Diskussion um ARD und ZDF: So frisch wie alte Lasagne
Ein Vorschlag aus Sachsen-Anhalt zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen wird diskutiert. Damit ist es dann auch gut – die Idee hat ein Gschmäckle.
Rainer Robra hat ein paar Vorschläge gemacht: Es soll zukünftig nur noch ein bundesweites öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm geben, nämlich das ZDF, sagte der Staatskanzleichef in Sachsen-Anhalt der Mitteldeutschen Zeitung, und die Öffentlich-Rechtlichen sollen so gut wie keine Texte mehr ins Netz stellen, und alles, was die ARD gemeinschaftlich macht – namentlich die „Tagesschau“ – soll auch weg.
Die Vorschläge sind ungefähr so frisch wie die Lasagne in der hintersten Ecke des Tiefkühlers. Und sie haben auch die gleichen Eigenschaften: Schmeckt kurzfristig ganz gut, ist aber auf die Dauer nicht so geil.
Denn Robra blendet – wie so viele Spieler in diesem „Was dürfen die Öffentlich-Rechtlichen noch?“-Spiel – konsequent eine nicht ganz unwesentliche Betroffenengruppe aus: die NutzerInnen. Überhaupt kommen bei all den Debatten die HörerInnen und ZuschauerInnen kaum vor.
Die Einzigen, denen Robra nach dem Mund redet, sind die Verleger und Privatsender (und vielleicht noch die AfD). Mathias Döpfner, Präsident des Zeitungsverlegerverbands BDZV, warnte ja schon vor einigen Wochen, dass den Privaten mittelfristig eine „lebensbedrohliche Schieflage gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ drohe und das duale Rundfunksystem aus öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern ins Wanken gerate. Und das könne doch keiner wollen. Denn: „Nur Staatsfernsehen und Staatspresse im Netz – das wäre eher etwas nach dem Geschmack von Nordkorea.“
Da war es, das böse S-Wort: Staatsfernsehen, Staatspresse. Und das im Zusammenhang mit der ARD und dem ZDF.
Ein Strukturreförmchen
Der Spiegel blies dann umgehend mit ordentlich Spucke ins gleiche Horn, benutzte auch das S-Wort und malte mit ordentlich Suggestivfragen, anonymisierten Facebookpostings und dem Kronzeugen Claus Strunz ein ARD-ZDF-Untergangsszenario an die Wand. Die FAZ haut seit jeher ordentlich drauf. Die Worte „öffentlich“ und „rechtlich“ scheinen da von der Autokorrektur direkt in „Staats-“ umgewandelt zu werden.
Natürlich haben sie alle irgendwie ein bisschen recht: Die Frage, wie viel Marktverzerrung (denn nichts anderes ist ein von allen Haushalten finanzierter Rundfunk) zum Wohle der Gemeinschaft am Ende überhaupt noch zum Wohle der Gemeinschaft sei, ist berechtigt. Sie gehört permanent gestellt und neu beantwortet. Und das Gejammere von diversen öffentlich-rechtlichen Großkopferten, dass eigentlich zu wenig Geld da sei, ist eines mit 8 Milliarden Euro pro Jahr ausgestatteten Systems unwürdig. Auch dass die gerade vorgelegte Strukturreform höchstens ein Strukturreförmchen ist, bestreitet nur, wer bei ARD, ZDF oder Deutschlandradio arbeitet.
Aber: Das ändert nichts daran, dass Robras Vorstoß und der Spiegel-Titel und die FAZ-Beiträge konsequent an den NutzerInnen vorbeigehen.
Problem auf der Ausgabenseite
Denn was will Robra? Er will, dass der Rundfunkbeitrag von derzeit 17,50 Euro stabil bleibt oder bestenfalls sogar sinkt. Punkt. Doch glaubt er wirklich, dass dadurch die Akzeptanz (die vermutlich nicht ganz so gering ist, wie es ein paar Facebookposts suggerieren) steigt, wenn er ihnen gleichzeitig das Erste und die „Tagesschau“-App und was weiß ich noch alles wegnimmt? Glaubt er wirklich, dass der, der zwanghaft „Zwangsgebühr“ brüllt, plötzlich verstummt, wenn diese „Zwangsgebühr“ auf 16,37 Euro sinkt? Oder gar auf 13 Euro?
Die Agenda der ZuschauerInnen ist eine ganze andere, als die der Privatsender und Verlage, der sich Robra nun angeschlossen hat: Die NutzerInnen wollen, dass der „Tatort“ länger als 30 Tage in der Mediathek steht. Punkt.
Selbstverständlich müssen sich ARD und ZDF schleunigst ein paar mehr Gedanken machen, ob ein System, das dermaßen viel Geld einnimmt und sich trotzdem als unterfinanziert geriert, nicht ein Problem auf der Ausgabenseite hat (Rente, große Apparate, Ineffizienz). Und genauso selbstverständlich ist es ein denkbares Szenario, nur noch ein bundesweites, großes öffentlich-rechtliches Fernsehprogramm auszustrahlen.
Mitglied des ZDF-Fernsehrats
Allerdings macht es doch viel mehr Sinn, das ZDF in die ARD einzugliedern. Die Verlegenheitsgeburt Zweites Deutsches Fernsehen könnte mit dem Ersten verschmelzen.
Warum nur redet Robra in dem Interview nicht über eine Eingliederung des ZDF in die ARD? Und warum kommt er nicht ein einziges Mal auf die Idee, dass die Akzeptanz der Öffentlich-Rechtlichen erhöht werden könnte, wenn sich die Parteien zu größeren Teilen aus den vielen Gremien – den Verwaltungs-, Rundfunks- und Fernsehräten – zurückziehen würden (es war schließlich nie so gedacht gewesen, dass sich CDU, CSU, SPD und Co. in allen Gremien breitmachen)?
Vielleicht weil Rainer Robra Mitglied des ZDF-Fernsehrats ist. Vielleicht. Aber das eine hat mit dem anderen bestimmt nichts zu tun.
In einer früheren Version des Textes hieß es, dass der „Tatort“ nur sieben Tage in der ARD-Mediathek stünde, es sind aber 30.
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