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Die Westdeutschen und die SystemfrageKampfbegriff Sozialismus

Nach dem Zweiten Weltkrieg lehnten die Deutschen den ungebremsten Kapitalismus ab – wie nun Juso-Chef Kevin Kühnert. Das verflog jedoch bald.

Als es nur aufwärts zu gehen schien: Familie in den 60ern mit Volkswagen 1200 Berlina Foto: dpa

BERLIN taz | Juso-Chef Kevin Kühnert betritt kein Neuland, wenn er überlegt, ob man Großkonzerne wie BMW verstaatlichen sollte. Nach dem Zweiten Weltkrieg war fast jeder Westdeutsche überzeugt, dass der ungebremste Kapitalismus versagt hatte. Die Weltwirtschaftskrise ab 1929 war ein Schock gewesen, und außerdem hatten sich die meisten Unternehmer diskreditiert, weil sie willig mit dem NS-Staat zusammengearbeitet hatten.

Die Suche nach Alternativen war derart verbreitet, dass sogar die CDU davon erfasst wurde. In ihrem Ahlener Programm von 1947 hieß es: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.“ Die CDU forderte daher eine „gemeinwirtschaftliche Ordnung“, in der „das Genossenschaftswesen (…) mit aller Kraft auszubauen“ sei. Kartelle und Monopole sollten bekämpft und die Montanindustrie verstaatlicht werden.

Die Begeisterung fürs Kollektive verflog allerdings früh, weil man mit Schrecken verfolgte, was sich in der sow­jetischen Besatzungszone abspielte, die rigoros stalinisiert wurde. In Ostdeutschland entstand eine zentrale Planwirtschaft, die keinen Markt mehr kannte. Stattdessen wurde eine ökonomische Diktatur errichtet, die Preise und Produktmengen staatlich vorgab.

Die CDU setzte daher ab 1948 ganz auf die „soziale Marktwirtschaft“. Dieser neue Name verbrämte ein altes Konzept: Die Union knüpfte bruchlos an die Tradition der Weimarer Republik an – sowohl organisatorisch wie personell. Die Großkonzerne blieben privat, und die altbekannten Manager hatten wieder das Sagen.

„Rot lackierte Faschisten“

Die SPD hingegen versuchte es mit einem Mittelkurs. Auch sie lehnte die SED-Diktatur vehement ab und bezeichnete die ostdeutschen Kommunisten als „rot lackierte Faschisten“. Aber gleichzeitig blieb die SPD dabei, dass sie zentrale Schlüsselindustrien verstaatlichen wollte. SPD-Chef Kurt Schumacher hatte zehn Jahre lang in Konzentrationslagern gelitten und war überzeugt, dass sich eine erneute Diktatur nur verhindern ließe, wenn die Großkonzerne entmachtet würden. Die SPD wollte also nicht die Planwirtschaft des Ostens, doch diese Feinheiten waren vielen Wählern nicht zu vermitteln. Zur Verwirrung trug bei, dass beide Konzepte „Sozialismus“ hießen und sich auf Karl Marx beriefen.

Diese Grundsatzdebatten verloren bald an Brisanz, weil die Wirtschaft boomte und Wachstumsraten von fünf Prozent pro Jahr und Kopf erreichte. Willig glaubte das Wählervolk an einen neuen Mythos: Die „soziale Marktwirtschaft“ habe ein „Wirtschaftswunder“ erzeugt, das in der Welt einzigartig sei.

In ihrer Nabelschau entging den Westdeutschen, dass fast alle europäischen Staaten ein Wirtschaftswunder erlebten

In ihrer Nabelschau entging den Westdeutschen, dass fast alle europäischen Staaten ein Wirtschaftswunder erlebten. Völlig unerheblich war übrigens, ob die Länder an die unbeschränkte Marktwirtschaft glaubten oder Schlüsselindustrien verstaatlicht hatten. Der Aufschwung setzte überall ein.

Interessant ist der Vergleich zu Frankreich. Dort regierte der erzkonservative Ex-General De Gaulle zusammen mit Kommunisten, Sozialisten und Christdemokraten. Dieser bunte Haufen verstaatlichte zunächst einmal die Renault-Werke, zahlreiche Kohlegruben, die Pariser Verkehrsbetriebe, die Handelsmarine, die Luftfahrtgesellschaften, die Elektrizitätswerke, die Banque de France, die vier größten Depotbanken und einige Versicherungen. Doch dabei beließ man es nicht: Die gesamte Wirtschaft, auch der Privatsektor, wurde staatlich gesteuert. Eine Kommission lenkte die Investitionen und gab Entwicklungsziele vor. Die Losung hieß „Planification“, und das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Zwischen 1950 und 1973 kam Frankreich auf ein Wachstum von 4,1 Prozent pro Jahr und Kopf.

Schwerer Fehler 2008

Der Staat störte nicht, wie sich auch in Österreich zeigte: Nach dem Krieg arbeiteten dort 31 Prozent aller Erwerbstätigen beim Staat oder in öffentlichen Betrieben. Trotzdem wuchs die Wirtschaft genauso schnell wie in der Bundesrepublik, was keinen Deutschen wundern sollte. Denn auch hierzulande war damals ein staatliches Unternehmen besonders innovativ: VW.

Die Erfolge der öffentlichen Betriebe gerieten jedoch in Vergessenheit, so dass es in der Finanzkrise ab 2008 zu einem schweren Fehler kam: Die Commerzbank wurde nicht verstaatlicht, obwohl sie 18,2 Milliarden Euro vom Steuerzahler erhielt. Zu groß war die Angst bei Union und SPD, als „Sozialisten“ abgekanzelt zu werden. Also kam es zu einer Art verkehrtem Sozialismus: Die Gewinne wurden privatisiert – und die Verluste sozialisiert.

Doch ist es bekanntlich nie zu spät, aus der Geschichte zu lernen. Commerzbank und Deutsche Bank dürften wieder in Schieflage geraten, sobald es zu einer Rezession kommt. Dann wäre Kevin Kühnert gefragt. Statt sich auf BWM zu kaprizieren, sollte er sich jetzt schon in das Thema Großbanken einarbeiten.

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38 Kommentare

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  • Dank an Ulrike Herrmann für Ihren spannenden Beitrag.

    "In ihrer Nabelschau entging den Westdeutschen, dass fast alle europäischen Staaten ein Wirtschaftswunder erlebten"

    Gut zu erinnern.

    Wobei sog. Wirtschaftswunder in Westeuropa, ohne dies so kenntlich zu legen, Koreakrieg Konjunktur in USA geschuldet war, anders als in übrigen Ländern, in Westdeutschland unter besonderer Bedingung zusätzlicher Kaufkraft von an 2 Millionen Besatzungssoldaten aus USA, England, Frankreich, Benelux Staaten Schubkraft gewann.

    November 1948 gab es in Westdeutschland einzigen, dazu erfolgreich politischen Generalstreik gegen verheerende Folgen der Währungsreform Mai 1948 durch Professor Ludwig Erhard, Gründer 1. Industrie- Marktforschungsinstitituts 20er Jahre in Weimarer Republik, der, entgegen allen Regeln sozialer Marktwirtschaft, Preisgestaltung für Industriegüter, Güter täglichen Bedarfs, Lebensmittel, Mobilität, Mieten, Grund, Boden, Immobilien freigegeben hatte, bei gleichzeitigem Lohnstopp. Damit war der Grundstein des Übels gelegt, auf Entkoppelung von Miet- , Lohnentwicklung zu setzen. Worauf Gräfin Dönhoff in Der Zeit sinngemäß kommentierte "Professor Erhard, welch ein Dilettant, welch Schreckensmann, der mit der Währungsreform 1948, vorhanden humanitärer Katastrophe eine neue draufsattelt".

    Ohne Koreakrieg Konjunktur wäre Währungsreform 1948 gescheitert.



    Väter, Mütter Grundgesetzes zogen daraus nach kontroverser Debatte fatalen Schluss, politisches Streikrecht, Verbandsklagerecht für Gewerkschaften, Verbände, Kirchen, NGOs in Westdeutschland, anders als in anderen westeuropäischen Ländern, nicht in Grundrechte Kanon aufzunehmen. Wer wie Kevin Kühnert krasser Entkoppelung von Mietpreis- . Lohnentwicklung entgegen wirken will, kommt um Forderung nach politischem Streikrecht nicht herum, dazu, wenn er partielle Enteignung gegen Entschädigung einiger Akteure am Immobilien- , Mietpreisblasenmarkt zu deren Entschärfung und Rettung sozialer Marktwirtschaft anstrebt.

