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Diskussionen um die K-FrageIch bin Status-quo-verdrossen

Söder oder Laschet, Baerbock oder Habeck? Mir egal. Statt Diskussionen um die K-Frage wünsche ich mir endlich ein ordentliches Krisenmanagement.

Die K-Frage ist nicht die Frage der Kanzler:innenschaft, sondern die des Krisenmanagements Foto: Federico Gambarini/dpa

M ir egal. Was genau? Der Wahlkampf. Aber der kann doch nicht egal sein! Nicht für politisch interessierte Bürger:innen, schon gar nicht in so einer Zeit. Was für einer? Na, einer Zeit der Krisen. Ist ein Superwahljahr inmitten multipler Krisen nicht wichtig? Ja. Geht so. Warum?

Ich kann nicht mehr anders, als das alles lächerlich zu finden. Was alles? Das Alles-wie-immer. Dass Armin Laschet nachgedacht hat, lange. Oder dass er Markus Söder krass findet, aber nicht unbedingt am krassesten. Aha. Also ein Kanzlerkandidatsinteressent sagt was über einen anderen Kanzlerkandidatsinteressenten, während Intensivstationen volllaufen, krass, mir egal. Aber es soll ja Leute geben, die fanden die kleingroßen Hahnenkämpfe immer amüsant. Weiß nicht. Vielleicht in einer Welt, die noch nicht so sehr erstickte, brannte und ertrank?

Aber Annalena und Robert, sie oder er? Mir auch egal, echt, ob sie es nun wird oder er oder sie beide. Beide, das wäre progressiv, weil es mutig wäre, mal am System zu ruckeln. Aber im Angesicht des Weltuntergangs ist die K-Frage nicht die Frage der Kanzler:innenschaft, sondern die des Krisenmanagements. Diese Krisen, die nicht mit Impfungen zu Ende gehen.

Mir egal, na toll, immer nur meckern. Schlag doch was vor! Oder steigst du aus? Ziehst du aufs Land? Wirfst du Tomaten? Tja. Die letzten Monate habe ich oft befürchtet, dass ich politikverdrossen bin. Zum Glück stimmt das nicht. Es gibt einen Unterschied zwischen der Verdrossenheit am Ist-Zustand und der an einer Sache an sich.

The show must go on

Ich habe nicht genug von Politik, ich habe genug vom Status quo. Der Status quo ist eine Regierung, die nach jahrelangem Autopilot nicht weiß, wie sie selbst fahren soll, und ein Land, das vor lauter Selbstbeweihräucherung nie gut darin war, von anderen zu lernen. Die Straße ist jetzt holprig, Tank leer, aber bisschen geht noch, komm, nicht mehr weit bis zum 26. September, haben wir da wen überfahren, wieder einer von diesen Marathonläufer:innen, ah, wer schiebt uns eigentlich? Egal. So ist das Leben, gell. The show must go on und in Deutschland meinen wir damit die sogenannte Normalität. Alles bleibt gleich, selbst wenn wir daran sterben. Dann sterben wir wenigstens im gewohnten Umfeld. Na ja.

Ich habe Sehnsucht. Nach einem echten Lockdown, nach einem Weiterdenken von Demokratie und nach Amtsinhaber:innen, die nicht ihre Macht, sondern die Welt retten wollen. Was, wenn wir etwas ausprobieren würden, bevor wir sagen, dass es nicht möglich ist? Wenn es nicht nur um Quoten, sondern auch um Rücktritte, Rausschmisse und die Umverteilung von Geld, Zeit und Platz ginge?

Wäre es absurd, jetzt sofort eine Brückenregierung einzusetzen, die, begleitet von einem Wissenschaftsrat, bis zur Bundestagswahl übernimmt? Brückenregierung, weil sie den Übergang in ein zukunftsfähiges politisches System gewährleisten würde. Die Sache ist: Das ist mir alles nicht egal. Was genau? Na, Leben.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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9 Kommentare

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  • "Wäre es absurd, jetzt sofort eine Brückenregierung einzusetzen, die, begleitet von einem Wissenschaftsrat, bis zur Bundestagswahl übernimmt? Brückenregierung, weil sie den Übergang in ein zukunftsfähiges politisches System gewährleisten würde."

    Wie soll denn so was verfassungskonform gemacht werden?



    Im Grundgesetz ist das wohl eher nicht so vorgesehen und das mit Blick auf die Vergangenheit mit der Machtübernahme der Nazis völlig zu Recht ausgeschlossen.

    • @fibe:

      Es ist völlig problemlos und grundgesetzkonform möglich eine Regierung auch in der laufenden Legislaturperiode abzulösen. Voraussetzung wäre ein Rücktritt oder ein erfolgreiches Misstrauensvotum, dann kann bzw. muss der Bundestag eine*n neue*n Kanzler*in wählen und das ist ggf. auch fraktionsübergreifend oder einer neu zusammengesetzten Koalition möglich.

      • @Ingo Bernable:

        Gar keine Frage.



        Der Bundestag wählt grundsätzlich in das Bundeskanzleramt und sonst niemand.



        Die Regierung wird dann von der Amtsperson im Bundeskanzleramt der Amtsperson im Bundespräsidialamt vorgeschlagen und von dieser ernannt.

        Aber wie verträgt sich das mit der von Lin Hierse formulierten Forderung:

        "Wäre es absurd, jetzt sofort eine Brückenregierung einzusetzen, die, begleitet von einem Wissenschaftsrat, bis zur Bundestagswahl übernimmt?"

        Der Bundestag kann keine Regierung wählen oder gar "einsetzen".

        Und wie soll den die "Brückenregierung" "eingesetzt" werden und von wem?

        Zudem sollten Sie beim gendern bedenken, dass in das Bundeskanzleramt nicht nur Frauen und Männer gewählt werden können, sondern auch Menschen, die sich weder als Frau oder Mann definieren.

        • @fibe:

          Ist es wirklich so schwierig sich vorzustellen, dass es eventuell möglich sein könnte sich mit der*dem zukünftigen Kanzler*in einer Expert*innenregierung bereits vor der Wahl über das anschließend zu bildende Kabinett zu verständigen?



          "sondern auch Menschen, die sich weder als Frau oder Mann definieren."



          Genau das soll die Schreibweise mit Gendersternchen ja gegenüber etwa den Varianten Gendergap und Binnenmajuskel zum Ausdruck bringen, Trans-, Inter- und Nicht-Binäre-Personen sind also nach allgemeiner Lesart der gewählten Formulierung mitgemeint.

  • Ein schöner Artikel,



    was mir nicht ganz klar ist, ist die Aussage: ..“ von



    anderen lernen…“ die in letzter Zeit recht häufig in



    Zeitungsartikel genannt wird.



    Bin da anderer Meinung. Beispiele (ohne Gewähr):



    Talksendungen – Idee stammt vermutlich aus den USA



    Radikalisierung der Politik – Frankreich, Polen, Ungarn, USA, Österreich, Großbritannien



    Abbau von Sozialleistungen und Radikalisierung des Kapitalismus – Großbritannien, USA



    Elektromobilität, hier PKW, USA



    Flashmobs – vielleicht Niederlande, USA



    Ich finde da haben wir doch einiges von anderen Ländern gelernt.



    Frage: wenn ich immer wieder unzufrieden mit der Zielbeschreibung und Umsetzung beim Umweltschutz und Menschenrechtsschutz bin, bin ich dann umweltschutzverdrossen und menschrechtsschutzverdrossen ?



    Grund meiner Frage – wenn Politiker und oder Parteien in meinen Augen schlechte Politik



    betreiben, wieso sollte ich denn dann politikverdrossen sein ? Ich meine – Politik ist doch recht



    interessant..



    Und zu guter Letzt – Weltuntergang ? Naja, wir werden es nicht schaffen. Die Fragen sind doch,



    wann, wie heftige und im welchem Umfang der Aufprall sein wird, wer alles Schaden nehmen wird und was danach sein wird.



    Höchstens im Kleinen, Örtlichem können wir noch was verbessern und setzen das auch um !

  • > Alles bleibt gleich, selbst wenn wir daran sterben.

    Manchmal, wenn ich nicht mehr so richtig sehe, wie alles weitergehen soll - und das passiert mir in den letzten Jahren öfter, wenn ich die Lage mit den Augen eines Naturwissenschaftlers betrachte - dann hilft es mir, wenn ich versuche einen anderen, viel größeren Blickwinkel einzunehmen: Den der Geschichte des Lebens auf der Erde.

    Da gab es irgendwann einmal vor Milliarden von Jahren die ersten Zellen, die wohl in einem heißen Schwefelvulkan im Meeresgrund entstanden sind und gelebt haben.

    Und irgendeine von diesen kleinen Zellen hat sich dann - vielleicht nach weiteren vielen hundert Millionen Jahren - aus diesem Vulkan heraus getraut und eine neue Umgebung erkundet.

    Und das war unsere Vorfahrin! Denn alles Leben auf der Erde stammt von diesen ersten Lebewesen ab, auch wir[1]. Wir haben gemeinsam mit ihm, dass wir Ausdruck sind des Lebens auf der Erde (des einzigen Ortes im Universum, von dem wir wissen, das es Leben gibt).

    Und wenn man es sich überlegt, dieses eine Lebewesen war unglaublich mutig, denn es hat etwas gemacht, was nie ein Lebewesen zuvor getan hat.

    Und genau so gab es irgendwann das erste Meerestier, welches es gewagt hat, das Land zu erkunden. Und das erste Flughörnchen, das es gewagt hat von einem Baum zu springen..

    Und diese menschlichen Vorfahren von uns, die auf einen anderen Kontinent gereist sind, um da ein besseres Leben anzufangen, das war nicht so anders. Sie wussten nicht, was auf sie zu kommt.

    Jetzt sind wir in einer Situation, wo es nicht so einfach weiter geht. Wir können nicht so weiter machen, das ist klar. Wir müssen springen. Wir müssen kollektiv handeln (auch wenn die neoliberale Ideologie diese Einsicht meidet), aber es werden wie alle diese Male zuvor Individuen sein, die den ersten Schritt machen.

    Ich denke, wir sollten mal unseren Mut zusammen nehmen, und an unsere großartigen Vorfahren denken.

    [1] Richard Dawkin: Geschichten vom Ursprung des Lebens: Eine Zeitreise

  • Wo ist denn der Weltuntergang?

    Was soll eine Expertenregierung von Wissenschaftlern - eines der Hauptprobleme das zur Politikverdrossenheit führte ist die Entfernung der politischen Prozesse von den Bürgern und das Überhandnehmen von nichtmajoritären intransparenten Entscheidungsprozessen in die Lobbyisten verschiedenster Coleur eingebunden sind! Das eliminiert die Legitimität und Akzeptanz des ganzen Politikbetriebs bei weiten Teilen der Bevölkerung zunehmend. Entlarvend die kollaborierende "Politikwissenschaft": partikulare Expertokratie wird doch flux zur Demokratieform aufgewertet. Dabei ist Demokratie so einfach und unbestechlich verständlich, dass dieser hohle Schwindel eben nicht bejaht wird.

    Die Welt wie sie ist wird nicht in und von Deutschland gemacht und bestimmt!

    Direkt: fast alles was ihr öffentlich redet, fühlt und schreibt kommt aus US-amerikanischen Selbstbeschäftigungsdebatten und dortigen Lagerkämpfen - wo jedes Lager (auch das so genannte progressive Lager) um Hegemonie und Macht kämpft und engste Verquickungen zur Großindsutrie hat (wenn auch zu verschiedenen Sektoren!). Hier in Westeuropa fallen diese Aufgeregtheits- Skandalisierungsdiskurse auf fruchtbaren Boden. Kultureller Imperialismus. Autonomie - selbst und zusammen - kann nicht als Anhängsel fremder Debatten und aus reinem Import von Sprachspielen bestehen, das wird so nicht gelingen.

    Woanders auf der Welt gibt es echte Probleme - ja wirklich! Ganz klassisch: Krieg, Unterernährung, Umweltzerstörung usw.

    Hier ist keine Apokalypse, hier ist nur Aufgeregtheit, Lagerdenken, Skandalisierung. Angefacht auch durch Onlinemedien. Diese hätten die Möglichkeit, Ruhe und Überlegunghereinzubekommen.

    Unsere Demokratie zerlegt sich nicht wegen den Bürgern, sondern wegen den Zumutungen, die zurückkehrende unüberlegte Obrigkeitsstaatlichkeit und die Auslagerung von Diskussionen und Entscheidungen an externe intransparent arbeitende Gremien, die majoritärer Kontrolle entzogen sind, mit sich bringen.

  • Ein Text der mir aus der Seele spricht.

  • Ich habe mir diesen Text jetzt mal ausgedruckt, unterschrieben und an die Wand geheftet.