Diesel-Autos in Innenstädten: Merkel will Fahrverbote verhindern
Die Bundesregierung will Diesel-Fahrverbote erschweren. Fraglich ist jedoch, ob die geplante Gesetzesänderung praktische Folgen haben wird.
Insgesamt haben im letzten Jahr 70 deutsche Städte den EU-Grenzwert überschritten. In 51 davon lagen die gemessenen Werte bei 41 bis 50 Mikrogramm – also maximal 25 Prozent über dem zulässigen Wert. In diesen Fällen, so argumentiert die Regierung, genügten die beschlossenen Maßnahmen, etwa eine Nachrüstung von Bussen und kommunalen Fahrzeugen, um die Grenzwerte mittelfristig zu erreichen. Fahrverbote seien dort darum unverhältnismäßig.
Gerichte hatten allerdings bisher in vielen Fällen entschieden, dass Kommunen Fahrverbote verhängen müssen, weil andere Maßnahmen nicht oder zumindest nicht schnell genug wirksam sind. Eine zwingende Nachrüstung der Diesel-Motoren, die das Problem nach Ansicht vieler Experten lösen würde, lehnt die Regierung bisher ab.
Zustimmung kam von NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). „Der Vorschlag der Kanzlerin geht genau in die richtige Richtung“, erklärte sie. „Eine gesetzliche Klarstellung zur Verhältnismäßigkeit von Diesel-Fahrverboten würde uns helfen.“
Die Konsequenzen sind noch offen
Die Deutsche Umwelthilfe, die bereits in mehreren Fällen Fahrverbote vor Gericht durchgesetzt hat und in weiteren darauf klagt, reagierte hingegen empört auf den Vorschlag. „Was wir hier erleben, ist eine durch Panik vor einem Wahldebakel gesteuerte Pseudopolitik, die weder Hand noch Fuß hat“, sagte DUH-Chef Jürgen Resch. Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan bezeichnete Merkels Vorschlag als „zynisches Spiel auf Zeit“. Der Versuch werde „zwangsläufig vor Gericht landen“.
Tatsächlich ist es sehr fraglich, ob die geplante Gesetzesänderung praktische Folgen haben wird. Untersagen könne die Bundesregierung solche Fahrverbote nicht, stellte ein Sprecher von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) klar: „Am Ende entscheidet eine Kommune selbst, ob sie ein Fahrverbot verhängt oder nicht.“
Jürgen Resch, Umwelthilfe-Chef
In vielen Fällen sind die Kommunen zudem von Gerichten zur Einführung von Fahrverboten verpflichtet worden. Und die haben in bisherigen Urteilen – bis hin zum Bundesverwaltungsgericht – klar gemacht, dass deutsche Rechtsvorschriften, die die Durchsetzung von Europarecht verhindern, nicht durchgesetzt werden können. „Ein solches Gesetz müssen Gerichte ignorieren“, meint darum DUH-Anwalt Remo Klinger.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers