen laut Gremium einer „objektiven Täuschung“. Außerdem wiesen die Mängel „systematischen Charakter“ auf – was für ein absichtliches Plagiat sprechen könte.
Giffey selbst streitet die Vorwürfe ab. Ihre Anwälte legten dem Gremium Dokumente vor, die Giffeys Unschuld bestätigen sollen. Darunter die Ausarbeitung eines Professors zu 11 Fällen, die Vroniplag besonders aufgefallen waren, und ein Gutachten, das ihre Zitierweise rechtfertigen soll. Diese orientiere sich an einem „problemorientierten, amerikanischen Stil“.
Das Gremium lehnt diese Argumentation ab: Es gebe keine anerkannte wörtliche Zitierweise, die etwas anderes vorsehe „als doppelte Anführungszeichen am Anfang und Ende des Zitats sowie die genaue Quellenangabe mit Seitenzahl(en)“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Trump und Krypto
Brandgefährliche Bitcoin-Versprechen