Die perfekten Sommertreter finden: Ein Schuh wie du
Im Hochsommer zeigt sich, wer wer ist. Stehen Sie auf Adiletten-Swag oder Sandalen-Schick? Unsere AutorInnen haben die passende Fußbekleidung schon gefunden.
Sandale
Dass es mir in Deutschland mal zu heiß werden würde, hätte ich eigentlich nicht gedacht. Aber dann kam der letzte Jahrhundertsommer, ich wurde 50 und gab auf. Ich brauchte etwas Luftiges. Ich ging in meinen Lieblingsschuhladen und sagte, es sei so weit, ich bräuchte Sandalen. Ja, sagte, meine Lieblingsverkäuferin schönen Lederschuhwerks aus Italien oder England, das höre sie jetzt öfter. Ich zog die Socken aus, meine Füße waren schneeweiß, ich ekelte mich etwas vor ihnen. Das tun alle Männer, sagte meine Lieblingsverkäuferin, das legt sich. Als ich schwarze und braune Sandalen anprobierte, wurden meine Füße noch blasser. Ich fand alle Modelle hässlich, ich kaufte das, wo „Made in Italy“ draufstand. Aus Frust kaufte ich mir noch ein paar schwarze Budapester, die ich nicht brauchte und mir trotz Sale nicht leisten konnte. Meine Lieblingsverkäuferin war zufrieden. Zu Hause zog ich die Sandalen an, ich rief meine Söhne in einer vagen Hoffnung. Meine Söhne betrachteten schweigend meine Füße in den Sandalen. „Kannst sie ja noch zurückgeben“, sagte dann der 19-Jährige. „Jetzt bist du echt alt“, sagte der 14-Jährige und: „Hörst du jetzt auch auf zu duschen?“ Das war tröstend gemeint.
────────────────────
Espadrilles
Die Chucks vom Mittelmeer. International durchgesetzt hat sich hier der französische Name. Wenn man Katalanisch spricht, heißen die Schlüpfschuhe Espardenyes. Beide Wörter kommen wohl von Esparto, einer Grassorte, die an den Mittelmeerküsten wächst und aus der die Sohle ursprünglich mal geflochten wurde. Auf Kastilisch trägt man sie als Alpargatas, was die Sprachforschung in Schwierigkeiten bringt. Ist wohl ein iberisch-arabischer Wortmischmasch. Aber wie dem auch sei, in den südspanischen und -französischen Küstenregionen ist es nicht ungewöhnlich, in den Tiendas der kleineren Orte auf Regalwände zu stoßen, wo sich die mit kunterbuntem Baumwollstoff bespannten Espadrilles bis zur Decke stapeln wie in einer Schuhbibliothek. Espadrilles sind angenehm luftig – und sitzen besser am Fuß als die Kolleg*innen Flipflop und Adilette. Sie sollten nur nicht nass werden.
────────────────────
Birkenstocks
Die Luxusmarke Céline brachte sie auf den Laufsteg, Moderedakteur*innen überschlagen sich mit ihrer Aufforderung: „Ja, unbedingt nachmachen!“ Die einst als Ökoschlappe verspottete Sandale überflutet den Sommer. Birkenstocks, das Revoluzzer-Maskottchen der 70er Jahre, sind zum Fashion-Statement geworden: Kate Moss trug sie schon in den 90ern, inzwischen ist auch Selma Blair in sie verliebt. Die „anständigen Schuhe mit ordentlichem Fußbett“ haben sich von meinen – eher verhassten – Hausschuhen aus Kindertagen zu meinem Partner für die Ewigkeit entwickelt. Fremd gehe ich nur mit unterschiedlichen Modellen und trage daher Arizona, Madrid und Gizeh abwechselnd. Diese Strategie soll auch das einzige Manko der Schuhe möglichst lange verstecken: schwarze Zehenabdrücke und schlechter Geruch. Aber in jeder guten Beziehung, gibt es Kritikpunkte.
────────────────────
Adiletten
Adiletten sind die neuen Birkenstocks, meine Meinung. Sie sind sehr deutsch, haben ein ergonomisches Fußbett – und jede*r trägt sie. Die Duschschlappen mit ihrer rutschfesten Sole haben heute den Prollfaktor von Karottensticks, auch wenn ihre Besitzer*innen das vielleicht nicht so richtig wahrhaben wollen. Mehrere Rapper*innen von Goldroger bis Schwesta Ewa widmeten den Slippern eine Hommage, Haftbefehl landete mit seiner Kreation („Brudiletten“) sogar einen ziemlichen Marketingerfolg. Sie kommen aufgemotzt mit Flausch, Strass oder Perlen daher, doch eines verbindet sie alle: das berühmte Quietsch- oder Schlürfgeräusch. Mittlerweile sind sogar teure Luxusmarken wie Louis Vuitton, Hugo Boss, Gucci oder wie sie alle heißen auf den Trend aufgesprungen, um ordentlich mitzuverdienen. Der Klassiker bleibt aber natürlich die Adilette. Kombinieren kann man sie übrigens am besten mit Socken – und einem ironischen Zwinkern.
────────────────────
Flipflops
Platsch, platsch, platsch. Kein Geräusch klingt mehr nach Sommer als jenes, das die Gummisohle der Flipflops erzeugt, wenn sie zwischen Fuß und Boden hin und her schnalzt. Anfang der nuller Jahre war das Schuhwerk nicht wegzudenken aus den Bahnen, Bars und Büros der Städte. Jetzt, nach einem guten Jahrzehnt Fliflopshaming, haben die Fashionistas sie zurückgeholt auf die Laufstege, in die Vogue und schlussendlich dahin, wo sie hingehören: auf die Straße. Gott sei Dank! Denn jede*r kann sie sich leisten, bei 40 Grad bedecken sie keinen Millimeter des Fußes zu viel, man kann mit ihnen durch jedes Gewässer watscheln. Und habe ich schon das schöne Geräusch erwähnt, das sie erzeugen? Deutsche Socken-in-Sandalen-Lieberhaber*innen stellen sie zwar vor eine kleine Herausforderung. Aber hey, wozu gibt es denn Zehensocken?
────────────────────
Barfuß
Die Frage nach dem Sinn des Schuhs ähnelt der nach dem Sinn des Gartenzwergs. Ebenso wenig wie ein Garten einen Zwerg braucht, um zu gedeihen, benötigt der Mensch einen Schuh, um sich fortzubewegen. Der freie Fuß gewährleistet am verlässlichsten die korrekte Statur; ihn im Naturzustand zu betätigen ist dem Wohlbefinden und der Stressreduzierung förderlich auf so gut wie allen Untergründen und unter fast allen meteorologischen Umständen. Dauerhaftes Einsperren hingegen begünstigt Fehlstellungen, Pilzbefall und andere unerwünschte und schwer rückgängig zu machende Zustände. Für die seltenen, meist sozial oder technisch bedingten Ausnahmesituationen gibt es Ausnahmen vom Sicherheitsschuh bis zum Uniformstiefel, vom Sportschuh bis zur polierten Lederverkleidung. Die auf dieser Seite beschriebenen Sommervarianten taugen nichts. Sie verraten lediglich etwas über ihre Besitzer. So wie Gartenzwerge.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland