Die erste Chefin der französischen CGT: Jung und feminin ist angesagt

Die französische Gewerkschaft CGT hat zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Frau als Chefin gewählt. Mit 41 Jahren ist Sophie Binet außerdem jung.

Sophie Binet

Sophie Binet am Mittwoch in Paris Foto: Sarah Meysonnier/reuters

PARIS taz | 128 Jahre nach der Gründung der Confédération Générale du Travail, besser bekannt unter der Abkürzung CGT, steht eine Frau an der Spitze des wichtigsten Gewerkschaftsverbands in Frankreich. Zwei Kolleginnen hatten beim Kongress in Clermont-Ferrand in der letzten Woche für die Nachfolge von Philippe Martinez kandidiert und rechneten entweder mit der Unterstützung vom scheidenden Vorsitzenden oder einer härteren Fraktion der CGT. Doch gewählt wurde zur allgemeinen Überraschung eine Dritte: die 41-jährige Sophie Binet.

Im Unterschied zu den allermeisten ihrer ausschließlich männlichen Vorgänger ist sie keine Arbeiterin. Bisher war sie Generalsekretärin des Verbands der Ingenieure und Techniker, der nach Angaben des Historikers Stéphane Sirot seit seiner Gründung 1963 von den Industriearbeitern der viel älteren CGT-Verbände mit einem gewissen Misstrauen betrachtet wurde.

Binet verkörpert, Sirot zufolge, ebenfalls eine soziologische Änderung innerhalb der Gewerkschaftsbewegung: „Die CGT ist weniger in der Industrie vertreten. Statistisch betrachtet sind die Techniker und Kader heute stärker gewerkschaftlich organisiert als die Angestellten und Arbeiter.“ Es war darum wohl nur eine Frage der Zeit, dass sich diese Entwicklung auch bei der Wahl der Führung bemerkbar machen würde.

Eine junge Frau und dann aus den Reihen der Kader, das sind wahrlich viele Wechsel auf einmal für die CGT, die noch vor Kurzem als Männerdomäne galt. Sexistische Bemerkungen waren Gang und Gäbe und die Themen der Gleichberechtigung genossen selten Priorität. Diesbezüglich will Binet einen heilsamen Schock bewirken. Der Kampf für gleiche berufliche Chancen und Löhne, der Kampf gegen Sexismus und sexuelle Aggression – auch in den eigenen Reihen – wird von nun an kein sekundäres Thema mehr sein.

Soziale Rechte und Gleichstellung als Teil der Emanzipation

Für die 41-jährige Frauenrechtlerin gelten als zwei Aspekte derselben Emanzipationsbewegung sowohl der Kampf für soziale Rechte der historischen Arbeiterbewegung als auch das Engagement für die Gleichstellung der Frauen. In diesem Sinne möchte sie als „Feministin des Klassenkampfs“ wahrgenommen werden. Sie hat mit dieser Linie insbesondere die jüngeren Erwerbstätigen im Blickfeld, die sich heute von der Gewerkschaftsbewegung nicht vertreten fühlen und nur selten Mitglied in einer traditionellen Organisation wie der CGT werden.

Nach ihrem Philosophiestudium in Nantes hatte sie in Berufsmittelschulen zuerst in Marseille und danach im Pariser Vorort Blanc-Mesnil als Schulpädagogin gearbeitet. Bevor sie mit ihren gewerkschaftlichen Aktivitäten anfing, hatte sie an der Hochschule bei der Unef (Union Nationale des Étudiants de France), einer den Sozialisten politisch nahestehenden Organisation der Studierenden, Bewegungserfahrungen gesammelt. Seit 2014 ist sie Gewerkschaftsfunktionärin.

Binet hat bei ihrer Wahl am 31. März versichert, dass die CGT mit ihr weiterhin an der Spitze des Widerstands gegen die Rentenreform stehen wird. Die Rücknahme durch die Regierung stelle die Vorbedingung jeglicher Verhandlungen dar. Für die französische Premierministerin Elisabeth Borne ist die neue CGT-Chefin bestimmt keine umgänglichere oder nachgiebigere Gesprächspartnerin als der Vorgänger Martinez.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.