Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Ach ja: Die Hütchenspiele der Kanzlerin, der Motorschaden der Öffentlich-Rechtlichen und die Binsen des Wolfgang Herles.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Trump möchte „Waterboarding“ wieder einführen, Petry an der Grenze rumballern.
Was wird besser in dieser?
Das RTL-Format „Dschungel“ wird wegen seines gelebten Humanismus im Vergleich zu Wahlkämpfen ausgezeichnet.
Die Bundesregierung will Marokko, Tunesien und Algerien zu sicheren Herkunftsländern erklären, um Asylsuchende von dort leichter abweisen zu können. Nur müssen die Länder die Flüchtlinge auch zurücknehmen. Was wirft Merkel dafür in den Ring?
Ihren Hut, und dann beginnt das Hütchenspiel: Unter einem sind Abschiebungen. In Länder mit Folter (Marokko), verstümmelter Meinungsfreiheit (Algerien) und Haftstrafen für Oppositionelle (Tunesien). Unterm anderen Hütchen sind Visa-Erleichterungen für genehme Reisende; netter Nachschub für den europäischen Arbeitsmarkt. So etwas wünschen die Maghreb-Staaten von der EU, nun haben sie eine Chance. Ergebnis: Flüchtlinge müssen zurück in Länder, in denen sie dann wegen „illegaler Ausreise“ bestraft werden. Dafür kommen andere, auf deren Auswahl sich die EU über entsprechende Abkommen Einfluss verschafft. Während also die Christdemokraten Gabriel (“Entwicklungshilfe kürzen“) und Kretschmann (“Sichere Drittstaaten !“) dumpf rechts reden, macht die Kanzlerin lupenreine FDP-Politik.
Ex-ZDF-Journalist Wolfgang Herles behauptete, es gebe Anweisungen von oben für die Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen über die Flüchtlingsdebatte – und nahm es wieder zurück. Chefredakteur Peter Frey bestreitet vehement, dass das ZDF ein „Wir schaffen das“-Sender sei. Wie weit ist Mainz eigentlich von Berlin?
So ein toller Patsch! Ähnlich wie die WDR-Kollegin, die kürzlich im holländischen Radio eine Beschreibung deutscher Rundfunkräte radebrechte, bei der Rückübersetzung böse unter den Duden kam und seither einen Nebenjob als Freiheitsheldin bei russischen Propagandamedien mit sich herumschleppt. Bitten wir das ZDF um eine Superzeitlupe: Ja, Vorgaben wie die deutsche Einheit und die Menschenrechte des Grundgesetzes sind in Staatsvertrag und ZDF-Statut ehern eingeschrieben. Seit je.
Das sind, mit Verlaub, Binsen etwa im Vergleich zur rigiden „Unternehmensverfassung“ beim Springer-Verlag, die von Kollegen auch schon als „Denkverbot“ gedeutet wurde. – Herles hebt dann ab auf das Agenda-Setting der Regierungsparteien, und nun ist es sehr schade, dass er mit einer reißerischen Aufmachung einen höchst seriösen Inhalt gleich mit wegschreddert.
Denn so wohlfeil die große Verschwörungstheorie daherkommt – zutreffend ist: Politik ist den von Parteien überwachten Sendern längst zur Parteipolitik geronnen. Nicht, was die Menschen bewegen mag – sondern: Was die Parteien an Themen forcieren, wird als Politik verkauft. Das ist der Motorschaden der Öffentlich-Rechtlichen; da hilft es wenig, spirituelle Debatten über die Lackierung des Fahrzeugs vorzuschieben.
Die AfD fordert den Einsatz von Schusswaffen an den deutschen Grenzen. Meinen die das ernst?
Ja. Der Storch bringt die Kinder, und die Storch bringt sie um. Der Vorsitzende eines Mauer-Opfer-Verbandes zieh Frauke Petry als „offensichtlich geisteskrank“, was die Latte sacht unterspringt, denn immerhin wurde hier mit minimalem Einsatz maximal Medienwelle gemacht. Wenn darauf die ehrwürdige Zeit mit der Schlagzeile aufwartet „Mehrheit lehnt Waffeneinsatz an der Grenze ab“, lässt sich füglich folgern, dass eine stattliche Minderheit den Schuss nicht gehört hat.
Das Finanzministerium will künftig Barzahlungen über 5.000 Euro verbieten. Kann man Kalaschnikows und andere gefährliche Sachen nicht auch mit Bitcoins bezahlen?
Niederländische und westdeutsche Städte testen die Abschaffung der kleinen Centmünzen, die Bundesregierung erwägt das Ende der großen Scheine, und dies beides, während die Banken „Negativzinsen“ androhen, Strafgebühren fürs Habenkonto. Ziviler Ungehorsam: richtig Bargeld in der Tasche. Venceremos!
In Köln wurden Integrationskurse für Flüchtlinge angeboten, mit Fokus auf Karneval. Was sollten die Kursteilnehmer dort als erstes lernen?
Zu Weiberfastnacht ist es Brauch, dass Frauen Krawatten abschneiden. Eine textile Metapher auf die in Deutschland legale Genitalverstümmelung bei Knaben. Lachen gefälligst.
Und was machen die Borussen?
Das FanBlog schwatzgelb.de benennt Platz zwei neu: Niemandsland, wo man mit Meisterschaft so wenig zu tun hat wie mit dem Abstieg.
FRAGEN: MAHA, FAY
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste