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Die WahrheitKann man Wellensitticheier essen?

Zierliche Lebensmittel wie Wachteleier entzücken das Auge. Aber nicht alle tierischen Niedlichkeiten darf man mit gutem Gewissen verspeisen.

S olange das noch mit dem Cholesterinspiegel geht, esse ich ab und an gern mal ein Ei. Selbstredend muss es von einem glücklichen Huhn stammen, das dank einer ausgefüllten Freizeit und eines spannenden Liebeslebens nicht einmal wahrnimmt, dass man ihm die Zukunft klaut.

Aber wenn es im Hühnerstall aussieht wie bei Prillan, Ma­thilda, Fia, Doris und so weiter, also den befreundeten weißen Hühnern bei „Petterson und Findus“, ist das kein Problem. Pettersons Hühnerstall ähnelt nämlich einem gemütlichen, mit Bildern und Gardinen verschönerten Luxus-Altenheim, in dem die Damen den ganzen Tag Kaffee trinken und gackern, also das, was ich mit meinen Freundinnen auch meistens mache.

Und langweilig ist ein solches Leben nicht – im sehr aufregenden Petterson-und-Findus-Band „Aufruhr im Hühnerstall“ geraten die Hühner und Petterson sogar ziemlich aneinander, weil sie den Plänen des alten Mannes, ein Gemüsebeet zu säen, einen Strich durch die Rechnung machen, und sofort sämtliche beim Graben herausgezogenen Würmer fressen. Dass Kater Findus sie daraufhin mit einem fiesen Trick in den Stall zurückjagt – er schreit: „Der Fuchs kommt!!!“ –, fällt am Ende gerechterweise auf ihn zurück.

Ich hoffe, dass Wachteln ebenfalls solch ein schönes, artgerechtes Leben vergönnt sein kann, denn jüngst bekam ich eine Packung Bio-Wachteleier geschenkt und war begeistert davon, wie viele Wachtelspiegeleier in eine Pfanne gehen und wie süß das aussieht. Das ist auch der Trick beim Schnaps: Kleine Gläschen sind einfach niedlicher als große Humpen.

Noch stärker wird das Kindchenschema nur bei Wellensitticheiern angesprochen, bei denen ich nicht herausfinden konnte, ob man sie essen kann. Jedes Mal, wenn ich den Satz „Kann man Wellensitticheier essen?“ in die Suchmaske eingeben will, bin ich so irritiert von den vorgeschlagenen Fragen, dass ich es nicht schaffe, weiter zu recherchieren. Bei der Eingabe von „Kann man“ kommt als Erstes: „Kann man Eicheln essen?“, und kurz darauf: „Kann man bei Lidl Geld abheben?“

Ohnehin gibt es in Deutschland eh keine glücklich-freilebenden Wellensittiche, nur Schwärme von entflogenen Halsbandsittichen und Großen Alexandersittichen. Und denen möchte ich in ihrem mit der neu gefundenen Freiheit erwachten Lebensmut keinen Strich durch die Rechnung machen, indem ich ihre zierlichen Eier klaue und daraus zierliche Eggs Benedict zubereite, oder einen sehr, sehr kleinen, niedlichen strammen Max, den ich auf einer dünnen Scheibe Brötchenkonfekt anbiete.

Vielleicht lasse ich also doch die Finger von den Eiern und mahle mir lieber einen guten, gesunden, völlig cholesterin- und Kolonialerbe-freien Eichelkaffee, der lässt sich nämlich aus Eicheln herstellen, habe ich gelesen. Wenn der in einer Espressotasse serviert wird, sieht er zudem wirklich niedlich aus.

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