piwik no script img

Diplomatischer Boykott von OlympiaEin richtiges Signal

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Der diplomatische Olympiaboykott der USA wird die Menschenrechte in China kaum verbessern. Doch der symbolische Wert ist nicht zu unterschätzen.

2022 ohne hochrangige US-Politiker: Siegerehrung für chinesische Sportler (hier in Tokio 2021) Foto: Friso Gentsch/dpa

K lar: Der diplomatische Olympiaboykott seitens der USA und womöglich anderer westlicher Regierungen ist billige Symbolik und wird die Menschenrechte in China wahrscheinlich nicht verbessern. Er zieht aber richtige Lehren aus den Boykotts 1980 und 1984 und ist daher ein richtiges und wichtiges politisches Signal.

Reine Symbolik ist der Boykott, weil wegen der Pandemie mit Ausnahme Putins ohnehin kaum ein Staats- oder Regierungschef oder Minister angereist wäre. Selbst Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat das eigene Land die letzten zwei Jahre nicht mehr verlassen, auch nicht für die Olympischen Spiele in Tokio.

Im Jahr 1980 bei den Spielen in Moskau und 1984 in Los Angeles gingen die Boykotts im Kalten Krieg vor allem zulasten der Sport­ler*in­nen. Sie waren ein Rückschlag für den globalen Spitzensport. Für Sportler*innen, die sich über Jahre auf Spiele vorbereiten, ist es ein Fortschritt, dass sie nicht wieder den Kopf hinhalten müssen.

Doch zu hoffen, die Abwesenheit hochrangiger Politiker depolitisiere die Spiele oder – wie China umgekehrt argumentiert – der Boykott politisiere sie, ist Humbug. Olympische Spiele sind per se politisch. Das zeigt sich in der Teilnahmebeschränkung auf Nationalteams, bei den Medaillenspiegeln und in der Förderung von Teams aus dem Staats- oder Militäretat. Und wie andere nutzt auch China die Spiele, um sein politisches System zu preisen.

Der diplomatische Boykott wird jetzt kaum einen Uiguren oder eine Uigurin von Zwangsarbeit befreien, könnte aber vielleicht der verschwundenen Tennisspielerin Peng Shuai den Weg zurück in die Öffentlichkeit bahnen.

Trotzdem ist es prinzipiell richtig, mit dem Boykott ein Zeichen zu setzen, dass die Politik eben nicht jede Show Pekings mitmacht und nicht zu Menschenrechtsverletzungen schweigt. Das ist zwar nur symbolisch, aber auch das ist wichtig in China, wo Gesicht geben und verlieren mehr bedeutet als in westlichen Kulturen. Bei den Spielen 2008 bestand noch Hoffnung, dass sie China positiv verändern und mehr zivilgesellschaftliche Freiräume öffnen könnten. Das erwies sich als Trugschluss.

Doch der diplomatische Olympiaboykott wäre glaubwürdiger, würde die Kritik an Menschenrechtsverletzungen konsequenter erfolgen und nicht in den USA dafür instrumentalisiert, China im Hegemoniekonflikt vorzuführen. Dazu bedarf es klarer Kriterien für Wirtschaft, Kultur und Sport, die dann auch bei Katar als Fußball-WM-Gastgeber gelten.

Der Autor war bis 1980 Leistungssportler

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Global Times:



    Since there is no invitation for US politicians to attend the Beijing Games, why it is still keen on hyping the topic? Analysts from China and overseas said that US attempts to use the "cheap shot" to humiliate China, but it only exposes its own malicious moves of politicizing the Olympic spirit.

    Xinhua:



    Despite not even being invited, the U.S. side linked its officials' attendance with the so-called human rights issues in Xinjiang, going down the wrong path further by distorting facts while cheating themselves as well as others, he added.

    CHINA DAILY:



    The US should stop politicizing sports and disrupting the Beijing Winter Olympics, Chinese Foreign Ministry spokesman Zhao Lijian said on Tuesday.

    Otherwise, bilateral dialogue and cooperation in a series of important areas and on international regional issues will be undermined by Washington's actions, Zhao added.

    ASIA TIMES:



    All this stroking of China follows not only the rise of China as an economic and military power but also the collapse of expectations that China’s entry into the wider commercial world would turn it toward liberal democracy. Granting China the 2008 Summer Olympics was a subset of that hope.

    Now, everyone’s glad if China doesn’t get mad at something someone says. Let the games begin.

  • "Für Sportler*innen, die sich über Jahre auf Spiele vorbereiten, ist es ein Fortschritt, dass sie nicht wieder den Kopf hinhalten müssen."

    Menschen für deren Berufsausübung es anscheinend notwendig Vorarbeit für die PR autokratischer Regime zu leisten verdienen nur begrenztes Mitleid.

    Ja, ein Boykott bei einem Autokratischen Staat und einem anderen nicht wäre heuchlerisch. Ein kompletter Boykott derartiger Veranstaltungen bei allen wäre dagegen angemessen.

    Und so groß ist der intrinsische Wert von Leistungssport dann auch wieder nicht.

  • Olympia generell zu boykottieren ist ansich eine sympathische Idee. Ist Olympia doch zu einem Moneyevent verkommen, das mit der ursprünglichen Idee absolut nichts mehr zu tun hat. Und dieser unsägliche Bach an der Spitze ist doch ein Hohn.



    Aber als Mittel gegen Chinas Menschenrechtsverletzungen ist der olympische Diplomatenboykott unbrauchbar, eher ein Feigenblatt für die Länder, die zu feige sind, jeglichen Handel mit China so lange auszusetzen, bis diese Mißstände beseitigt sind. Aber das wagen sich die politischen Berufsschwätzer nicht, weil sonst ihre eigene Wirtschaft einbricht. Man hat sich von den Menschenrechtsverletzern abhängig gemacht, weil Geld vor Moral kommt!

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ein Peitschenschlag mit der Federboa?

    Katar sollte man ebenfalls boykottieren. Wer hat uns all diesen Mist eingebrockt? Konsequenzen?

  • Boykott? Wohl eher Boykottchen. Es wäre wohl eher was, wenn auch die Sportler fern bleiben würden. Es ist aber fraglich ob das eine Änderung der chinesischen Politik bewirken würde. Hat 1980 und 1984 das große Umdenken der beiden Supermächte gebracht? Ich glaube nicht. Die wohl wirksamste Maßnahme wäre immer noch, einen Boykott auf die wirtschaftliche Ebene durchzuführen. Das tut dann weh. Da geht es um Geld. Doch das ist in unserem neokapitalistische System nicht machbar da sich Menschenrechte nicht in Euro, Dollar oder Yuan quantifizieren lassen und somit in den ganzen Rentabilitätsrechnungen spätestens nach der ersten Ableitung, wegfallen.

  • Die wm scheint wieder vergessen zu sein. Auch in der taz.

  • Was soll an diesem "nicht zu unterschätzendem symbolischen Wert" China auch nur peripher tangieren?



    Solange fast alle Güter der EU oder USA in China gefertigt werden bleibt alles andere nur Schau.

  • Die Boykott-Entscheidung unterstütze ich - die Idee von Olympia nicht mehr.



    Der ursprüngliche Gedanke ist doch schon längst im Kommerz und in der Selbstdarstellung untergegangen. Wenn ich aus dem Fenster sehe und den kids auf dem Bolzplatz zuschau, sehe ich dort mehr Frieden und Völkerverständigung als in all den olympischen Millarden-Shows der letzten Jahre.

    • @FoolOnTheHill:

      Bravo!