  • BMW, sind doch die, die nur Elektroautos bauen! Ach ne, die betrügen ja auch bei den Abgaswerten. Greta is not amused!

    So wird das nichts, der Kapitalismus kriegt das nicht hin eine ökologische Zukunft den nachfolgenden Generationen zu garantieren!

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Eine Aufregung ist das hier, als würden die Arbeiter die Kasernen stürmen und sich bewaffnen.

    Tun sie aber nicht. Und solange sie das nicht tun, wird das nichts mit der Kollektivierung.

    Und wer glaubt, dass sich Leute,die eine Milliarde im Jahr einnehmen, sich von ein bisschen demokratischer Prozedere die Butter vom Brot nehmen lassen, der hat nicht verstanden, um was es bei dieser Demokratie geht.

    Jetzt ist die Aufregung groß. In einer Woche ist das vorbei, weil diese Vorschläge auf keinen fruchtbaren Boden fallen. Den gibt es nämlich nicht. Leider.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Och Gottchen, so ernsthaft würde ich die „Linke“ nun auch nich nehmen. .



      Morgen werden allenfalls die Supermärkte gestürmt! (-:

      • @Rudolf Fissner:

        Ja wie^¿^ - Stürmern? Sie? Mach Bosse!

        Nich - daßse sich hier noch zum -



        Salonbolschewisten …öh Vertwisten - wa^¡* Nö. Schlüpferstürmer - allenfalls.



        Normal. Soon Hals.

        & dere - & 💤💤💤 😈

  • Wird es gelingen, den Kapitalismus global sozialer zu gestalten?



    Bisher sind diesbezüglich keine Anzeichnen zu erkennen!



    Wird es gelingen, den Kapitalismus global ökologischer zu gestalten?



    Auch diesbezüglich sind bisher keine Anzeichnen zu erkennen!



    Wird es der Menschheit gelingen, mit dem bzw. trotz Kapitalismus die zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen?



    Definitiv nein!

    • @Frederik Andersen:

      Oder platt gefragt:



      * Wird es gelingen eine Ökosteuer einzurichten



      * Wird die komische Gelbwestenlinke / Schwarzer Block Grütze weiterhin deswegen Einzelhandelslädenfenster bepupsen?

      • @Rudolf Fissner:

        Die Maxime des Kapitalismus ist doch nur der wirtschaftliche Gewinn.



        Warum wird eine Firma gegründet: um Gewinne zu erzielen.



        Warum werden Menschen als Arbeiter angestellt: um die Gewinne zu erhöhen.



        Denn Rest ist für die Firma uninteressant.



        Die ganze Palaber um soziale Matkwirtschaft sind nur Nebelkerzen...

        • @yurumi:

          Ode knapp gefragt, warum unterstützt die Linkspartei a‘la Wagenknecht die Gelbwesten eine Blockade der Ökosteuer?

  • Die Deutschen Kommunisten haben es verbaselt.

    Den Demokratischen Sozialismus in der Weimarer Republik, die die Kommunisten schon vor Verfassungsgebenden Versammlung über die Klippe jagen wollten und nach dem Krieg mit ihren 40 jährigen abgeschotteten Staatsvesuch.

    Ein dreiviertel vergeigtes Jahrhundert mit Sozialismusspielchen, ohne irgendwelchen Leuchtfeuer, die als Vorbild dienen können.

    Sozialismus ist nicht nur ein lapidarer „Kampfbegriff“ in Deutschland. Die letzten hundert Jahre drehten sich immer zentral auch um diesen Begriff. Und als Schönheit hat er sich selten dargestellt bei den jeweiligen Machthabern und Beteiligten

  • Guter Artikel.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Sie auf Seiten der klaren Worte?

    Dummerweise habe ich mir soeben meine zarten, filigranen Fingerchen verletzt ... und kann jetzt so gar nicht wie ich gerne würde ....

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Na ahl Hessebub - da helf ich doch gern

      Es sei hier & zu anderen so unbedarften Hubereien einschl. der grad wieder so derart unsäglichen - grr



      SPezialDemokratie daran erinnert - wa!

      “Sozialer Rechtsstaat“ Art 20 GG - kerr!



      Ist eine Erfindung - Hermann Hellers •



      Des Kronjuristen der SPD - dem leider viel zu früh verstorbenen - weit besseren Gegenspieler des unsäglichen Kronjuristen der Nazis - Carl Schmitt.

      unterm——



      de.wikipedia.org/w...nn_Heller_(Jurist) -



      Hermann Heller (* 17. Juli 1891 in Teschen; † 5. November 1933 in Madrid) war ein deutscher Jurist jüdischer Abstammung und Staatsrechtslehrer. Er lehrte an den Universitäten Kiel, Leipzig, Berlin und Frankfurt am Main. Heller prägte in seiner Schrift Rechtsstaat oder Diktatur? von 1930 den Begriff des sozialen Rechtsstaats.…“

      Vergessen in seiner Partei.



      Dafür hat es ein Carl Schmitt - zum Nachkriegs(verfassungs)Drahtzieher - letztlich bis heute via Carl-Schmitt-Fronde bis ins - (ja ja - so isset -;( Bundesverfassungsgericht - newahr

      & vor allem auch zur ekel-Nachtlektüre



      Wolfgang Schäubles - exIM&Gröfimaz Uns Zweithöchster Präsigrad im Staate!



      Gebracht!

      & Däh!



      'Schäubles schauderhafte Nachtlektüre‘



      amp.welt.de/welt_p...Nachtlektuere.html



      www.zeit.de/2007/3...bles_Nachtlektuere

      Noch Fragen?!

  • Danke. Klare Worte.

    unterm——



    Der kalte Krieg verlief unmittelbar durch das Schland in den Grenzen von 1937 - in so vielfältiger Form.



    &



    Ol Conny - sozialer zwar als Mr. Zigarre zu DM - “Das müssemer mache - das machemer aber nich - du machst den Vorsitz!“ zu seinem Bankerbuddy Pferdmenges (mit Josef Abs = Deutsche Bank)* einst zum Ausschuß zu



    Ja ja! (bis heute!) Art 15 Grundgesetz!



    (“Die ham dem Adenauer 200Tsd. - ein Arsch voll Geld - Spekulationsschulden erlassen. Na Jung - kann der Mann noch unabhängig sein?“ - ming Ol - der nüchterne Koofmich.

    & ala long - besonders wichtig bis hück:



    Die damals noch kriegserfahren mißtrauisch-zögerlich aber doch gelebte Idee eines Vereinten Europas kam mehr & mehr unter die Räder!



    “Aus unserer Sicht (Brüssel) - wäre es besser der Dicke würde wieder gewählt!“ “???büst verrückt?!“



    “Du kannst gegen Kohl sagen was du willst. Wenn er was für die Wirtschaft gemacht hat. Dann immer auch für Europa. Der hat die Besatzerstiefel noch im Wohnzimmer erlebt!



    Schröder & Lafontaine - stehen für gar nichts!“

    kurz - Wahre Worte vs Weiter so - wa!



    Back to the roots & darüber hinaus!



    Denken & Handeln - Nicht verkehrt.



    Nö. Sondern unabweisbar notwendig.



    Die res publica - die Öffentliche Sache!



    Neu & weiter verhandeln. That’s it. •

    • @Lowandorder:

      de.wikipedia.org/w...Robert_Pferdmenges



      “Robert Pferdmenges (* 27. März 1880 in Mönchengladbach; † 28. September 1962 in Köln) war ein deutscher Bankier und Politiker der CDU.…“



      &



      de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Josef_Abs



      “Hermann Josef Abs (* 15. Oktober 1901 in Bonn; † 5. Februar 1994 in Bad Soden am Taunus) war ein deutscher Bankier und von 1938 bis 1945 Vorstandsmitglied, von 1957 bis 1967 Vorstandssprecher sowie von 1967 bis 1976 Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank AG. Im Dritten Reich mit dem als „Arisierung“ verharmlosten Raub jüdischer Vermögen betraut, arbeitete Abs nach dem Zweiten Weltkrieg als „Finanzdiplomat“ und Ratgeber sehr eng mit Konrad Adenauer zusammen. Zudem war er Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten verschiedener Industriekonzerne und galt als ein einflussreicher Kunstmäzen.…“

      & nochens - Danke fürs Fotto - ;))



      Fein gewählt & als der Käse schon gegessen.



      Nämlich - das Nummernschild - BS -



      Für Braaaanschweig - Remember!



      Däh! “Am 26. Februar 1932 legte Hitler in Braunschweig den Eid auf die Reichs- und Landesverfassung ab und wurde zum Regierungsrat ernannt. Dadurch erhielt er gleichzeitig die deutsche Staatsbürgerschaft.…“

      Einbürgerung - leicht gemacht - !



      (Nach etlichen vergeblichen Versuchen.



      Ja - da “liegen die Wurzeln fein blank!“

      Na Mahlzeit 🥘

  • 1945 wollte man die Kriegsindustrie kontrollieren und bildete die Montanunion. Die Voraussetzungen waren völlig andere als heute!

  • Soe soehr ich die Diskussionen um die Wirtschaftsordnung auch begrüsse, so würde ich mir doch ein paar Erläuterungen von K. Kühnert wünschen:



    - Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich eine genossenschaftliche Ordnung oder Verstaatlichungen anstrebe.



    - Gerne würde ich mal ein Beispiel sehen, wo der Sozialismus - also eine staatliche Planwirtschaft! - wirklich funktioniert.



    - Die einzigen Gemeinwesen, in denen der Sozialismus z.T. funktioniert, sind Kibbuze in Israel. Allerdings zum Preis einer vollkommenen Aufgabe der Privatsphäre des Einzelnen.



    - Bzgl. der Verstaatlichung von Banken: auch wenn der Staat sagt, wo es langgeht, so können Krisen nicht vermieden werden, siehe Landesbanken.

    Mein Vorschlag: stärkt die Genossenschaften, und für die privaten Kapitalgesellschaften: legt einen strengeren gesetzlichen Rahmen vor, was die Boni und Gehälter, den Umweltschutz und Arbeitsbedigungen betrifft. Damit wäre mehr gewonnen als mit Sozialismus-Diskussionen, bei denen eh jeder etwas anderes darunter versteht.

    Das Problem ist doch, dass der real existierende Kapitalismus mit all seinen Fehlern stets mit einem Wunschbild von Sozialismus verglichen wird (das notabene nirgends auf der Welt verwirklicht werden konnte).

    • @Emmo:

      "Die einzigen Gemeinwesen, in denen der Sozialismus z.T. funktioniert, sind Kibbuze in Israel. Allerdings zum Preis einer vollkommenen Aufgabe der Privatsphäre des Einzelnen."

      Eine - mit Abstrichen - erfolgreiche genossenschaftliche Sozialismus-Variante ist z. B. Mondragon:



      de.wikipedia.org/w...C3%B3n_Cooperativa

      Aber auch dort führen die widerstreitenden Ansprüche von Ökonomie und Solidarität zu auseinanderdriftenden Interessenlagen, die in jedem sozialistischen Projekt ein unvermeidlicher Keim des Zerfalls sind.

      Der Anspruch auf wechselseitige Solidarität muss ja "gegen den Strom schwimmend" aufrechterhalten werden, und die Bereitschaft dazu ist veränderlich.

      Jedes Konzept wird die Tendenz haben mit der Zeit unterlaufen zu werden und sich vom Solidarprinzip zu entfernen. Man muss also solche Entwicklungen von vornherein einplanen und Wege finden, sie auszuhebeln.

      Die Tora sah für den regelmäßigen sozialen Ausgleich übrigens das "Jubeljahr" vor:



      de.wikipedia.org/wiki/Erlassjahr

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Die SPD probiert halt alles aus was irgendwie mehr Stimmen bringt, wahrscheinlich darf Sarazin demnächst auch auf einem offiziellen SPD Event seine Thesen zum Besten geben, Hauptsache man kommt über die 5% Hürde.

  • Kampfbegriff Sozialismus.



    Chance Sozialimus sollte das heißen!

    Verstaatlichung ist nicht das Problem - doch wohl eher die Privatisierung.

    z.B. Bundesbahn



    de.wikipedia.org/w...Bahnprivatisierung

    die Bahn war mal gut - vor der Privatisierung.

    aber auch die ganzen Stadtwerke im Land wo wieder anders gedacht wird

    www.welt.de/wirtsc...er-Stadtwerke.html

    • @Justin Teim:

      Die Bahn gehört zu 100% dem Bund.

      • @Sven Günther:

        Die tun aber so, als ob die privatwirtschaftlich agieren und schaffen es auf wunderliche Weise, die Scheiße aus beiden Konzepten (staatlich/privat) zu kultivieren. Muß mensch auch erstmal hinkriegen...

