Diskussion um nukleare Teilhabe: Doppelte Standards der Ampel
ICAN und Linkspartei warnen die Bundesregierung vor atomarer Bedrohung. Doch reine Lippenbekenntnisse zu nuklearer Abrüstung reichten nicht.
Hintergrund der Kleinen Anfrage ist die geplante Stationierung russischer Atomwaffen im Nachbarland Belarus – ein Plan, den ICAN als „unverantwortliche und gefährliche Eskalation“ verurteilt. Auch Bundesregierung sieht darin „einen auf Einschüchterung ausgerichteten Schritt, der zur Verschärfung von Spannungen beiträgt“.
Die Verlagerung von Nuklearwaffen nach Belarus laufe „den Bemühungen zur nuklearen Nichtverbreitung entgegen“, heißt es in dem vom grüngeführten Außenministerium verfassten Antwortschreiben. Die Bundesregierung fordere Russland auf, derartige unverantwortliche Schritte zu unterlassen und „alles zu tun, um die nuklearen Spannungen nicht weiter anzuheizen“.
Während die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Organisation ICAN jedoch „im Interesse der Deeskalation in ganz Europa“ auch den Abzug der in Rheinland-Pfalz stationierten US-amerikanischen Atomwaffen fordert, will die Ampelkoalition davon nichts wissen.
Deutliche Kritik aus der Linkspartei
„Die Bundesregierung bekennt sich zur nuklearen Teilhabe (NT) der NATO als wichtigem Bestandteil“, heißt es dazu nur lapidar. Gleichwohl bleibe sie dem „Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt in Frieden und Sicherheit“ weiter verpflichtet und verfolge „dabei einen pragmatischen Ansatz konkreter nuklearer Abrüstungsschritte“.
Bei ICAN-Vorstand Xanthe Hall stößt das auf Unverständnis. „Diese Doppelmoral ist schon schlimm genug, aber hier geht es um Massenvernichtungswaffen, die Millionen Menschen bedrohen“, kritisierte sie. „Nukleare Teilhabe steigert das Risiko einer atomaren Eskalation, egal, ob es sich um US-amerikanische oder russische Atomwaffen handelt“, konstatierte Hall.
Deutliche Kritik kommt auch von der Linkspartei. „Die geplante Stationierung russischer Atombomben in Belarus stellt ein Weiterverbreitungsrisiko dar“, sagte die Linken-Parlamentarierin Vogler der taz. „Die Bundesregierung kann aber nicht erklären, warum das für die US-Atomwaffen im rheinland-pfälzischen Büchel nicht gelten soll.“ Gegen einen atomaren Rüstungswettlauf würden nicht doppelte Standards, sondern konkrete eigene Abrüstungsvorschläge helfen. „Die US-Atomwaffen müssen abgezogen werden“, forderte Vogler. Außerdem müsse die Bundesrepublik dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten.
Der Atomwaffenverbotsvertrag hat das Ziel, eine Welt ganz ohne Atomwaffen zu schaffen. Seit Januar 2021 in Kraft, verbietet er unter anderem den Einsatz, Besitz und Transit, die Lagerung und Stationierung von Atomwaffen. 92 Staaten haben den Vertrag inzwischen unterzeichnet und 68 ratifiziert. Deutschland gehört nicht dazu, weil die Bundesregierung der Auffassung ist, dass ein Beitritt nicht mit den sich aus der Mitgliedschaft im Nato-Bündnis ergebenden Verpflichtungen vereinbar wäre.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen