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Dieselverbote in München und anderswoIgnoranz ist nicht mehr

Nun auch in München: Die EU macht möglich, was die Deutschen nicht schaffen – gesundheitsgefährliche Diesel aus den Städten zu verbannen.

Freie Fahrt für alle? Damit könnte bald Schluss sein Foto: dpa

Dass Dieselabgase krank machen, ist keine neue Erkenntnis. Ältere Fahrzeuge erhöhen mit hohem Feinstaub-Ausstoß das Lungenkrebsrisiko. Und selbst die modernsten Dieselautos stoßen auf der Straße meist ein Vielfaches der erlaubten Menge an Stickoxiden aus – einem Atemgift, das Lunge und Herz angreift und das nach Angaben der Europäischen Umweltagentur in Deutschland für rund 10.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr verantwortlich ist.

Doch das war in Deutschland den AutokäuferInnen bisher genau so egal wie der Politik. Die KundInnen interessierte vor allem, dass die Fahrzeuge dank unsinniger Steuervorteile im Verbrauch oft günstiger waren. Mögliche Gesundheitsgefahren spielten keine Rolle. Zumal die eigenen Kinder von der schlechten Luft auf den Ausfallstraßen im Zweifel nicht viel mitbekommen, wenn sie zurück in den grünen Vorort gefahren werden.

Die deutsche Politik blieb ebenfalls untätig. Die große Zahl der Menschen, die unter den Dieselabgasen leiden, spielte keine Rolle. Asthma-Kranke haben eben eine schlechtere Lobby als Autofahrer und -hersteller. Weil die deutschen Autofirmen bei der Dieseltechnolgie führend waren, galt jede Maßnahme, die den Dieselabsatz bedroht, in Deutschland als Angriff auf die gesamte Branche.

Doch nun könnte diese Schonung der Dreckschleudern zulasten der Gesundheit der Innenstadtbewohner endlich ein Ende haben. Zu verdanken haben wir diese Entwicklung einer sonst gern gescholtenen Institution: der EU. Diese hat 2010 Grenzwerte für Stickoxide erlassen – und durchgesetzt, dass die Werte flächendeckend erfasst werden. Mit dem Ergebnis, dass die Werte an mehr als die Hälfte der deutschen Messstationen an größeren Straßen überschritten werden.

Nun auch die BMW-Hauptstadt

Auf dieser Grundlage konnten Umweltorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe gegen die Untätigkeit der Städte klagen. Und nachdem sich andere Maßnahmen wie kostenloser ÖPNV an einzelnen Tagen als wirkungslos herausgestellt haben, forderten zuletzt immer mehr Gerichte Fahrverbote für Diesel – und drohten dabei mit Zwangsgeldern.

Erst diese Urteile haben die Politiker, die sich jetzt als Vorkämpfer des Gesundheitsschutzes präsentieren, zum Nachdenken über punktuelle Fahrverbote für Dieselfahrzeuge gebracht – nach Hamburg und Stuttgart nun auch in der BMW-Hauptstadt München.

Dieselverkaufszahlen sind inzwischen eingebrochen: Das Risiko, keine freie Fahrt zu haben, gehen die freien Bürger lieber nicht ein

Wie umfassend diese Fahrverbote am Ende ausfallen werden, ist angesichts des lauten Wehklagens von Wirtschaft und Autofahrerlobby noch offen. Auch die Stadt München plant Ausnahmen für Dieselfahrzeuge mit der modernsten Abgasnorm Euro 6 – obwohl auch diese ihre strengeren Stickoxid-Grenzwerte meist nur im Labor, nicht aber auf der Straße einhalten. Weswegen weitere Klagen auch gegen diese Fahrzeuge absehbar sind.

Kein Dieselfahrer und keine Dieselfahrerin, das ist die Botschaft aus diesen Entwicklungen, kann sich also in Zukunft mehr darauf verlassen, weiter überall seine Mitmenschen vergiften zu dürfen. Und anders als die gesundheitlichen Warnungen der Vergangenheit scheint diese Botschaft anzukommen: Blieben die Dieselverkaufszahlen nach Bekanntwerden des Abgasbetrugs bei Volkswagen und fragwürdiger Tricks bei anderen Herstellern zunächst noch konstant, so sind sie schlagartig eingebrochen, als die ersten Debatten über Fahrverbote begannen. Das Risiko, keine freie Fahrt zu haben, gehen die freien Bürger lieber nicht ein.

Autoindustrie bleibt sich treu

Doch während die VerbraucherInnen sich unter dem Druck von EU und Gerichten allmählich vom Diesel abwenden, steht die deutsche Autoindustrie unverdrossen zur 120 Jahre alten Technik. Volvo steigt aus dem Diesel aus, chinesische Hersteller stecken viel Geld in die Entwicklung von Elektromotoren, doch VW, Daimler und BMW investieren weiter in die Vergangenheit.

Anders als saubere Luft lässt sich eine zukunftsfähige Geschäftspolitik nicht vor Gericht erzwingen, sondern allenfalls durch Verbraucherentscheidungen oder neue politische Vorgaben. Doch wenn sie darauf warten, könnte es für die deutschen Autoriesen zu spät sein, den Umstieg noch zu schaffen. Gewarnt waren sie jedenfalls.

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12 Kommentare

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  • Wie abgehoben muss man sein um mir als Dieselfahrer zu unterstellen, der Tod Asthmakranker sei mir gleichgültig. Als ich vor 8 Jahren meinen Kangoo-Diesel kaufte, habe ich mich für die teurere Variante mit Feinstaubfilter entschieden. Als Rentner bin ich bedauerlicherweise nicht in der Lage mir jedes Jahr ein Fahrzeug mit neuester Technologie zu kaufen. Der Tipp, dann aufs Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen mag für jung dynamische Redakteure in Großstädten realistisch sein für mich als Rentner auf dem flachen Land nicht.

    Die Sauereien der Autoindustrie sind unbestritten - das ist Kapitalismus... Die überzogene moralische Empörung gegen Dieselfahrer halte ich in dieser pauschalen Form für unangebracht.

    • @Bürger L.:

      Ich finde das gut, dass Sie sich als Bürger L. angesprochen fühlen.

      Ich hatte lange die Citroen-Version des Kangoo. Jetzt habe ich als Stadtbewohner kein Auto mehr nötig und kriege auch sämtliche Lebensmittel locker auf mein Rad. Aber: Der Artikel beschreibt ganz sachlich das Verhalten von Dieselfahrern und der Politik. Niemand hat Ihnen/Dir etwas unterstellt. Vor 8 Jahren war das noch nicht so ein Thema. Wenn ich auf dem Land bin, als Rentner, der sich um ganz Alte kümmert, benutze ich leider Busse zu wenig, teilweise aus Faulheit. In meiner Kindheit haben alle sie benutzt, heute ist das Land zu einem komischen Suburb voller Autos geworden, jedenfalls meine Gegend. Schrecklich.

  • Das ist doch eine typisch deutsche Diskussion ohne auch nur eine logische Basis zu haben.

    Denn schauen wir uns doch mal die Großstädte an. SUV neben SUV. Benz, neben AUDI, neben dicken BMW. Und all diese Autos mit dicken Motoren, weil diese Marken müssen ja immer mehr PS haben.

    Wer rechnet denn mal auf, wieviel diese SUVs und Oberklasseautos auch mit Benzin so alles in Luft pusten.

    Ein generelles Verbot ist sowas von deutsch. Anstatt mal logisch vorzugehen und über die Jahre erst die Alten und dann immer weiter auch die jüngeren Diesel zu verbannen. Nein ein deutscher Lokalpolitiker muss ja wieder die Superkeule rausholen.

    Ein kleiner nichtsageneder Lokalhero will wider Deutschlandheld werden.

    Überzeugung ist angesagt. Ich meine gelesen zu haben, dass z.b. Volvo gar keine Diesel mehr bauen will. Das ist der Weg den die Politik einschlagen sollte. An die Hersteller und nicht die armen Wähler.

    Natürlich steht es einem Münchener Bürgermeister auch frei, all denen, die sich einen Dieselfamilienkutsche erspart haben, einen Zinsloses Darlehen zu verschaffen und den, vielleicht durch Betrug, gekauften Diesel aus Niedersachen zu 100% erstattet. Das wäre eine wahre Heldentat.

    • @WortAbstrakt:

      "Anstatt mal logisch vorzugehen...."

       

      Da gibt es viele Fallstricke, wie der nach Ihrem Gusto, dass es die Ärmsten, denen für die neuste Technologie das Geld fehlt und jetzt schon darin die höhere steuerliche Belastung haben, massiv benachteiligt werden.

      Besser ist ein generelles Verbot. Das erwischt eben alle.

      Mein Auto habe ich abgeschafft und meine SF-Klasse sinkt munter, aber ist mir scheißegal. Hauptsache ich kriege frische Luft auf dem Fahrrad, wenn ich mich zwischen den uneffektiven, dreckigen Blechkisten bewege, die auch nur einen Sitz zu haben scheinen.

  • Ich würde mir ein Gesetz wünschen, das nur noch kleine Autos in die Städte hinein lässt: Die haben einen geringeren Verbrauch pro Person.

  • Ob nun Diesel oder Benziner ist im Endeffekt völlig egal!

    Nimmt man einen neuen Benziner stößt man Zuviel Feinstaub aus, denn diese Autos werden nicht mit Partikelfiltern ausgestattet, obwohl man schon lange weiß, dass auch Benziner Partikelschleudern sind, nur nicht so schlimm wie frühere Diesel.

    Beim Diesel wurden die Partikelfilter eingebaut, weil man ja schon beim hinterher fahren sehen konnte wie viel aus dem Auspuff kommt, im Gegensatz zum Benziner.

    Die Politik sah deshalb keinen Handlungsbedarf, da der Feinstaub nach dem Dieselfilter nicht weiter Thematisiert wurde.

    Der Stickoxidausstoß beim Diesel ließe sich auch Stark reduzieren, kostet aber viel Geld. Wie das geht, weiß man schon seit Mitte der 1980iger Jahre, wird der Autoindustrie aber nicht zugemutet.

     

    Wie man es als Verbraucher/Autofahrer auch versucht Richtig zu machen, man wird es nicht schaffen, auch mit Elektrofahrzeugen nicht, denn dort ist immer noch nicht geklärt, wohin später mit den stark Umweltbelastenden Altbatterien.

     

    Die Politik müsste dringend dafür sorgen, dass Innovationen in D und der EU wieder mehr gefördert werden, damit es wieder Entwicklung gibt und nicht nur Stillstand bei veralteten Konzepten, an denen nur herum Experimentiert wird, um mehr Profit aus althergebrachtem zu holen.

     

    Leiden müssen bei dieser Diskussion die Menschen, die auf ihre Fahrzeuge angewiesen sind, vor allem auf Sparsame Fahrzeuge, denn durch die Arbeitsmarkt Verschiebungen müssen viele Arbeiter heute weite Wege in Kauf nehmen um Geld zu verdienen, ebenso die vielen Kleinunternehmer und Handwerker.

    Mit Elektrofahrzeugen sind noch keine Reichweiten zu erzielen, die es Garantieren, auch wirklich von A nach B zukommen und mit öffentlichem Nahverkehr sind auch immer weniger Orte zu erreichen, denn die Verbindungen sind immer weiter eingestellt worden, aus politischen und finanziellen Gründen.

     

    Nun wird es Zeit aus diesen Gründen Abhilfe zu schaffen, so geht’s nicht weiter!!!

  • Das Auto, auch der Diesel, hat in Deutschland eine dermaßen starke Lobby, dass sich keine Partei trauen wird, einen beachtlichen Teil ihrer potentiellen Wählerschaft gegen sich aufzubringen, um bei der nächsten Wahl von dieser rigoros abgestraft zu werden.

    • @Nikolai Nikitin:

      Flächendeckende Dieselfahrverbote werden deshalb nicht kommen.

      • @Nikolai Nikitin:

        @nikolai

        vielleicht noch nicht sofort "flächendeckend" - denn es geht ja nur um Großstädte. Ich lasse meinen X5 Diesel jedenfalls öfters stehen und nehme den alten Euro 2 Benziner. Wie es aussieht, stimmt der deutsche Autokäufer mit seiner Kaufentscheidung ab - nicht immer, aber immer öfter....

        • @Derrolf:

          ... auch nicht flächendeckend in Großstädten. Dies wird keine Partei wagen. Die Angst vor der Abstrafung durch den Wähler ist zu groß.

          • @Nikolai Nikitin:

            Ein Diesel lohnt sich erst ab 20.000 km - von daher tangiert das die meisten überhaupt nicht...

  • Gute Nachricht! Ich hoffe das zieht große Kreise.