  • Kampfbegriff Sozialismus

    Sozialismus war vor allem in der Zwischenkriegszeit ein Kampfbegriff, unter dessen Flagge die bürgerlich-liberale und die militant-radikale Rechte aller Couleur in gemeinsamer Querfront gegen den „Marxismus“ zu Felde zog. Die Beziehungsgeschichte zwischen Liberalismus und Faschismus als politische Doktrinen kennt Phasen direkter Annäherung und Lobpreisung des Faschismus' durch die Liberalen, wie etwa Ludwig van Mises', Spiritus rector des modernen Neo-Liberalismus des 20. Jhs. und geistiger Patron der Chicago Boys: Er sah im Faschismus das einzige Heil, den Liberalismus, den er überdies auch noch mit „der europäischen Gesittung“ identifizierte, zu retten: „Es kann nicht geleugnet werden, daß der Faszismus und alle ähnlichen Diktaturbestrebungen voll von den besten Absichten sind und daß ihr Eingreifen für den Augenblick die europäische Gesittung gerettet hat. Das Verdienst, das sich der Faszismus damit erworben hat, wird in der Ge- schichte ewig fortleben.“ (L. v. Mises: Liberalismus. Jena 1927, S. 46) Dieses liberalistische Lob des Faschismus' wird auch nicht dadurch gemildert, daß Mieses ihn nur als einen "Notbehelf des Augenblicks“ ansah: Ihn für die Zwecke des Liberalismus' zu instrumentalisieren setzt nolens volens substanzielle doktrinale Schnittmengen voraus, die Mises ja auch nicht in Abrede stellt, auch wenn er à la longue nicht an dessen Erfolg glaubte.

    Nicht weniger deutlich war W. Churchill, als er im Februar 1933 den Duce in höchsten Lobestönen pries: „Der von Mussolini verkörperte römische Genius, der größte heute lebende Gesetzgeber, hat vielen Nationen gezeigt, wie man dem drohenden Sozialismus entgegentreten kann; er hat den Weg gezeigt, dem eine mutig geführte Nation folgen kann. Mit seiner faschistischen Herrschaft hat Mussolini eine Orientierung gegeben, von der sich die Länder in ihrem gemeinsamen Kampf gegen den Sozialismus leiten lassen müssen.“ (Rede vor der englischen Antisozialistischen Liga)

    • 9G
      94797 (Profil gelöscht)
      @Reinhardt Gutsche:

      Sehr interessanter Kommentar. Und sehr lehrreich



      Besten Dank für die zur Verfügung gestellten diesbezüglichen Aspekte:



      Liberalismus und Faschismusschnittstellen.

      • @94797 (Profil gelöscht):

        Das macht tatsächlich Sinn, denn beide Denkweisen basieren auf eine Art darwinistischem Denken. Beide unterscheiden in mehr oder weniger wertvolle Menschen. Die Kriterien mögen zwar verschieden sein, jedoch sind sie sicherlich leicht in einander zu transferieren.



        Ich bin mir sicher, da findet man einige Beispiele in der aktuellen Politik.



        Siehe Buch: Inside AfD: Der Bericht einer Aussteigerin

        • 9G
          94797 (Profil gelöscht)
          @Michi W...:

          Ich muus Ihnen als Biowissenschafzler nie einem widersprechen.



          Darwinistisches Denken?



          Darwin kann nix dafür , Für das" darwinistische Denken".



          Der war sehr human(istisch).

          Sie meinen vielleicht Herbert Spencer.



          Dem kann man diese Denke nachsagen.

          Sonst teile ich Ihre Ansicht inhaltlich.

          • @94797 (Profil gelöscht):

            Mit „darwinistischem Denken“ meint Michi nicht die eigentlichen Ideen Darwins sondern die vulgarisierte Übertragung derselben auf die menschliche Gesellschaft. Das, was später bspw. als „Sozialdarwinismus“ (siehe Wikipedia) bekannt wurde , als Gedankengut auch dem modernen biologischen Rassismus zugrunde liegt und letztlich, im 20. Jhd., zu millionenfachem Genozid geführt hat.

            • 9G
              94797 (Profil gelöscht)
              @Ruhig Blut:

              Das ist es.

              Wenn aber jemand" den Darwinismus" angreift, kann sich manchmal auch ein Kreationist dahinter verbergen.



              Schon drum gehört der Komentar (tor*in) mal auf den Zahn gefühlt.

  • Die Debatte um Wirtschaftsplanung und Verstaatlichung ist doch eh total verzerrt. Mal ein paar kritische Gedanken dazu:



    - Teure Grundlagenforschung ist ohnehin meist mit Staatsgelder finanziert bzw. von staatlichen Einrichtungen gemacht worden. Profite damit machen dann die Privatunternehmen.



    - Großkonzerne sind (ähnlich den Ostblockstaaten) ökonomische Diktaturen mit Zentralplanung



    - Zentrale/demokratische Wirtschaft muss nicht zwangsläufig schlechter darin sein, die Bedürfnisse der Menschen im Vorfeld ermitteln. Oder warum werden trotz "effizienter" Privatwirtschaft bspw. so viele unverkaufte Lebensmittel weggeworfen? Der Privatwirtschaft geht es ohnehin nicht um Bedürfnisse, sondern um Profit. Eine andere, demokratischere Wirtschaft könnte mehr die Bedürfnisse der Menschen im Fokus haben.



    - je nach Sichtweise sind Staat und Konzerne quasi eh ein und das Selbe :-D --> de.wikipedia.org/w...scher_Kapitalismus

    • @vøid:

      "Teure Grundlagenforschung"



      Grundlagenforschung wird immer zielbezogen durchgeführt, zB CERN, Kernfusion etc



      Wenn diese als unrealistisch erscheinen, bricht man die Projekte ab (weil Forschungsbereich in Konkurrenz um Mittel stehen).

      "Profite damit machen dann die Privatunternehmen."



      Korrekt, liegt aber leider am doofen Patentwesen und Verschlafenheit der Forscher.

      "ökonomische Diktaturen mit Zentralplanung"



      Nein, nur die Richtung wird vorgegeben und die Unterabteilungen haben eigene Mittelverfügung. Der Chef soll nur kontrollieren, macht aber häufig nur Blabla, damit er sich davor drücken kann(wenn was schief geht etc).



      Hast du überhaupt schonmal in einem Großkonzern gearbeitet in der Entwicklung/Planung/Produktion?

      "die Bedürfnisse der Menschen im Vorfeld ermitteln"



      Bedürfnisse von Menschen ändern sich, weshalb Kapital als flexibles Mittel erfunden wurd und effizientes Steuerungsmittel ist.



      [effizient != sozial]

      "Eine andere, demokratischere Wirtschaft könnte mehr die Bedürfnisse der Menschen im Fokus haben."



      Die Grundproblematik des möglichen Verrates bei zu großer Machtkonzentration bleibt.

      "Staat und Konzerne quasi eh ein und das Selbe"



      Im Faschismus ja(zweckgerichtet je nach Faschismustyp), ansonsten hat der Staat noch weitergehende soziale Komponenten.

    • @vøid:

      Danke!

  • Ein paar beschwichtigende Worte von Herrn Kühnert wären angebracht, um eine drohende Infarkt-welle unter Kleingeistern noch abzuwenden. Zum Beispiel, dass er als Ziel erst das Jahr 2022 anpeilt.

    • @Gregor Tobias:

      Welches Ziel? Klimaschutz?

    • @Gregor Tobias:

      Der Kleingeist ist Herr Kühner!

  • Frankreich leidet bis heute unter seiner Staatsgläubigkeit.

  • VW innovativ? Die wären fast pleite gegangen, weil sie zu lange am Käfer festhielten! Bitte keine Geschichtsklitterung aus Begeisterung für Kevin, dem großen Enteigner!

  • Wikipedia nennt für den Zeitraum 1950 bis 1973 für Deutschland ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von fünf und für Frankreich eines von nur vier Prozent.

    Da hat die soziale Marktwirtschaft ja deutlich besser funktioniert als der planwirtschaftliche französische Ansatz. Die Autorin wird begeistert sein, dass wir jetzt eine paneuropäische Komission haben, die Ziele festlegt...

    • @Joachim Herbert:

      Wirtschaftswachstum nützt der Gesellschaft nur, wenn es verteilt wird. Damit will ich nicht sagen dass dies im Kapitalismus garnicht passiert, aber allein an solchen Zahlenwerten kann man vielleicht Macht, aber doch nicht das Wohlergehen der Bevölkerung ablesen.