Diskriminierung im Tennis: Mehr als ein schlechter Scherz
Der russische Tennisfunktionär, der die Williams-Schwestern beleidigt hat, ist Mitglied des IOC. Das befasst sich nun mit dem Fall.
Geschafft. US-Open-Sieger Marin Cilic aus Kroatien hat sich für das Saisonfinale der acht besten Tennisspieler des Jahres, das Anfang November in London stattfinden wird, qualifiziert. Nach seinem Sieg im Finale des Kreml-Cups in Moskau ist ihm das Ticket für London nicht mehr zu nehmen.
Stolz lächelnd nahm er am Sonntagabend den Siegespokal entgegen und strahlte mit dem Überbringer der Trophäe, dem russischen Tennisverbandschef Schamil Tarpistschew, in die Kameras. Tarpistschew? Ist das nicht der finstere Witzbold, den man gesperrt hatte, weil er die Tennisschwestern Venus und Serena Williams verhöhnt hatte, indem er sie als Brüder bezeichnet hat, vor denen man sich fürchten müsse?
Ja, er ist es. Doch Persona non grata ist er nur bei der Spielerinnenorgansisation WTA. Beim Männerverband ATP scheint man sich nicht an dem Funktionär zu stören, dessen Äußerungen Serena Williams am Wochenende als „sexistisch und rassistisch“ bezeichnet hat und den die WTA für ein Jahr gesperrt hat, nachdem er in einer russischen Talkshow ausfallend geworden war.
Rechtfertigen muss sich Tarpistschew nun auch vor dem Internationalen Olympischen Komitee. Der ehemalige Tennistrainer ist Mitglied des ehrenwerten Gremiums, dessen Ethikkomission sich schon bald mit dem Fall befassen könnte. Auf Anfrage teilte das IOC mit, dass man zunächst mit Tarpistschew Kontakt aufnehmen und sich dessen Sicht der Dinge darstellen lassen möchte, bevor irgendeine Entscheidung getroffen wird.
Ob der russische Verbandsboss vor dem Gremium viel mehr sagen wird, als er es bislang getan hat, darf getrost bezweifelt werden. Mehr als eine halbgare Entschuldigung war bis dato nicht von Tarpistschew zu vernehmen. Zunächst hatte er es sogar abgelehnt, sich zu entschuldigen. Die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass fragte er, ob er sich nun wirklich dafür entschuldigen solle, dass die WTA keinen Spaß versteht. Es sei schließlich nicht mehr als ein Witz gewesen, den er da vom Stapel gelassen hat.
Keine Aufregung in Russland
Die Erklärung Tarpistschews, die auf der Seite des russischen Tennisverbands veröffentlicht worden ist, geht da auch nicht viel weiter. Dort heißt es: „Es tut mir leid, dass der Witz, der beim Übersetzen ins Englische aus dem Kontext der humoristischen Sendung gerissen wurde, so viel Aufmerksamkeit erhalten hat.“ Ein Brief Tarpistschews an die Williams-Schwestern sei unterwegs, heißt in einer Erklärung des russischen Verbands.
Ob ein solcher die Wogen glätten kann? Serena Williams steht jedenfalls mit ihrer Empörung über den russischen Multifunktionär nicht allein da. Seit gestern spielt sie in Singapur beim Saisonfinale der Frauen um den Titel als beste Spielerin des Jahres. Ihre größte Konkurrentin dabei ist Maria Scharapowa, eine Russin. Die sagte vor Beginn des Turniers in Singapur, dass sie Tarpistschews Worte für „respektlos“ halte, und meinte, sie sei froh, „dass sich so viele Menschen dagegen positioniert haben, allen voran die WTA“.
In Russland selbst, dessen Sportsystem die Wahl-Amerikanerin Scharapowa schon lange den Rücken gekehrt hat, mag man die Aufregung um Tarpistschews Talkshow-Auftritt nicht nachvollziehen. Sportminister Witali Mutko meinte zwar, es tue ihm leid, dass sich Tarpistschew derart geäußert habe. Die Strafe für den Tennischef, dem die WTA zusätzlich zu seiner Sperre eine Geldbuße von 20.000 Euro auferlegt hat, bezeichnete er als „unerfreulich“. Er geht aber davon aus, dass es sich lohnen würde, für eine Reduzierung der Sperre zu kämpfen.
Keine Auswirkungen hat die Sperre der WTA indes auf Tarpistschews Position als Turnierchef des Kreml-Cups. WTA-Präsidentin Stacey Allaster blieb hier nichts anderes übrig, als ihren Funktionärskollegen darum zu bitten, seinen Posten beim Moskauer Turnier ruhen zu lassen. Diesem Wunsch kam Tarpistschew immerhin zur Hälfte nach. Die Siegerehrung des Frauenwettbewerbs um den Kreml-Cup fand ohne den Witzbold statt. Turniersiegerin Anastasia Pawljutschenkowa musste sich nicht mit ihrem Landsmann Tarpistschew ablichten lassen.
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